Von wunderlich bis Tageslicht
Sechs neue Platten stellen wir vor: kraftvollen Math-Rock, entspannte Gitarren-Songs, Pop aus einer Parallelwelt, West-Coast Unterground Hiphop, zerbrechlichen Post-Rock und großartigen Folk aus Finnland.
Adebisi Shank - This Is The Third Album Of A Band Called Adebisi Shank
Das Trio aus Irland veröffentlicht heute offiziell sein drittes Album: Es hat den wunderlichen Titel This is the third album of a band called Adebisi Shank. Dreimal dürfen Sie raten, wie die beiden Vorgängeralben hießen.
Auf dem Cover sehen wir einen Bodybuilder, der seine Muskeln anspannt und dessen Kopf mit einer Glühbirne kurz vorm Explodieren ersetzt wurde. Dieses Sinnbild passt zum kraftvollen, von kreativer Energie nur so strotzenden Math-Rock, in den auch noch Elektro, Metal, jede Menge Spielereien eingequirlt werden.
Das klingt oft so irre und durchgeknallt, dass wir fast in Deckung gehen wollen. Aber keine Angst, die spielen nur. Meistens sorgt ihr Einfallsreichtum einfach dafür, dass uns die Kinnlade runterklappt. Falls Sie sich morgens auf der Fahrt zur Arbeit nicht so recht motivieren können: This Is The Third Album Of A Band Called Adebisi Shank hilft!
Label: Sargent House
James Yorkston – The Cellaryke Recording And Wassailing Society
Diese Ruhe, die dieser Man mit seiner Musik transportiert ist ansteckend. James Yorkston bringt heute sein 8. Album The Cellardyke Recording and Wassailing Society raus.
Cellardyke ist ein kleines Dorf am Meer in Fife, einer historischen Gegend im Osten Schottlands. Dort lebt eine lose Clique von Musikern, Künstlern und Typen, die ein Leben fern ab von der Großstadt und exorbitanten Bierpreisen genießen. Das mit den Bierpreisen können wir uns hier in Deutschland kaum vorstellen, aber wenn man in Edinburgh in einer Bar für ein halbes Pint mal eben sechs bis sieben Pfund loswird, da wird man schnell zum Genießer.
Aber wer sich in der Provinz einrichtet und das mit Überzeugung, muss ja zwangsläufig solche entspannten Songs machen. Ganz sparsam sind die – Achtung! – 16 Songs instrumentiert. Wichtigstes Instrument ist die Gitarre, aber selbst die steht immer hinter James Yorkstons herrlich beruhigender Stimme an.
Für die Aufnahmesession musste er dann doch mal sein beschauliches Nest verlassen und ausgerechnet nach London ins Studio – so ziemlich der krasseste Gegensatz zu Cellardyke. Dort haben ihn interessanterweise Alexis Taylor von Hot Chip hinter den Reglern und musikalische Mitstreiter wie u.a. KT Tunstall erwartet.
Aber wenn die Plattenfirma uns erzählt hätte, die hätten sich alle im Hinterzimmer einer uralten Provinzspelunke zwischen Scotch- und Ale-Fässern getroffen – wir hätten das sicherlich auch geglaubt.
Label: Domino
JJ – V
Auf dem dritten Album von JJ kommen mindestens drei Dinge zusammen, die Musikkritiker aufhorchen lassen: Schweden, Duo und andersklingend. 2009 hat das Duo zum ersten Mal von sich hören lassen. Erst wusste niemand genau, wer hinter JJ steckt. Und dieses Mysterium passte auch perfekt zum Pop-Sound wie aus einer Parallelwelt.
Inzwischen wissen wir: JJ sind Elin Kastlander und Joakim Benon. Sie schreiben sich jetzt – im Gegensatz zu früheren Veröffentlichungen – mit Großbuchstaben. Damit erklären sie sich für erwachsen, denn nach eigener Aussage ist die neue Platte V genau das, was JJ immer machen wollten. Ein Album eher für sich selbst, eins, das die künstlerische Vision eins zu eins umsetzt, aber wenn die Gefolgschaft mitzieht, desto besser.
