Wenn Literaturkritiker zu Romanautoren werden
Nur Literaturkritiker zu sein - das reicht ihnen offenbar nicht: Volker Hage, Wolfgang Herles und Hajo Steinert haben Romane über die Liebe veröffentlicht. Der Literaturkritiker sei ein "produktiver Leser" und denke immer "Das kann ich auch" , meint Stephan Porombka.
Drei sehr bekannte Literaturkritiker haben in zeitlich kurzem Abstand Romane über die Liebe geschrieben: Volker Hage, Wolfgang Herles und Hajo Steinert. Das sei nicht unbedingt als Seitenwechsel zu beurteilen, sagte der Literaturwissenschaftler Stephan Porombka im Deutschlandradio Kultur:
"Ich glaube, Literaturkritiker sind produktive Leser. Die wahrscheinlich immer schon an ihrem inneren Roman schreiben. Vielleicht schreiben sie auch so ein bisschen parallel, also ohne tatsächlich den Stift in der Hand zu haben. Sie lesen die Bücher, die ihnen zugeschickt werden, und denken eigentlich immer: 'Das kann ich auch.' Und spinnen sich so über die Zeit etwas zusammen."
Steckt hinter den jüngsten Veröffentlichungen der Literaturkritiker möglicherweise auch ein Ehrgeiz, der einem empfundenen Manko an Kreativität entspringt?
"Das wird Journalisten generell gerne nachgesagt, dass sie sich nicht so kreativ fühlen dürfen. Ich glaube aber, dass sie eine enorme Kreativität entfalten und auch ein unglaubliches Selbstbewusstsein haben. Und dass sie in dem Moment, wo sie Literatur machen, nicht aus einem Mangelbedürfnis heraus schreiben, sondern aus dem Überfluss, aus der Kraft heraus."
Der bekannte Kritiker als Mulitiplikator
Bekannte Literaturkritiker als Autoren – das sei sicherlich für viele Verlage sehr attraktiv, meinte Porombka. Anerkannte Mitglieder des Literaturbetriebs könnten eine Multiplikatoren-Funktion ausüben:
"Ich stelle mir das tatsächlich so vor, dass sie, nachdem sie ihren Satz sagen, 'Ich könnte das auch machen' und dann ihre Agenten treffen – dass sie dann alle am Tisch sitzen und das ausbaldowern. Sie planen es, arbeiten es durch und bringen es auf den Markt. Und die Verlage stehen dahinter und sagen: 'Du hast doch deine Leser. Und guck' dich doch mal an: Du bist ein attraktiver Typ. Die kennen dich aus dem Fernsehen.'"
Stephan Porombka, Autor und Literaturwissenschaftler, ist Professor für Texttheorie und Textgestaltung an der UdK Berlin. Er beschäftigt sich besonders mit dem Verhältnis von Medien und Literaturkritik.