Neue Strategien in der Entwicklungshilfe
Sollte ein unabhängiges Institut die Effizienz von Entwicklungshilfe kontrollieren? Diesen Vorschlag von Bundesminister Niebel (FDP) begrüßt Reinhard Stockmann, Leiter des Centrums für Evaluation und Autor des Buches "Entwicklungspolitik".
Marietta Schwarz: Er wollte das Entwicklungsministerium eigentlich abschaffen, dann wurde er aber selbst dessen Minister: Dirk Niebel, der Mann der partout nicht das Weltsozialamt leiten will, der sagt, Entwicklungshilfe ist Interessenspolitik und muss natürlich auch dem Geber nutzen. Ab kommendem Jahr wird der Etat für Niebels Entwicklungshilfeministerium drastisch gekürzt. Der FDP-Mann setzt schon seit Amtsantritt auf Effizienz, hat bereits Hunderte Stellen gestrichen und aus drei staatlichen Organisationen die eine große GIZ gemacht. Ganz grundsätzlich hat Niebel damit die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe und die Arbeit seiner Vorgänger auch infrage gestellt und damit Öl ins Feuer jener Kritiker gegossen, die sagen: Das bringt doch alles nichts. Eines der Niebel-Projekte für die Zukunft ist ein unabhängiges Evaluierungsinstitut, das die einzelnen Entwicklungshilfeprojekte kontrollieren soll. Am Telefon ist Reinhard Stockmann, Leiter des Centrums für Evaluation CEval und Autor des Buches "Entwicklungspolitik". Guten Morgen, Herr Stockmann!
Reinhard Stockmann: Schönen guten Morgen!
Schwarz: Herr Stockmann, versinkt denn wirklich so viel Geld in sinnlosen Entwicklungshilfeprojekten, dass man sie infrage stellen muss?
Stockmann: Ich glaube, so genau kann das überhaupt niemand sagen, weil nicht alle Projekte, die durchgeführt werden, evaluiert werden. Und somit haben wir nur wenig Kenntnis darüber, welche Projekte tatsächlich wirksam sind und welche es nicht sind. Und da gibt es auch einen großen Unterschied zwischen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit und der nicht staatlichen, während bei der staatlichen – Sie haben das angesprochen –, die im Wesentlichen durchgeführt wird durch die GIZ, diese neu gegründete Organisation aus dem Zusammenschluss mehrerer Organisationen, die für die sogenannte technische Zusammenarbeit verantwortlich sind. Aber vergessen sollten wir auch nicht die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die einen viel größeren Anteil der Entwicklungszusammenarbeit, also der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit verantwortet, dass diese Organisationen weitaus mehr und professioneller evaluieren, als das die meisten nicht staatlichen Organisationen tun.
Schwarz: Der Ruf nach Auswertung, nach Evaluierung, der hallt ja momentan von überall her, gerne auch aus der Wirtschaftswissenschaft. Viele Hilfsorganisationen sagen aber, was sollen wir denn noch mehr auswerten, das geht am Kern unserer Arbeit immer mehr vorbei!
Stockmann: Das halte ich für eine vollkommen falsche Darstellung oder Aussage. Ich kenne auch keine Aussagen der Nichtregierungsorganisationen und schon gar nicht der staatlichen, die diesen Standpunkt vertreten. Es geht nicht um die Frage, ob man überhaupt evaluiert, sondern um die Frage, wie man evaluiert. Und das Wie hat sehr viel mit der Gründlichkeit der Evaluation, der Tiefe der Evaluation zu tun, und dann automatisch auch damit, was sie kosten soll.
Schwarz: Wie evaluiert man denn richtig?
