"Noch gefährlicher als die reinen Trash-Formate"
Ein Koffer voller Geld wird vor die Tür einer Familie gestellt, die auf Hartz IV angewiesen ist. Schafft sie es damit aus der Misere? Das ist das Konzept der RTL-Show "Zahltag". Journalist Sebastian Friedrich sieht das Format kritisch.
Hartz IV-Empfängern wird der Jahressatz Hartz IV auf einen Schlag in einem Koffer vor die Tür gestellt. Die Idee: Wenn sie es jetzt nicht schaffen, sich zu befreien, dann liegt es nicht am Geld. Sondern? An fehlendem Fleiß? Unvermögen?
Eine Anschubfinanzierung ist nicht per se falsch
Der Journalist Sebastian Friedrich hat sich die neue RTL-Show "Zahltag" angesehen:
"Die Grundidee ist erstmal nicht so falsch. Eine Anschubfinanzierung, um aus Hartz IV rauszukommen, dagegen ist erstmal nichts zu sagen, und die Sendung an sich ist nicht zu vergleichen mit den Trash-Formaten, wie wir sie aus den früheren Jahren oder aus den Richter-Shows kennen. Da gibt es eine positive Entwicklung.
Aber die Geschichte, die hier im Endeffekt erzählt wird, ist dann wieder die gleiche: Man kann sich am eigenen Schopf packen und selbst aus den Problemen wieder rauskommen. Und diese neoliberale Erzählung von 'jeder ist seines Glückes Schmied', die ist unter dem Strich trotzdem menschenfeindlich."
"Experten" in bestimmten Rollen
Den porträtierten Familien stehen "Experten" zur Seite, die bestimmte Rollen spielen. Da ist einmal Heinz Buschkowsky, ehemaliger Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln. Er "gibt den harten Hund", so Friedrich und vertrete die These, die Arbeitslosen seien selbst schuld und müssten sich selbst befreien aus ihrer Situation.
Ilka Bessin, besser bekannt als "Cindy aus Marzahn", nimmt die Betroffenen-Perspektive an "als eine, die weiß, wie es sich anfühlt, Hartz-IV-Empfängerin zu sein, denn sie war selbst vier Jahre Hartz-IV-Bezieherin."
Der dritte Berater ist Felix Thönnessen. Er ist, so Friedrich, "der Gegenpart zu Heinz Buschkowsky, ein junger, dynamischer Gründerberater, der sagt als erstes, er glaube nicht, dass alle Hartz-IV-Empfänger faul sind, er möchte, dass diese These widerlegt wird durch das Experiment."
Die zentrale Fragestellung der Sendung sei, so Friedrich: "Sind Arbeitslose faul oder sind sie es nicht?"
Guter Arbeitsloser, böser Arbeitsloser
Diese Fragestellung werde zwar subtiler behandelt als in anderen Formaten, aber die Dramastruktur bediene das Bild vom faulen Arbeitslosen, meint Friedrich. Die Sendung arbeite viel mit Antagonismen, in dem Fall dem Gegensatz zwischen dem guten und dem bösen Arbeitslosen, also auf der einen Seite die gute Sparerin, auf der anderen Seit derjenige, der das Geld einfach verprasst.
"Ich finde die Sendung noch gefährlicher als die reinen Trash-Formate, denn diese Sendung funktioniert viel subtiler. Durch diesen dokumentarischen Stil wird hier so getan, als sei das hier eine objektive Sendung, ein objektives Format, um die Eingangsfrage, ob die Arbeitslosen zurecht arbeitslos sind, zu beantworten. Wir haben hier durch diese auf den ersten Blick freundlichere, zugewandtere Art diese Ideologie von 'jeder ist seines Glückes Schmied'" viel subtiler vermittelt."