Neue "Titanic"-Chefin

"Unsere Satire hat keinen Bildungsauftrag"

10:03 Minuten
Julia Mateus als Ganzkörperporträt, stark angeblitzt, auf einem Rummel zwischen 2 Säulen auf denen Power geschrieben steht.
Powerfrau auf der Kommandobrücke der "Titanic": Julia Mateus wird die erste Chefredakteurin des Satiremagazins. © Frederike Wetzels
Julia Mateus im Gespräch mit Boussa Thiam |
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Was Satire darf, muss man von Fall zu Fall entscheiden, sagt Julia Mateus. Allgemeine Regeln will die neue Chefredakeurin der "Titanic" dafür nicht aufstellen. Ab Ende Oktober leitet sie als erste Frau das Satiremagazin.
Ihr erstes Satiremagazin hat Julia Mateus mit elf Jahren herausgegeben. Zusammen mit einer Freundin gründete sie die Zeitschrift "Unterrock", eine Parodie auf Teenie-Musikmagazine wie "Bravo" oder "Pop Rocky", hergestellt in Handarbeit mit Klebestift und Schere. Auflage: ein Exemplar.

Mehr weibliche Stimmen

Ende Oktober 2022 übernimmt Mateus nun das Ruder bei "Titanic". Damit liegt die Chefredaktion des Magazins zum ersten Mal in weiblicher Hand. Die neue Chefin gibt sich pragmatisch: Sie sei "nicht so idealistisch" wie manche ihrer Vorgänger, meint sie.
Als Ziel hat sie sich unter anderem gesetzt, "ein paar mehr Frauen zum Heft zu bringen". Die Redaktion selbst sei seit der Gründung des Magazins vor über 40 Jahren längst weiblicher geworden, sagt Mateus. Unter den Freien würde sie aber gern noch ein paar mehr Autorinnen sehen.
Wie sähe die deutschsprachige Humorlandschaft aus, wenn Frauen darin in den vergangenen Jahrzehnten eine größere Rolle gespielt hätten? Darüber spekuliert Julia Mateus zusammen mit Autorinnen und Autoren wie Max Goldt, Wigald Boning, Bernd Eilert, Ulrike Sterblich, Paula Irmschler und Margarete Stokowski in einer soeben erschienenen Biografie der fiktiven Comedy-Ikone Ricarda Willimann.

Grande Dame des Humors

Von TV-Klamauk bis zum feinsinnigen Loriot, von der "Titanic" bis zu den Cartoons des "New Yorker" reicht das Spektrum, in dem diese vergessene Größe der humoristischen Kunst aktiv gewesen sein soll.
Der Auftrag der "Titanic" ist für die neue Chefin klar: Das Magazin soll "dem Ernst der Lage etwas durch Komik entgegensetzen“ - und auf diese Weise in herausfordernden Zeiten "ein bisschen Entlastung schaffen".
Außerdem will Mateus einen kritischen Blick auf die Berichterstattung anderer Medien werfen, Muster erkennen und durch Überspitzung entlarven. Ihre Masterarbeit hat die 1984 geborene Autorin über satirische Medienkritik geschrieben. Allzu akademisch soll es mit ihr aber nicht zugehen, sagt Mateus: "Unsere Satire hat keinen Bildungsauftrag."

Ricarda Willimann: "Wer war ich? Ein humoristisches Jahrhundertereignis"
Herausgegeben von Elias Hauck
Aufbau Verlag, Berlin 2022
300 Seiten, 44 Euro

Zu der vieldiskutierten Frage, wie weit Satire gehen darf und wo die Grenzen verlaufen, etwa bei der Herabwürdigung von Minderheiten oder der Reproduktion rassistischer Klischees, hat Mateus eine klare Haltung: „Es gibt keine Themen, bei denen ich sagen würde, darüber kann man überhaupt gar keine Witze machen, da ist jetzt die Grenze erreicht.“

Darf man Witze über den Krieg machen?

Allgemeine Regeln dafür aufzustellen wäre aus ihrer Sicht auch sehr schwierig. „Es kommt ja auch immer ganz auf die Zielrichtung des Witzes an und wie genau der gestrickt ist“, sagt Mateus. Ein aktuelles Beispiel: „Viele sagen, man darf keine Witze über den Krieg machen. Aber der Krieg bestimmt ja nun mal auch alles, was innenpolitisch gerade in Deutschland passiert."
Wäre es dementsprechend also auch falsch, Witze über Robert Habeck zu machen, der nach Katar fliegt, um Ersatz für russisches Gas zu beschaffen? Oder die Energiekrise satirisch zu kommentieren? Darf man Witze über Putin machen? "Das muss man, glaube ich, einfach immer ganz individuell entscheiden“, sagt Mateus: "Wir haben keine ausformulierten Grenzen."

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