Neue Spezialambulanz hilft kranken Musikern
Oft erfordert das Spielen eines Musikinstrumentes unnatürliche Haltungen oder es belastet Organe in einem Maß, dass es die Gesundheit gefährdet. Wenn Musiker krank sind, steht ihre berufliche Existenz auf dem Spiel. Im Düsseldorfer Klinikum kümmert sich eine Musikerambulanz um die Patienten.
Die Geigerin Regine Florack ist zur lezten Nachuntersuchung in die Musiker-Ambulanz am Düsseldorfer Univeritätsklinikum gekommen. Schnell stimmt sie noch die Geige, denn die wird sie gleich brauchen. Begrüßt wird sie von Wolfram Goertz, studierter Kirchenmusiker und Mediziner. Er ist Koordinator der neuen Einrichtung.
"Sie haben ihre Geige mitgebracht und wir wollen gleich mal schauen, wie sich denn ihre Spielfähigkeit in den letzten Monaten entwickelt hat mit der Mobilität der Finger und der Hand. Es hat sich komplett alles zurückentwickelt, das heißt, meine Spielfähigkeiten sind wie vor dem Handgelenksbruch."
Regine Florack ist Berufsgeigerin bei den Niederrheinischen Synfonikern. Als sie sich bei einem Sturz auf Glatteis einen Trümmerbruch am linken Handgelenk zuzog, stand ihre berufliche Zukunft auf dem Spiel.
"Also meine Ideen gingen wirklich schon in Richtung möglicher Berufsunfähigkeit. Ja, dann tanzen so Worte wie Harz IV durch den Kopf."
Doch so weit kam es nicht. Auch dank eines sehr guten Handchirurgen der Uniklinik Düsseldorf, der ihr linkes Handgelenk, mit dem sie die Saiten der Geige greift, mehrfach operierte.
"Wenn sie sagen, dass jetzt alles wieder hundertprozentig ist, würde ich das auch gerne mal hören. Es ist jetzt wichtig zu wissen, dass das jetzt ein Spiel ausschließlich auf der untersten, also auf der G-Saite der Violine war. Also grifftechnisch, weil es eben auch in höhere Lagen geht, schwer zu erreichen. Und deswegen ist das so ein unglaublich schönes Ergebnis, das ist ein großartiger Erfolg."
Untersuchungen am Instrument gehören in der Musiker-Ambulanz so selbstverständlich dazu, wie das ausführliche Gespräch und die körperliche Untersuchung, erklärt Wolfram Goertz.
"Stellen sie sich einen Trompeter vor, bei dem wir einen Herzultraschall live während des Spielens machen. Wir müssen sehen, was er tut. Es ist zum Beispiel so, dass es Geiger gibt, die sich über die Zeit Haltungen angewöhnt haben, die aber à la longue gar nicht gut sind. Wir machen Videoanalysen. Und es wird bald so sein, dass wir diese Videos an einen Geigenprofessor mailen, mit dem wir in Kontakt sind."
Und der dann zum Beispiel Tipps für eine andere Körperhaltung geben kann.
Die Idee einer medizinischen Anlaufstelle speziell für Instrumentalisten und Sänger ist nicht neu. Es gibt bereits einige Institutionen, aber die sind meist in Musikhochschulen integriert. Die Düsseldorfer Musiker-Ambulanz ist die erste ihrer Art, die an einer Uniklinik angesiedelt ist. Das hat den großen Vorteil, dass hier nahezu alle medizinischen Fachgebiete auf kurzem Wege zur Verfügung stehen - was angesichts der großen Bandbreite an Musikerkrankheiten auch nötig ist, sagt Sabine Kämpf, Fachärztin für Allgemeinmendizin und Leiterin der Musiker-Ambulanz.
