Liane Bednarz, Christoph Giesa: Gefährliche Bürger. Die neue Rechte greift nach der Mitte
Carl Hanser Verlag München, 24. August 2015
256 Seiten, 17,90 Euro, auch als ebook
Die bürgerliche Mitte wird infiltriert
Der Bildungsbürger sei zum Primitivbürger geworden, lautet die These von Liane Bednarz und Christoph Giesa. Diese "gefährlichen Bürger" seien dogmatisch, rechthaberisch, egoistisch und Feinde der offenen Gesellschaft. Dagegen rufen die Autoren zur Zivilcourage auf.
Eine Gruppe stramm rechter Intellektueller infiltriere die bürgerliche Mitte. Gut vernetzt, strategisch geschult und bürgerlich auftretend, entstammten sie einer neuen Denkschule. Auch wenn sie erkennbar kein nationalsozialistisches Erbe pflege, sondern Tarnstrategien verwende, vertrete sie eine völkische, nationale Deutschlandidee und lehne die offene, demokratische Gesellschaft ab.
Für sie zahle sich jahrzehntelange Vorarbeit aus, schreiben Liane Bednarz und Christoph Giesa. Die beiden Publizisten - sie eine bekennende Konservative und er ein ebenso überzeugter Liberaler - zeigen sich selbst überrascht von dem Menschenhass, der mittlerweile in Internetforen und sozialen Medien zu lesen sei.
Aus demokratischem Grundkonsens verabschiedet
Die bekannte rechte Szene aus Parteien, Kameradschaften und Burschenschaften, Zeitschriften und Buchverlagen habe sich mit Wutbürgern der "AfD" und der Bürgerinitiative "Pegida" verbündet, unterstützt von Journalisten, Politikern, und Wissenschaftlern. Darunter fänden sich auch Geschäftsmacher, die an der Apokalypse, die das Milieu gemeinsam reite, gut verdienen würden. So habe sich, stellen die Autoren fest, ein Teil der bürgerlichen Mitte vom demokratischen Grundkonsens verabschiedet.
Aus diesem Milieu heraus mische sich ein verunsicherter Bildungsbürger ganz anders als erhofft wieder in die Politik ein. Er werde zu einem Primitivbürger, ja zu einem "gefährlichen Bürger", der sich aggressiv gegen alles wehre, das ihm gegen den Strich gehe, und anfällig für jedwede Hetze sei. Er zeige sich missionarisch und dogmatisch, rechthaberisch und egoistisch. Der Sinn für Gemeinwesen und Verantwortung, das Selbstverständnis eines Citoyens sei ihm verlorengegangen.
Mit linkem Vokabular rechts verführt
Ihn umwerbe die neue Rechte einfühlsam, um zugleich mit einem Vokabular, das an linke Systemkritik erinnere, die Demokratie als Diktatur des Mainstream herabzuwürdigen und eine Wahlverwandtschaft mit Wladimir Putin zu entdecken, wenn es gegen alles Fremde gehe, gegen Ausländer, derzeit besonders Flüchtlinge, oder Homosexuelle, gegen den Islam oder die europäische Idee.
Liane Bednarz und Christoph Giesa appellieren an die Zivilcourage ihrer Leser, sich im alltäglichen Gespräch platte Ressentiments zu verbitten, ein "Man-wird-ja-wohl-noch-sagen-dürfen..." mit einem "Nein,-man-darf-nicht!" zu kontern.
Beispielhaft nehmen sie sich Themen vor, bei denen es lohne, argumentativ gegenzuhalten. Darunter zählt für sie die Anmaßung des skandierten Rufes "Wir sind das Volk". Was als Protest gegen das SED-Regime noch integrativ gemeint gewesen sei, erweist sich nunmehr als antidemokratisch. Denn diese Haltung suche nicht mehr den Kompromiss, sondern halte allen anderen der Gesellschaft in totalitärer Form entgegen: "Ihr seid nicht das Volk!".