Das muss man gehört haben ... oder auch nicht
Zwei verlorene Söhne des Rock'n'Roll sind wieder "auferstanden": The Libertines mit "Anthems For Doomed Youth". Jeder - von Eric Clapton bis Obama - feiert Gary Clark Jr. und sein neues Album "The Story of Sonny Boy Slim". Mit "Viva Diaspora" kommt Shantel auf den Markt.
"Anthems For Doomed Youth" heißt dieser Titelsong – mit solchen Hymnen für die verlorene Jugend sind The Libertines wieder da, die verlorenen Söhne des britischen Rock'n'Roll-Zirkus der frühen Nullerjahre. Auferstanden aus Drogenrausch und Ruinen von persönlicher Zerwürfnis und verzweifelten Nachfolgebandversuchen. Verblasst war schon fast die Erinnerung an Pete Dohertys vollgekotzte Anzüge und abgesagte Tourtermine, an die elegante Eloquenz seines Mit- und Gegenspielers Carl Barât.
Wiedervereinigt haben sich Jekyll und Hyde - oder lieber Baudelaire und Rimbaud? Nun mit den zwei Rhythmuskollegen in Thailand, spielen The Clash-artigen Strand-Reggae, harmoniesüchtige Schöngeist-Balladen und – nur selten noch – rohen Existenzialisten-Rock mit Punk-Maske. Das ist manchmal tatsächlich zum Heulen schön hymnisch, manchmal richtig schlau, meist ziemlich clean gereift und fast immer schlicht genial und großartig.
Ziemlich genau das Gegenteil davon ist dagegen das neue Album einer Band, die in den 80er mal echt groß war: Duran Duran. Aber das nur am Rande.
Denn mitten ins Spotlight spielt sich mit seinem zweiten Werk ein anderer, vielleicht der neue Gitarren-Held: Gary Clark Jr..
Eric Clapton und Obama sind geplättet
Alicia Keys, Eric Clapton, Barack Obama – alle, die Gary Clark Jr. schon live erleben konnten, sind geplättet. Ich auch. Schon vor knapp drei Jahren, als ich hier sein Debütalbum vorstellte. Und er bei Kritikerkollegen als neuer Hendrix gefeiert wurde.
Seine wilden Blues-Urschreie an der Gitarre hat man dem Texaner zwar nun bei Warner etwas gestutzt, lässt ihn ein bisschen wie Lenny Kravitz, ein bisschen Prince tun. Aber insgesamt bleibt auf "The story of Sonny Boy Slim" eine Ausnahmeerscheinung zu erkennen, die die Musikwelt nur alle paar Jahrzehnte hervorbringt.
Nicht nur musikalisch, sondern für Deutschland und Europa auch gesellschaftspolitisch bedeutend zeigt sich auf seinem neuen Album ein Mann, der den Balkan-Beat miterfunden hat: Shantel.
Shantels Opa ist seine Inspirationsquelle
Die Wurzeln seiner Oma aus der Bukowina hat er abgearbeitet, Shantel hat sich nun seinen Opa aus Griechenland zur Inspirationsquelle gemacht. Schon vor der Krise, von der keiner mehr hören mag. Athen ist längst sein Zweitwohnsitz, griechische Musiker seine Kooperationspartner auf "Viva Diaspora", dem programmatischen neuen Album, seinem besten.
Rembetiko im Clubsound von einem der weiß, wie man emsige Traditions-Recherche in zeitgemäßen Pop transferiert. Europäische Willkommenskultur im Tanzbodenformat.
Ester Rada, Petite Noir und Kwabs
Eine Israelin mit äthiopischen Wurzeln: Ester Rada steht mit ihrem Debüt zwischen Soul und Ethio-Jazz für eine Fülle an großartigen ersten Alben, die an diesem Freitag nicht in der Masse an Neuveröffentlichungen untergehen sollen. Petite Noir wäre noch zu nennen, der Afrikaner mit seinem selbsternannten neuen Genre Noirwave.
Kwabs, der neue NuSoul-Star aus Großbritannien. Und ein deutsches Einwanderer-Duo, das sich und sein Debut Eating Snow nennt. Mit ihrem AmbientSongwriterElektro schmeicheln sie sich nicht nur in die Herzen der angeblich verlorenen Jugend. Und einer der beiden schrieb an den Dalai Lama: "Wenn ich wiedergeboren werde, möchte ich Musik sein."