"Es gibt eine Vielfalt an Instrumenten. Und jedes Instrument birgt natürlich ein ganz eigenes Risiko eines Erkrankungsmusters. Ist ein Unterschied, ob ich jetzt ein Bläser bin, und hab einen erhöhten intertorakalen Druck, also erhöhten Druck im Brustbereich, hab vielleicht ein ganz anderes Risiko für eine Lungenerkrankung als wenn ich jetzt jahrelang Violine spiele und ein ganz anderes Risiko für vielleicht Haltungsschäden oder muskuläre Erkrankungen habe."
Und so reicht das Spektrum der beteiligten Ärzte vom Hautarzt, der ein Kontaktekzem am Hals eines Geigers behandelt, über Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, die sich um die häufigen Hörprobleme der Orchestermusiker kümmern, bis hin zu Psychologen, die bei Bühnenangst helfen können. Mit im Boot ist auch der Arzt für Phoniatrie der Uniklinik Düsseldorf, Wolfgang Angerstein.
Der Experte für alles, was mit Stimme und Hören zu tun hat, erklärt, wer den Weg in die Sprechstunde findet.
"Es sind einerseits schon Vollprofis, die auch schon zig Jahre dabei sind, die zum Beispiel Elastizitätsverlust der Stimmlippen oder auch der Mundlippen haben, oder das Gegenteil - totale Verspannungen durch zu vieles Üben. Es kommen aber auch, Gott sei dank, viele junge Leute, die in der Ausbildung sind, so dass wir auch prophylaktisch sehr gut tätig sein können."
Meist sind es aber gestandene Musiker und die haben oft eine jahrelange und erfolglose Ärzte-Odysse hinter sich, weiß Wolfgang Angerstein.
"Es war gerade heute Vormittag einer da, der war bei vier verschiedenen Ärzten, zwei verschiedenen Logopäden und kam mit sieben verschiedenen Diagnosen. Der ist schon eine Weile unterwegs gewesen."
Dieser berühmte Blechbläser hofft nun in der neuen Musiker-Ambulanz endlich an der richtigen Adresse zu sein. Zu einem Interview war er leider nicht bereit. Es fand sich auch kein anderer Patient, der aktuell in Behandlung ist. Zu riskant, erklärt der Phoniater.
"Weil sie Angst haben, wenn sie sich hier outen, und sei es auch nur anonymisiert, berufliche Nachteile zu erleiden. Sprich den Vertrag nicht verlängert zu kriegen, keine Engagementes mehr zu kriegen etc. pp."
Absolute Verschwiegenheit und Diskretion sind demnach Voraussetzung für den Erfolg der noch jungen Ambulanz, für die Düsseldorf der ideale Standpunkt ist, meint Koordinator Wolfram Goertz. Immerhin gebe es niergendwo auf der Welt so viele Berufsmusiker wie in Nordrhein-Westfalen. Und viele dieser Musiker werden im Laufe ihres Lebens ernsthaft krank.
"Musiker werden krank durch das, was sie am meisten lieben, nämlich die Musik und ihr Instrument."
Zumal die meisten Musiker bereits seit dem Kindesalter ihr Instrument spielen. Das ist ein bisschen wie bei Hochleistungssportlern, sagt Sabine Kämpf, und die hätten ja auch ihre eigene Sportmedizin, über die sich heute keiner mehr wundere. Aber noch fehlen handfeste Daten, welchen Vorteil eine spezielle Diagnostik und Therapie für die Musiker und Sänger bietet. Und - wie immer bei neuen Dingen in unserem Gesundheitssystem - sind die Krankenkassen zurückhaltend, wenn es um die Übernahme der Kosten geht. Deshalb müssen Betroffene bei der Musiker-Ambulanz zumindest den Erstkontakt, also die erste Untersuchung bei der Ärztin Sabine Kämpf, aus der eigenen Tasche zahlen.
"Das Uniklinikum hat das beantragt, dass wir kassenärztlich abrechnen dürfen, aber das muss halt geprüft werden, das ist noch im Fluss und da kann ich nicht absehen, wie lange das dauern wird."
Dabei sprächen die Zahlen eine deutliche Sprache, sagt die Leiterin der Ambulanz.
"Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Studien, die das auch belegen, dass zum Beispiel von Orchestermusikern 50 bis 70 Prozent der Musiker erkrankt sind und davon so um 50 bis 60 Prozent auch chronisch erkrankt. Das ist ein immens hoher Anteil. Es gibt auch Hinweise darüber, dass die Frühberentungsrate von den Profimusikern doppelt so hoch ist, wie bei der Normalbevölkerung."
Musiker und Sänger sind eben keine normalen Patienten, meint auch Sebastian Jander, Oberarzt an der neurologischen Klinik des Uniklinikums und Teil der neuen Musiker-Ambulanz. Er ist überzeugt, dass es Patienten sind, die eine spezielle Behandlung und auch spezielle Ärzte brauchen. Ideal ist ein musizierender Arzt.
Der Neurologe spielt beispielsweise Chello, der Phoniater Alphorn und Didgeridoo, der Handchirurg Klavier - um nur ein paar Beispiele zu nennen.
"Es ist erforderlich, dass er doch auch tiefere Einblicke in das Musikmachen hat, idealerweise auch in den Musikerberuf, diese einzigartige Höchstleistungssituation, in der der Musiker sich befindet, und letztlich natürlich auch der sensible Mensch mit dem man es zu tun hat. Und da ist besonderes Einfühlungsvermögen sicherlich erforderlich."
Das findet auch Berufsgeigerin Regine Florack. Sie erzählt von einer Kollegin, die nach einem Herzinfarkt in einer Rehaklinik gehofft hatte, dass man ihre besondere Beanspruchung als Flötistin bei der Therapie berücksichtigt.
"Und dort hat wohl der Chefarzt gesagt: Wir haben hier schon Bauarbeiter hingekriegt. Die Kollegin fühlte sich überhaupt nicht gesehen, weil sie sagte, es weiß doch niemand was passiert, wenn ich mein Instrument spiele, mit den Lungen, mit dem Herzen. Wie das in spezieller Weise beansprucht ist. Und hatte sich vorgestellt, dass ein Belastungs-EKG gemacht wird, während sie Flöte spielt. Das hat nicht stattgefunden."
Ein Herzinfarkt bei einer Flötistin, ein Trümmerbruch im Handgelenk einer Geigerin, Knötchen auf den Stimmbändern eines Sängers oder Krämpfe in den Finger eines Pianisten - all das sind existenzbedrohende Krankheiten für Musiker, weiß der Neurologe Sebastian Jander. Sein Spezialgebiet sind die Kontrollstörung im motorischen System des Gehirns - besser bekannt als Musikerkrampf.
Menschen, die jetzt zum Beispiel auf dem Klavier irgendwelche komplizierten Läufe permanent üben, stundenlang pro Tag üben, laufen darüber Gefahr, letztlich eine Fehlsteuerungen im Gehirn zu entwickeln, dass dann krampfartige Muskelanspannungen resultieren, die den Patienten oder den Musiker dann letztlich die Ausführung dieser Bewegung unmöglich machen.
"Es gibt ein prominentes Beispiel. Das ist Leon Fleisher, ein weltberühmter Pianist, der das schon vor Jahrzehnten entwickelt hat, gerade eigentlich auf dem Höhepunkt seiner Karriere. In den 60er Jahren hatte er offenbar extrem intensiv hochkomplexe Stücke geübt und entwickelte dann diese Verkrampfung in der rechten Hand, die dann auch ausschließlich beim Klavierspielen auftritt. Und die rechte Hand war damit quasi gebrauchsunfähig in diesem Moment."
So konnte Leon Fleisher jahrzehntelang nur mit der linken Hand klavierspielen. Doch dann entdeckt die Neurologie das bakterielle Gift Botolinumtoxin für sich und die Musiker. Der Arzt spritzt es in den betreffenden Muskel, sagt der Neurologe Sebastian Jander und erklärt die Wirkung.
"Im Grunde löst man so etwas wie eine parzielle Lähmung aus, der Muskel wird dadaurch aus seiner Verkrampfung herausgeholt und dadurch wird dann der betroffene Extremitätenabschnitt überhaupt wieder gebrauchsfähig."
