Walter Homolka, Hanna Liss und Rüdiger Liwak
"Die Tora" - Die Fünf Bücher Mose und die Prophetenlesungen (hebräisch-deutsch) in der revidierten Fassung von Rabbiner Ludwig Philippson
Verlag Herder, Freiburg 2015
1168 Seiten, 38 Euro
Besser verständlich für die jüngere Generation
Am Schabbat wird in der Synagoge aus der Tora gelesen. In der Regel nur auf Hebräisch. Für die meisten wird der Inhalt erst durch die Predigt nachvollziehbar. Jetzt wurde eine Übersetzung aus dem 19. Jahrhundert in neuer Gestalt vorgestellt. Sie soll helfen, den Text zu verstehen.
"Ani Chavazelet" - eine Vertonung aus dem Hohelied Salomos über die Strandlilie, einem alt-israelitischen Symbol für Lebenserneuerung. Darum ging es am vergangenen Dienstag in Berlin. Vorgestellt in einem festlichen Rahmen wurde nämlich eine deutschsprachige Tora, die 1866 zum ersten Mal als Teil einer israelischen Bibel erschien. Ihr Übersetzer war der Rabbiner und Publizist Ludwig Philippson. Bis zur Schoa war das mit Abstand die populärste jüdische Bibelübersetzung. Allein die Erstauflage damals lag bei 100.000 Exemplaren. Und es gab weitere Auflagen.
Die Herausgeber heute müssen sich erst einmal mit 4.500 Exemplaren zufrieden geben. Zu ihnen gehört Rabbiner Walter Homolka, Professor am Institut für jüdische Theologie der Universität Potsdam:
"Also zunächst muss man sagen, dass das Werk natürlich revidiert wurde. Also wir haben zwei Jahre darauf verwendet, diesen Text sanft an die heutige Sprachverwendung anzupassen. Es ist doch ein Mammutwerk gewesen, das sich für die drei Herausgeber, Hannah Liss von der Hochschule für jüdische Studien Heidelberg, Rüdiger Liwak vom Abraham Geiger Kolleg und mir dargestellt hat, zusammen mit den beiden wissenschaftlichen Mitarbeitern Susanne Gräbner und Daniel Vorpahl."
Das Interesse war groß an diesem wiederbelebten, ästhetisch ansprechend gestalteten Übersetzungswerk, das der Herder-Verlag für die hundert geladenen Gäste auf die Stühle legen ließ: 1168 Seiten, sorgfältig eingefasst in einen mittelblauen Balacron-Einband, beschriftet mit silbernen Lettern auf Hebräisch und Deutsch "Die Tora", und versehen mit einem blauen und einem silbernen Lesebändchen. Im Vergleich dazu demonstrierte die 1874 erschienene Prachtausgabe mit den 154 Zeichnungen des französischen Grafikers und Malers Gustave Doré welchen Stellenwert die Philippson-Bibel einst hatte.
"Das zeigt schon die Bedeutung dieses Übersetzungswerkes, das wir hier erst mal vorlegen in den fünf Büchern Mose mit Prophetenlesungen in einer deutsch-hebräischen Fassung, wie sie augenblicklich auf dem deutschen Buchmarkt nicht erhältlich ist ..."
... aber in den jüdischen Gemeinden gebraucht wird. Der Text wurde rechts in Hebräisch und links in der deutschen Übersetzung wiedergegeben, deshalb – orientiert am hebräischen Schriftverlauf - muss das ganze Buch von rechts nach links gelesen werden.
Druckfrische Ausgabe
Unter den Gästen, die die druckfrische Ausgabe als erste in die Hand nehmen durften, waren neben ranghohen Repräsentanten der Bundesregierung und der Kirchen auch der Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, und der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Rabbiner Henry G. Brandt:
"Die Absicht dieser Übersetzung von Philippson war, die Juden müssen die Bibel wiedergewinnen. Er meinte, das ist den Leuten abhandengekommen, und deshalb hat er eben versucht, so brillant zu übersetzen, dass es den Leuten naheging. Sie verstanden das. Es war kein wissenschaftliches Werk als solches, sondern es war für die Gemeinden gedacht."
Diese Ausgabe der Philippson-Tora trifft nun derzeit auf Gemeindemitglieder, deren Muttersprache überwiegend nicht Deutsch, sondern Russisch ist. Trotzdem ist Rabbiner Brandt zuversichtlich:
"Aber es kommt eine neue Generation dran, meine Schüler, die jetzt Abitur machen. Die können so ein Werk in die Hand nehmen und die Tora verstehen. Und es ist auch eine schöne Ausgabe. Ich glaube, lobenswert."
Diese Tora, oder dieser Chumasch, wie eine gedruckte Tora auch genannt wird, soll aber auch an Schulen, Hochschulen und Universitäten Verwendung finden. Zu den Grundsätzen der Revision, zu Philippsons Bibelwerk, zu den einzelnen Büchern der Tora und zu den Prophetenlesungen, den Haftarot, gibt es deshalb jeweils ausführliche Einführungen. Letztendlich aber richtet sich diese Tora natürlich an die jüdischen Gemeinden. Und dort wird sie auch erfolgreich sein, ist Rabbiner Walter Homolka überzeugt:
"Entstanden ist etwas, was jede Übersetzung für sich nur partiell leisten kann, nämlich einmal diese Genauigkeit der hebräischen Satzstruktur und der Semantik, und auf der anderen Seite ein eingängiges Deutsch, was das Anliegen anderer Übersetzungsversuche war, und ich finde, es ist ein kongeniales Werk entstanden, das seinen Zweck in der Gemeinde erfüllen wird."