Stockmann: Ja, das hängt sehr von der Fragestellung ab, was Sie wissen wollen. Also, man kann evaluieren zum Beispiel aus Lerngründen, zu Lernzwecken. Wenn man also wissen möchte, wie kann ich mein Projekt verbessern, dass es die Ziele erreicht, die ich mir eigentlich gesetzt habe, dann ist eine Evaluation eher, wir nennen das formativ oder auf die Prozesse hin ausgerichtet. Also, unmittelbar für das Lernen im Projekt. Und daneben gibt es Evaluationen, die sind eigentlich eher dazu gedacht für die Rechenschaftslegung, also, damit wir den Bürgern, die ja entweder durch ihre Spenden freiwillig oder unfreiwillig über ihre Steuern diese Vorhaben finanzieren und deshalb ein Anrecht darauf haben zu erfahren, was ist denn nun dabei herausgekommen.
Schwarz: Ist denn eine Organisation, die sich selbst bewertet und kontrolliert, unglaubwürdig? Oder ist diese Auswertung, besser gesagt, dann unglaubwürdig möglicherweise?
Stockmann: Das hat ebenfalls mit diesen beiden Evaluationszwecken zu tun. Wenn ich lernen möchte, wie ich mein Programm besser steuere, dann hat das mit Unglaubwürdigkeit überhaupt nichts zu tun, jedes Unternehmen hat Instrumente, um seine Arbeit zu verbessern, um die Qualität seiner Arbeit zu verbessern. Also, das ist vollkommen legitim. Wenn es aber darum geht, für den Nachweis, sozusagen für die Öffentlichkeit Evaluierung durchzuführen, dann ist es natürlich ziemlich kritisch, wenn die Organisation, die die Projekte durchführt, dann sich auch noch selbst evaluiert. Da, würde ich sagen, da ist die Idee, ein unabhängiges Evaluierungsinstitut zu schaffen, eine sehr gute.
Schwarz: Herr Stockmann, lange Zeit wurde ja als geglückte Entwicklungshilfe bezeichnet Hilfe zur Selbsthilfe. Inzwischen wiederholt der Minister seine Prämisse: Entwicklungshilfe zum Wohle auch des Empfängers, zum Wohle auch Deutschlands. Wie kann man das denn bemessen?
Stockmann: Ja, in diesem Spannungsverhältnis stehen wir, glaube ich, schon, seit es die Entwicklungszusammenarbeit gibt. Aber auch im BMZ habe ich nicht den Eindruck, dass irgendjemand von diesem Grundsatz, Hilfe zur Selbsthilfe, abrücken würde. Idealerweise, kann man sagen, könnte es natürlich Projekte geben, die sowohl dem Empfänger als auch dem Geber nutzen. Das ist aber sehr umstritten. Also, wenn so diese Symbiose darin besteht, dass der Geber vor allem beispielsweise seine überschüssigen Nahrungsmittel loswird oder eben seine Produkte, die vielleicht viel teurer sind als die eines Konkurrenten und die nur zu diesem Zwecke dann verwendet werden, damit auch der Geber etwas von diesen Mitteln hat, dann halte ich das für falsch. Aber es ist nicht grundsätzlich falsch. Also, es kann natürlich Sinn machen, dass man in einer Region, in der, ich sage Ihnen mal, Projektautos benutzt werden müssen, dass man da dann eben einen VW anstelle eines Toyota kauft, also, da kann ich nicht unbedingt einen Konflikt sehen. Aber es gibt natürlich eine ganze Reihe von Problemen beispielsweise, wenn Entwicklungsprojekte nur dafür gemacht werden würden, um die deutsche Wirtschaft zu fördern, damit dort neue Absatzmärkte erschlossen werden oder eben deutsche Produkte verkauft werden können. Das kann ...
Schwarz: ... passiert das denn schon? ...
Stockmann: ... das kann natürlich nicht Primat sein. – Das hat es schon immer gegeben. Also, vor ganz, ganz vielen Jahren beispielsweise hat die deutsche Bundesregierung die U-Bahn in Schanghai gesponsert. Das waren vor allem Aufträge, die einem bestimmten Unternehmen genutzt haben. Also, solche Dinge sind schon immer vorgegeben, seit es Entwicklungszusammenarbeit gibt. Und die Kritik jetzt an der Amtsführung von Herrn Niebel besteht nun darin, nicht, dass man sogar jetzt konkrete Fälle vorweisen könnte, wo wir sagen, da ist das schon geschehen, sondern die Sorge, dass durch diese neue Politikausrichtung eben das vermehrt geschehen könnte.