80 Prozent der so behandelten Musiker sprechen sehr gut auf die Therapie an.
Auch Leon Fleisher wurde nach langem Leiden mit Botolinumtoxin therapiert - mit Erfolg.
"So dass er jetzt mit 80 Jahren wieder umjubelte Konzerte geben kann."
"Sie haben ihre Geige mitgebracht und wir wollen gleich mal schauen, wie sich denn ihre Spielfähigkeit in den letzten Monaten entwickelt hat mit der Mobilität der Finger und der Hand. Es hat sich komplett alles zurückentwickelt, das heißt, meine Spielfähigkeiten sind wie vor dem Handgelenksbruch."
Regine Florack ist Berufsgeigerin bei den Niederrheinischen Synfonikern. Als sie sich bei einem Sturz auf Glatteis einen Trümmerbruch am linken Handgelenk zuzog, stand ihre berufliche Zukunft auf dem Spiel.
"Also meine Ideen gingen wirklich schon in Richtung möglicher Berufsunfähigkeit. Ja, dann tanzen so Worte wie Harz IV durch den Kopf."
Doch so weit kam es nicht. Auch dank eines sehr guten Handchirurgen der Uniklinik Düsseldorf, der ihr linkes Handgelenk, mit dem sie die Saiten der Geige greift, mehrfach operierte.
"Wenn sie sagen, dass jetzt alles wieder hundertprozentig ist, würde ich das auch gerne mal hören. Es ist jetzt wichtig zu wissen, dass das jetzt ein Spiel ausschließlich auf der untersten, also auf der G-Saite der Violine war. Also grifftechnisch, weil es eben auch in höhere Lagen geht, schwer zu erreichen. Und deswegen ist das so ein unglaublich schönes Ergebnis, das ist ein großartiger Erfolg."
Untersuchungen am Instrument gehören in der Musiker-Ambulanz so selbstverständlich dazu, wie das ausführliche Gespräch und die körperliche Untersuchung, erklärt Wolfram Goertz.
"Stellen sie sich einen Trompeter vor, bei dem wir einen Herzultraschall live während des Spielens machen. Wir müssen sehen, was er tut. Es ist zum Beispiel so, dass es Geiger gibt, die sich über die Zeit Haltungen angewöhnt haben, die aber à la longue gar nicht gut sind. Wir machen Videoanalysen. Und es wird bald so sein, dass wir diese Videos an einen Geigenprofessor mailen, mit dem wir in Kontakt sind."
Und der dann zum Beispiel Tipps für eine andere Körperhaltung geben kann.
Die Idee einer medizinischen Anlaufstelle speziell für Instrumentalisten und Sänger ist nicht neu. Es gibt bereits einige Institutionen, aber die sind meist in Musikhochschulen integriert. Die Düsseldorfer Musiker-Ambulanz ist die erste ihrer Art, die an einer Uniklinik angesiedelt ist. Das hat den großen Vorteil, dass hier nahezu alle medizinischen Fachgebiete auf kurzem Wege zur Verfügung stehen - was angesichts der großen Bandbreite an Musikerkrankheiten auch nötig ist, sagt Sabine Kämpf, Fachärztin für Allgemeinmendizin und Leiterin der Musiker-Ambulanz.
"Es gibt eine Vielfalt an Instrumenten. Und jedes Instrument birgt natürlich ein ganz eigenes Risiko eines Erkrankungsmusters. Ist ein Unterschied, ob ich jetzt ein Bläser bin, und hab einen erhöhten intertorakalen Druck, also erhöhten Druck im Brustbereich, hab vielleicht ein ganz anderes Risiko für eine Lungenerkrankung als wenn ich jetzt jahrelang Violine spiele und ein ganz anderes Risiko für vielleicht Haltungsschäden oder muskuläre Erkrankungen habe."