Und mitziehen lohnt sich. Auch für Hörer, die noch ganz neu in der Welt von JJ umher irren. Das gibt sich nach einem Albumdurchlauf. Denn auch wenn JJ klingen, als seien sie von einer anderen Welt, ihr Handwerkszeug kommt einem doch oft genug vertraut vor.
Label: Secretly Canadian
Dilated Peoples – Directors Of Photography
Dilated Peoples aus Los Angeles sind Legenden des West-Coast Underground Hiphops. Das Trio hat sich viel Zeit gelassen für sein neues Album Directors Of Photography – acht Jahre sind seit dem letzten vergangen. In der Zeit haben sich die Mitglieder Soloprojekten gewidmet.
Als Evidence, Rapper und Producer von Dilated Peoples, vor gut zwei Jahren das neue Album angekündet hat, musste er gleichzeitig die Fans beruhigen, die schon vermutet hatten, Dilated Peoples hätten sich aufgelöst. Jetzt gehen sie sogar wieder auf Tour und kommen für ein einziges Konzert nach Deutschland: Am 24.8. bei der Blockparty in München.
Heute erscheint das neue Album Directors of Photography offiziell. Directors of Photography hat kein albumübergreifendes Thema. Es klingt nach einer lässigen Sammlung von Stücken, mit pumpenden Beats, jeder Menge Samples, der ein oder anderen politischen Botschaft und natürlich mit Feature-Gästen. Für einen Song ist auch Soulsänger Aloe Blacc ins Studio gekommen.
Label: Rhymesayers
Trans Am – Volume X
Trans Am gelten als Miterfinder des Post-Rocks, also instrumentaler Rockmusik mit ausgedehnten Passagen und viel Dynamik. Das Trio aus Washington, DC bedient sich aber auch bei Punk, Metal, Krautrock, Elektronica und Synthi-Pop. Zuweilen geht es recht krachig und aggressiv zur Sache, aber im nächsten Song werden wir mit zarten Synthesizer-Melodien und motorischen Schlagzeugbeats gebauchpinselt.
Mit Verspieltheit, zum Beispiel Vocoder-Gesang und einigen Unberechenbarkeiten haben Trans Am seit ihrer Gründung 1990 weltweit Fans gewonnen. Heute erscheint das 10. Album: Volume X heißt es, und es klingt, als würden Trans Am ein Resümee ihres bisherigen Schaffens ziehen. Alle musikalischen Facetten, für die Trans Am stehen und der Sound, der sie – wie ich finde – einzigartig macht, werden Ihnen auf diesem Album begegnen.
Und Überraschungen gibt's auch: ein Roboter-Liebeslied. Das ist tatsächlich ungewöhnlich für eine Band, die meistens oft unterkühlt und kompromisslos klingt. "I'll Never" heißt der Song, er steht nicht für das neue Album Volume X, aber für eine weitere Facette, Zerbrechlichkeit, mit der Trans Am auf ihrem neuen, 10. Album aufwarten können.
Label: Thrill Jockey
Mirel Wager – When The Cellar Children See The Light Of Day
Mirel Wagner sagt, ihr zweites Album klinge eigentlich genau wie das erste, allerdings hätte sie diesmal ein Plektrum beim Spielen verwendet, weswegen diese Platte wohl etwas lauter ausfalle – oder auch nicht. Das klingt fast gleichgültig. Dabei ist ihr neuer Wurf ziemlich eindrucksvoll.
Die Finnin mit Wurzeln in Äthiopien erzielt mit wenig Mitteln große Wirkung. Im Grunde besteht das Album fast nur aus relativ einfachen Gitarrenharmonien und Akkordfolgen, ihrer Stimme und ein wenig Hall. Aber das reicht völlig aus. Doch ist es eben nicht nur die Gitarre, sondern vor allem die Stimme, die Mirel Wagner ausmacht.
Sie klingt so unheimlich nah dran, als würde sie uns ihre Lebensweisheiten und philosophischen Fragen ins Ohr flüstern. Besonders schön klingen Worte, die auf harten Konsonanten enden, als würde sie die noch lang ziehen wollen, was ja eigentlich nicht geht. Mirel Wagner dürfte mit dieser Platte in die Liga der großen Folk-Sängerinnen aufsteigen.
Label: Sub Pop