Schwarz: Halten Sie die Sorge für berechtigt?
Stockmann: Ich habe wie gesagt im Moment keinen Anlass, keine Beispiele, an denen ich das festmachen könnte, dass das tatsächlich berechtigt ist.
Schwarz: Reinhard Stockmann, Leiter des Centrums für Evaluation über die Bewertung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit. Herr Stockmann, danke Ihnen für das Gespräch!
Stockmann: Ja, gerne geschehen, guten Morgen noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links bei dradio.de:
Wirtschaft und Gesellschaft: Wirklichkeit der deutschen Entwicklungshilfe
Hilfsorganisationen kritisieren deutsche Entwicklungspolitik
Andruck: Wegweiser im Dickicht der Bettelbriefe
Stefan Loipfinger: "Die Spendenmafia. Schmutzige Geschäfte mit unserem Mitleid"
Reinhard Stockmann: Schönen guten Morgen!
Schwarz: Herr Stockmann, versinkt denn wirklich so viel Geld in sinnlosen Entwicklungshilfeprojekten, dass man sie infrage stellen muss?
Stockmann: Ich glaube, so genau kann das überhaupt niemand sagen, weil nicht alle Projekte, die durchgeführt werden, evaluiert werden. Und somit haben wir nur wenig Kenntnis darüber, welche Projekte tatsächlich wirksam sind und welche es nicht sind. Und da gibt es auch einen großen Unterschied zwischen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit und der nicht staatlichen, während bei der staatlichen – Sie haben das angesprochen –, die im Wesentlichen durchgeführt wird durch die GIZ, diese neu gegründete Organisation aus dem Zusammenschluss mehrerer Organisationen, die für die sogenannte technische Zusammenarbeit verantwortlich sind. Aber vergessen sollten wir auch nicht die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die einen viel größeren Anteil der Entwicklungszusammenarbeit, also der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit verantwortet, dass diese Organisationen weitaus mehr und professioneller evaluieren, als das die meisten nicht staatlichen Organisationen tun.
Schwarz: Der Ruf nach Auswertung, nach Evaluierung, der hallt ja momentan von überall her, gerne auch aus der Wirtschaftswissenschaft. Viele Hilfsorganisationen sagen aber, was sollen wir denn noch mehr auswerten, das geht am Kern unserer Arbeit immer mehr vorbei!
Stockmann: Das halte ich für eine vollkommen falsche Darstellung oder Aussage. Ich kenne auch keine Aussagen der Nichtregierungsorganisationen und schon gar nicht der staatlichen, die diesen Standpunkt vertreten. Es geht nicht um die Frage, ob man überhaupt evaluiert, sondern um die Frage, wie man evaluiert. Und das Wie hat sehr viel mit der Gründlichkeit der Evaluation, der Tiefe der Evaluation zu tun, und dann automatisch auch damit, was sie kosten soll.
Schwarz: Wie evaluiert man denn richtig?
Stockmann: Ja, das hängt sehr von der Fragestellung ab, was Sie wissen wollen. Also, man kann evaluieren zum Beispiel aus Lerngründen, zu Lernzwecken. Wenn man also wissen möchte, wie kann ich mein Projekt verbessern, dass es die Ziele erreicht, die ich mir eigentlich gesetzt habe, dann ist eine Evaluation eher, wir nennen das formativ oder auf die Prozesse hin ausgerichtet. Also, unmittelbar für das Lernen im Projekt. Und daneben gibt es Evaluationen, die sind eigentlich eher dazu gedacht für die Rechenschaftslegung, also, damit wir den Bürgern, die ja entweder durch ihre Spenden freiwillig oder unfreiwillig über ihre Steuern diese Vorhaben finanzieren und deshalb ein Anrecht darauf haben zu erfahren, was ist denn nun dabei herausgekommen.
Schwarz: Ist denn eine Organisation, die sich selbst bewertet und kontrolliert, unglaubwürdig? Oder ist diese Auswertung, besser gesagt, dann unglaubwürdig möglicherweise?