Und so reicht das Spektrum der beteiligten Ärzte vom Hautarzt, der ein Kontaktekzem am Hals eines Geigers behandelt, über Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, die sich um die häufigen Hörprobleme der Orchestermusiker kümmern, bis hin zu Psychologen, die bei Bühnenangst helfen können. Mit im Boot ist auch der Arzt für Phoniatrie der Uniklinik Düsseldorf, Wolfgang Angerstein.
Der Experte für alles, was mit Stimme und Hören zu tun hat, erklärt, wer den Weg in die Sprechstunde findet.
"Es sind einerseits schon Vollprofis, die auch schon zig Jahre dabei sind, die zum Beispiel Elastizitätsverlust der Stimmlippen oder auch der Mundlippen haben, oder das Gegenteil - totale Verspannungen durch zu vieles Üben. Es kommen aber auch, Gott sei dank, viele junge Leute, die in der Ausbildung sind, so dass wir auch prophylaktisch sehr gut tätig sein können."
Meist sind es aber gestandene Musiker und die haben oft eine jahrelange und erfolglose Ärzte-Odysse hinter sich, weiß Wolfgang Angerstein.
"Es war gerade heute Vormittag einer da, der war bei vier verschiedenen Ärzten, zwei verschiedenen Logopäden und kam mit sieben verschiedenen Diagnosen. Der ist schon eine Weile unterwegs gewesen."
Dieser berühmte Blechbläser hofft nun in der neuen Musiker-Ambulanz endlich an der richtigen Adresse zu sein. Zu einem Interview war er leider nicht bereit. Es fand sich auch kein anderer Patient, der aktuell in Behandlung ist. Zu riskant, erklärt der Phoniater.
"Weil sie Angst haben, wenn sie sich hier outen, und sei es auch nur anonymisiert, berufliche Nachteile zu erleiden. Sprich den Vertrag nicht verlängert zu kriegen, keine Engagementes mehr zu kriegen etc. pp."
Absolute Verschwiegenheit und Diskretion sind demnach Voraussetzung für den Erfolg der noch jungen Ambulanz, für die Düsseldorf der ideale Standpunkt ist, meint Koordinator Wolfram Goertz. Immerhin gebe es niergendwo auf der Welt so viele Berufsmusiker wie in Nordrhein-Westfalen. Und viele dieser Musiker werden im Laufe ihres Lebens ernsthaft krank.
"Musiker werden krank durch das, was sie am meisten lieben, nämlich die Musik und ihr Instrument."
Zumal die meisten Musiker bereits seit dem Kindesalter ihr Instrument spielen. Das ist ein bisschen wie bei Hochleistungssportlern, sagt Sabine Kämpf, und die hätten ja auch ihre eigene Sportmedizin, über die sich heute keiner mehr wundere. Aber noch fehlen handfeste Daten, welchen Vorteil eine spezielle Diagnostik und Therapie für die Musiker und Sänger bietet. Und - wie immer bei neuen Dingen in unserem Gesundheitssystem - sind die Krankenkassen zurückhaltend, wenn es um die Übernahme der Kosten geht. Deshalb müssen Betroffene bei der Musiker-Ambulanz zumindest den Erstkontakt, also die erste Untersuchung bei der Ärztin Sabine Kämpf, aus der eigenen Tasche zahlen.
"Das Uniklinikum hat das beantragt, dass wir kassenärztlich abrechnen dürfen, aber das muss halt geprüft werden, das ist noch im Fluss und da kann ich nicht absehen, wie lange das dauern wird."
Dabei sprächen die Zahlen eine deutliche Sprache, sagt die Leiterin der Ambulanz.
"Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Studien, die das auch belegen, dass zum Beispiel von Orchestermusikern 50 bis 70 Prozent der Musiker erkrankt sind und davon so um 50 bis 60 Prozent auch chronisch erkrankt. Das ist ein immens hoher Anteil. Es gibt auch Hinweise darüber, dass die Frühberentungsrate von den Profimusikern doppelt so hoch ist, wie bei der Normalbevölkerung."
