In Friedrichshafen bleibt die Küche kalt
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Die Hygieneregeln sind wenig praktikabel, klagt ein Wirt. Außerdem rechne es sich nicht, wenn nicht mal die Hälfte der Gäste komme. So bleibt die Gaststätte einfach geschlossen. Ein Stimmungsbericht vom Bodensee.
Statt des Kochlöffels hält Ralf Felder das Internetkabel seines Kassenterminals in der Hand. Und statt der Kochmontur trägt er Jeans und einen verwaschenen Freizeitpulli. "K 42" nennt sich sein Restaurant in Friedrichshafen mit Blick auf den Bodensee. Er blickt stattdessen auf den Zapfhahn am Tresen: Da fließt noch kein Bier – und da wird auch so schnell keines fließen, obwohl die baden-württembergischen Gaststätten heute wieder öffnen dürfen. Aber das "K 42" bleibt zunächst zu.
"Nein, das geht noch nicht. Eigentlich, weil ich Gastwirt und Koch aus Leidenschaft bin, würde ich schon gerne aufmachen. Nur da sind so viele Unsicherheitsfaktoren im Spiel, die einfach noch nicht ausdiskutiert sind."
1,50 Meter Abstand - wie misst man die?
Felder gießt sich ein Mineralwasser ins Glas, blickt nach draußen, auf die hübsche Uferpromenade. Die Sonne scheint. Eigentlich ein wunderbarer Tag, um draußen zu sitzen und Kaffee zu trinken. Was dem gelernten Koch und Gastwirt mit jahrzehntelanger Erfahrung aber im Magen liegt: die – aus seiner Sicht – unklaren Bedingungen, unter denen er sein Restaurant wieder betreiben kann. Die Abstandsregeln zum Beispiel.
"Der eine sagt, die Tische müssen 1,50 Meter auseinander sein. Der nächste sagt, die Stühle müssen 1,50 Meter auseinander sein. Jeder ist da einer anderen Meinung. Ich habe gerade heute mit dem Beauftragten der DEHOGA, der einem in den Coronazeiten hilft, einen ordentlichen Re-Start hinzulegen, gesprochen. Der sagt zu mir: ‚Es muss von Gast zu Gast 1,50 Meter Abstand sein.‘ Aber in der Verordnung steht drin: Der Tisch muss 1,50 Meter vom nächsten entfernt stehen. Das sind dann Sachen, bei denen man sich ein bisschen uneinig ist."
Dann die Regeln, wie das Personal einzusetzen ist: Bedienungen, die früh da sind, sollen nach Möglichkeit keinen Kontakt mit ihren Kolleginnen und Kollegen haben, die spät kommen und bis abends bleiben.
"Es soll keine Überschneidungen geben in den Schichten, was kaum möglich ist: Denn ich kann nicht sagen, wenn ein Kellner gerade beim Gast ist: Jetzt haben wir vier Uhr – der muss jetzt aufhören. Aber das Flexible war, glaube ich, gestern."
Maximal 40 Prozent Auslastung
Heute ist Corona - strenge Auflagen für die Gastronomie inklusive. Die haben nicht nur bei Ralf Felder die Entscheidung reifen lassen, erst mal nicht zu öffnen.
Auch das Zeppelin-Museum-Restaurant bleibt zu, ebenso der an der Bodensee-Uferpromenade gelegene Beach Club. Was die Wirte aber vor allem drückt: die fehlende Rentabilität unter den aktuellen Corona-Auflagen.
Felder hat das mal ausgerechnet: Unter Beachtung aller Regeln kann er nur maximal 40 Prozent der Plätze anbieten - verglichen mit den Zeiten vor Corona.
"Wenn ich zulasse, kostet mich das so um die 10.000 Euro im Monat. Wenn ich aufmache, dann habe ich das Personal wieder auf meiner Seite, die Energiekosten laufen genauso weiter, ob nun fünf Leute oder 100 Leute bei mir im Restaurant sitzen, ich habe die gleichen Energiekosten. Die Pacht bleibt gleich und alles. Dann gebe ich 25.000 Euro aus und habe nur 30 oder 40 Prozent Belegung - bestenfalls. Es rechnet sich halt mit einem Minus. Von daher macht das keinen Sinn."
Kommt noch hinzu, dass in der Industriestadt Friedrichshafen wichtige Gäste einfach nicht mehr kommen: "Wir sind sehr gut besucht von Industriegästen, internationales Publikum. Die bleiben weg. Die haben bei uns sehr, sehr gut konsumiert."
Alles in allem, sagt Felder, wäre nicht mal die unter den Coronaauflagen mögliche 40-Prozent-Auslastung garantiert. Deshalb bleibt sein Restaurant trotz der aktuellen Lockerungen zu – zumindest noch ein bisschen.
"Ich möchte kurz vor Pfingsten, also am 27. Mai, wieder aufmachen. Das sind erstmals wieder Urlauber in Friedrichshafen, sodass man dann ein Tagesgeschäft hat. Abends sieht man denn, was passiert."
Leben mit den Herausforderungen
Sehen, was passiert, allerdings schon heute – das will an diesem Vormittag wenige hundert Meter weiter, ebenfalls direkt am Bodensee, Tanja Caccheche, Inhaberin des Cafés "Al Porto". Auch sie muss die Abstandsregelungen einhalten. Auch sie kann längst nicht mehr so viele Kunden bewirten wie vor der Coronakrise. Alles ist schwieriger geworden. Und dennoch: Aus ihrer Sicht überwiegen die Vorteile der Öffnung die vielen Unwägbarkeiten, die damit verbunden sind.
"Für mich kam die Diskussion gar nicht auf, nicht aufzumachen. Man darf wieder. Das machen wir jetzt genauso. Jetzt müssen wir halt einfach mit diesen Herausforderungen leben."