Stockmann: Das hat ebenfalls mit diesen beiden Evaluationszwecken zu tun. Wenn ich lernen möchte, wie ich mein Programm besser steuere, dann hat das mit Unglaubwürdigkeit überhaupt nichts zu tun, jedes Unternehmen hat Instrumente, um seine Arbeit zu verbessern, um die Qualität seiner Arbeit zu verbessern. Also, das ist vollkommen legitim. Wenn es aber darum geht, für den Nachweis, sozusagen für die Öffentlichkeit Evaluierung durchzuführen, dann ist es natürlich ziemlich kritisch, wenn die Organisation, die die Projekte durchführt, dann sich auch noch selbst evaluiert. Da, würde ich sagen, da ist die Idee, ein unabhängiges Evaluierungsinstitut zu schaffen, eine sehr gute.
Schwarz: Herr Stockmann, lange Zeit wurde ja als geglückte Entwicklungshilfe bezeichnet Hilfe zur Selbsthilfe. Inzwischen wiederholt der Minister seine Prämisse: Entwicklungshilfe zum Wohle auch des Empfängers, zum Wohle auch Deutschlands. Wie kann man das denn bemessen?
Stockmann: Ja, in diesem Spannungsverhältnis stehen wir, glaube ich, schon, seit es die Entwicklungszusammenarbeit gibt. Aber auch im BMZ habe ich nicht den Eindruck, dass irgendjemand von diesem Grundsatz, Hilfe zur Selbsthilfe, abrücken würde. Idealerweise, kann man sagen, könnte es natürlich Projekte geben, die sowohl dem Empfänger als auch dem Geber nutzen. Das ist aber sehr umstritten. Also, wenn so diese Symbiose darin besteht, dass der Geber vor allem beispielsweise seine überschüssigen Nahrungsmittel loswird oder eben seine Produkte, die vielleicht viel teurer sind als die eines Konkurrenten und die nur zu diesem Zwecke dann verwendet werden, damit auch der Geber etwas von diesen Mitteln hat, dann halte ich das für falsch. Aber es ist nicht grundsätzlich falsch. Also, es kann natürlich Sinn machen, dass man in einer Region, in der, ich sage Ihnen mal, Projektautos benutzt werden müssen, dass man da dann eben einen VW anstelle eines Toyota kauft, also, da kann ich nicht unbedingt einen Konflikt sehen. Aber es gibt natürlich eine ganze Reihe von Problemen beispielsweise, wenn Entwicklungsprojekte nur dafür gemacht werden würden, um die deutsche Wirtschaft zu fördern, damit dort neue Absatzmärkte erschlossen werden oder eben deutsche Produkte verkauft werden können. Das kann ...
Schwarz: ... passiert das denn schon? ...
Stockmann: ... das kann natürlich nicht Primat sein. – Das hat es schon immer gegeben. Also, vor ganz, ganz vielen Jahren beispielsweise hat die deutsche Bundesregierung die U-Bahn in Schanghai gesponsert. Das waren vor allem Aufträge, die einem bestimmten Unternehmen genutzt haben. Also, solche Dinge sind schon immer vorgegeben, seit es Entwicklungszusammenarbeit gibt. Und die Kritik jetzt an der Amtsführung von Herrn Niebel besteht nun darin, nicht, dass man sogar jetzt konkrete Fälle vorweisen könnte, wo wir sagen, da ist das schon geschehen, sondern die Sorge, dass durch diese neue Politikausrichtung eben das vermehrt geschehen könnte.
Schwarz: Halten Sie die Sorge für berechtigt?
Stockmann: Ich habe wie gesagt im Moment keinen Anlass, keine Beispiele, an denen ich das festmachen könnte, dass das tatsächlich berechtigt ist.
Schwarz: Reinhard Stockmann, Leiter des Centrums für Evaluation über die Bewertung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit. Herr Stockmann, danke Ihnen für das Gespräch!
Stockmann: Ja, gerne geschehen, guten Morgen noch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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