Musiker und Sänger sind eben keine normalen Patienten, meint auch Sebastian Jander, Oberarzt an der neurologischen Klinik des Uniklinikums und Teil der neuen Musiker-Ambulanz. Er ist überzeugt, dass es Patienten sind, die eine spezielle Behandlung und auch spezielle Ärzte brauchen. Ideal ist ein musizierender Arzt.
Der Neurologe spielt beispielsweise Chello, der Phoniater Alphorn und Didgeridoo, der Handchirurg Klavier - um nur ein paar Beispiele zu nennen.
"Es ist erforderlich, dass er doch auch tiefere Einblicke in das Musikmachen hat, idealerweise auch in den Musikerberuf, diese einzigartige Höchstleistungssituation, in der der Musiker sich befindet, und letztlich natürlich auch der sensible Mensch mit dem man es zu tun hat. Und da ist besonderes Einfühlungsvermögen sicherlich erforderlich."
Das findet auch Berufsgeigerin Regine Florack. Sie erzählt von einer Kollegin, die nach einem Herzinfarkt in einer Rehaklinik gehofft hatte, dass man ihre besondere Beanspruchung als Flötistin bei der Therapie berücksichtigt.
"Und dort hat wohl der Chefarzt gesagt: Wir haben hier schon Bauarbeiter hingekriegt. Die Kollegin fühlte sich überhaupt nicht gesehen, weil sie sagte, es weiß doch niemand was passiert, wenn ich mein Instrument spiele, mit den Lungen, mit dem Herzen. Wie das in spezieller Weise beansprucht ist. Und hatte sich vorgestellt, dass ein Belastungs-EKG gemacht wird, während sie Flöte spielt. Das hat nicht stattgefunden."
Ein Herzinfarkt bei einer Flötistin, ein Trümmerbruch im Handgelenk einer Geigerin, Knötchen auf den Stimmbändern eines Sängers oder Krämpfe in den Finger eines Pianisten - all das sind existenzbedrohende Krankheiten für Musiker, weiß der Neurologe Sebastian Jander. Sein Spezialgebiet sind die Kontrollstörung im motorischen System des Gehirns - besser bekannt als Musikerkrampf.
Menschen, die jetzt zum Beispiel auf dem Klavier irgendwelche komplizierten Läufe permanent üben, stundenlang pro Tag üben, laufen darüber Gefahr, letztlich eine Fehlsteuerungen im Gehirn zu entwickeln, dass dann krampfartige Muskelanspannungen resultieren, die den Patienten oder den Musiker dann letztlich die Ausführung dieser Bewegung unmöglich machen.
"Es gibt ein prominentes Beispiel. Das ist Leon Fleisher, ein weltberühmter Pianist, der das schon vor Jahrzehnten entwickelt hat, gerade eigentlich auf dem Höhepunkt seiner Karriere. In den 60er Jahren hatte er offenbar extrem intensiv hochkomplexe Stücke geübt und entwickelte dann diese Verkrampfung in der rechten Hand, die dann auch ausschließlich beim Klavierspielen auftritt. Und die rechte Hand war damit quasi gebrauchsunfähig in diesem Moment."
So konnte Leon Fleisher jahrzehntelang nur mit der linken Hand klavierspielen. Doch dann entdeckt die Neurologie das bakterielle Gift Botolinumtoxin für sich und die Musiker. Der Arzt spritzt es in den betreffenden Muskel, sagt der Neurologe Sebastian Jander und erklärt die Wirkung.
"Im Grunde löst man so etwas wie eine parzielle Lähmung aus, der Muskel wird dadaurch aus seiner Verkrampfung herausgeholt und dadurch wird dann der betroffene Extremitätenabschnitt überhaupt wieder gebrauchsfähig."
80 Prozent der so behandelten Musiker sprechen sehr gut auf die Therapie an.
Auch Leon Fleisher wurde nach langem Leiden mit Botolinumtoxin therapiert - mit Erfolg.
"So dass er jetzt mit 80 Jahren wieder umjubelte Konzerte geben kann."