Das muss man gehört haben - oder auch nicht
In der Kurzkritik: Elektronisch unterfütterter Futurismus von den Brit-Pop-Hohepriestern The Charlatans, Jazzvokalist Allan Harris mit einer Stimme wie Buttercreme und akustischer Minimalismus vom Singer-Songwriter José Gonzáles.
"In the Tall Grass" – The Charlatans
Doch, es finden sich auch gitarrengetriebene hymnische Popmelodien auf "Modern Nature", dem neuen Album der Hohepriester des Brit-Pop The Charlatans. Der Grundton des zwölften Studioalbums ist aber eher elektronisch unterfütterter Futurismus angehaucht mit Soul- und Funkstimmungen.
Klingt kompliziert – ist experimenteller als üblich und hat doch seine ganz eigene eigenwillige Schönheit und Größe. The Charlatans blicken damit nach vorne. 2013 war deprimierend genug, als ihr langjähriger Schlagzeuger Jon Brookes mitten in den Aufnahmen zu diesem Album an einem Gehirntumor starb.
Es hat etwas gedauert bis sich die restlichen Bandmitglieder danach wieder emotional sortiert hatten und weiter machen konnten. Eine gewisse Zerrissenheit ist "Modern Nature" logischerweise anzumerken und gerade die fiebrige Unruhe verleiht diesem Album seinen in die Zukunft weisenden Sound.
"Take me to the Pilot" – Allan Harris
Afroamerikanischer Jazzsänger, swingender Groove und eine Stimme wie Buttercreme , aber Gregory Porter ist es nicht. Allan Harris heißt dieser Jazzvokalist und Gitarrist, der nun mit seinem Album "Black Bar Jukebox" ansetzt endlich auch außerhalb eingeweihter Jazzkreise wahrgenommen zu werden, "Black Bar Jukebox" ist immerhin das 9te Studioalbum des 58 Jährigen aus Harlem, New York.
Glücklicherweise bürstet ihn sein Produzent Brian Bacchus nicht zu sehr in Richtung PopJazz, sondern lässt dem Mann mit den gesalbten Stimmbändern seinen zurückgelehnten, manchmal konventionellen Ansatz an eine Jazzsprache, die in den 50ern florierte und bis heute Blüten trägt.
Allan Harris liefert mit diesem Album klangliches Seelenfutter, in dem Frank Sinatra und Tony Bennett widerhallen, genauso wie ein Gregory Porter - Jazz also, der im Gestern wie im Heute besteht.
"Let it carry you" – José González
José Gonzáles zelebriert auch auf seinem dritten Soloalbum "Vestiges&Claws" akustischen Minimalismus. Dass es dabei ganz beiläufig trotzdem spannungsvoll zugeht, ist die große Stärke dieses schwedischen Singer-Songwriters.
Seine philosophisch aufgeladenen Songs handeln davon, was von einem Menschen am Ende des Lebens bleibt oder von einem erfüllten Leben vor dem Tod, ohne auf ein Leben danach zu hoffen. Die ganz großen Themen also, klanglich ganz klein ummantelt. Das ist derart wirkungsvoll, das "Vestiges&Claws" sich zu einem Klassiker des Indie-Folk entwickeln dürfte.
Das Album ist jedenfalls der großartige Abschluss der musikalischen Trilogie, die Gonzales 2003 mit "Veneer" begann und mit "In our nature" 2007 weiterführte.