Mit der Straßenbahn über die Grenze
Der Euro ist für Schweizer zurzeit so günstig ist wie noch nie. Deshalb fahren sie massenweise nach Deutschland zum Shoppen - mit der Straßenbahn. Seit Dezember 2014 fährt die neue Linie 8 in nur 20 Minuten von Basel nach Weil am Rhein.
Der vergangene Samstag war so etwas wie die Nagelprobe für die, oder – wie die Schweizer sagen – das Tram 8. Der Euro ist für Schweizer so günstig wie noch nie, also fahren sie zu Tausenden mit der einzigen grenzüberschreitenden Straßenbahn vom schweizerischen Basel ins deutsche Weil am Rhein und shoppen, was das Zeug hält:
"Heute sind alleine von 8 bis 13 Uhr 1350 Kunden ins Rhein-Center mit der Tram gekommen,"
sagt Günther Merz, Leiter des Rhein-Centers, eines Einkaufszentrum in Weil am Rhein, vis-a-vis von der Endhaltestelle der oder des Tram 8:
"Da kann ich gerade sitzen bleiben am Bahnhof und rüber fahren / das find ich ideal / und vor allem die älteren Leute mit Stöcken oder einem Rollator, ist so schon eben, haben sie gut gemacht."
Mehr Grenzverkehr seit Tramlinie eröffnet
Keine 20 Minuten dauert es von der Basler Innenstadt mit der Straßenbahn nach Weil am Rhein, und von einigen Basler Stadtteilen ist der Weg nach Weil am Rhein ohnehin kürzer als ins Zentrum der eigenen Stadt.
Weil am Rhein hat sich seit Jahren auf die Schweizer Kunden eingestellt, die hier Waren oder Dienstleistungen einkaufen. Es gibt das Rhein-Center mit Klamottengeschäften einem Marktkauf, Drogerie und Reisebüro, es gibt Zahnarztpraxen, die sich auf Schweizer Kunden spezialisiert haben, eine Schönheitsklinik und sogar diverse Bordelle.
Deren Kunden kommen seltener mit der Straßenbahn, aber klar ist dennoch, dass der Grenzverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz merklich zugenommen hat, seitdem die oder das Tram 8 vor knapp sechs Wochen eröffnet wurde.
"Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Besucherinnen und Besucher dieses Festtags! Es ist ein freudiges Ereignis! Ein freudiges Ereignis für die Stadt Weil am Rhein und für die Stadt Basel, aber auch für die gesamte Region",
so Wolfgang Diez, der Oberbürgermeister von Weil am Rhein zur Eröffnung der Straßenbahnlinie.
Viele Deutsche fahren zur Arbeit in die Schweiz
Seit Jahren war in der Grenzregion zwischen Deutschland, der Schweiz und Frankreich, dem sogenannten Dreiland, über die Verlängerung der Basler Straßenbahnlinie bis nach Deutschland nachgedacht worden. Denn auch ohne Kundenansturm wegen des in die Höhe gesprungenen Franken-Kurses gehört der kleine Grenzverkehr hier seit Jahren zum Alltag. Die Schweizer Schnäppchenjäger auf der einen Seite, viele, viele Deutsche, die in der Schweiz arbeiten, auf der anderen Seite, so Bürgermeister Dietz:
"Jeder dritte Arbeitnehmer aus Weil am Rhein, und die Stadt hat 30 000 Einwohner, arbeitet in Basel, hat dort seinen Arbeitsplatz. Wir haben sehr viele Gäste, die kommen als Einkaufstouristen zu uns, das ist an der ganzen deutsch-schweizerischen Grenze natürlich so. Aber es gibt viel Kulturaustausch zwischen Deutschland und der Schweiz. Wir haben etwa ein Kesselhaus mit 23 Künstlerinnen und Künstlern, von denen viele aus Basel sind, die bei uns ihr Atelier haben."
Wenn keine Grenze da wäre, gäbe es also vermutlich schon längst eine Straßenbahnanbindung. Weil eine Grenze da ist, und weil das Ganze am Ende eine ziemlich kostspielige Angelegenheit war, hat es eben eine Weile gedauert, obwohl der politische Wille auf beiden Seiten der Grenze schon lange da ist.
Schweiz trägt Hauptteil der Kosten für das Tram
Freude, dass es endlich geklappt hat, beim baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann von den Grünen:
"Das Land hat sich mächtig engagiert, wir zahlen fast 10 Millionen für das Projekt, einen Festbetrag. Und es war uns wichtig erstens um die Verkehrsprobleme hier zu lösen. Zweitens um die Partnerschaft mit der Schweiz zu pflegen, auch im Interesse der Wirtschaftsregion."
Dennoch trägt den Hauptanteil der Finanzierung die Schweiz: 104 Millionen Franken kostet die Verlängerung der Tramlinie. So viel, weil die neue Trasse über eine weit geschwungene Brücke über Autobahn und Bahngleise führt. Rund 80 Millionen tragen Schweizer Bund und Kanton Basel. Dann kommen Baden-Württemberg, die Stadt Weil und die Europäische Union.
Denn schließlich geht es um eine EU-Außengrenze. Und deshalb, so Hans Peter Wessels, Chef des Basler Verkehrsdepartements, hat die neue Tram auch über den Verkehr hinaus einen symbolischen Wert:
"Es ist ja quasi die EU-Außengrenze, die hier per Tram überwunden wird, die hier zu einem innerstädtischen Bereich wird. Und das ist schon was ganz Spezielles. Ich verspreche mir schon davon, dass die Stadt Weil und die Stadt Basel näher zusammenrücken, nicht nur verkehrlich, sondern auch in ihrer eigenen Wahrnehmung."
Zollkontrolle der Fahrgäste
Das näher Zusammenrücken ist das eine. Das andere, dass eben doch noch eine Grenze zwischen den beiden Staaten verläuft und dass im Zweifelsfall nicht nur der Einkauf beim Nachbar interessant sein kann, sondern auch der Schmuggel.
Die Schweizer Grenzwachen machen deshalb Stichproben, auch wenn das, wie Patrick Gantenbein vom Basler Zoll sagt, nicht immer ganz einfach ist:
"Das Besondere hier ist, wir sind gebunden einen Fahrplan, das heißt, wir haben nicht besonders viel Zeit. Die Grenzwächter entscheiden sich, wollen wir einen Passagier anschauen. Und werden da Unregelmäßigkeiten festgestellt, wird der Trampassagier gebeten, das Tram zu verlassen."
Und wird dann in der Grenzwache selbst kontrolliert. Waren für 300 Franken dürfen Schweizer nach jedem Auslandsbesuch mit heim nehmen. Streng wird es aber vor allem, wenn es um Frischfleisch geht. Hier liegt die Grenze bei einem Kilo.
Deutsches Schweinefleisch wird gern geschmuggelt
Vor allem bei einer Fleischsorte gibt es einen enormen Preisunterschied: Beim Schweinefilet. Bei uns kostet es um die 10 Euro pro Kilo, in der Schweiz zwischen 40 und 60 Franken. Die Folge, so Patrick Gantenbein am vergangenen Samstag:
"Im Fleischbereich, wo es Beschränkungen gibt, haben wir oft den Fall, anstatt ein Kilo, das frei es eingeführt wird, dass vier, fünf oder sechs Kilo festgestellt wird. In einem Fall sogar zwölf Kilo. Und wenn das festgestellt wird, wird's teuer."
Um den erwarteten Ansturm aufzufangen, hat die Basler Verkehrsgesellschaft am Samstag doppelt so viel Züge wie sonst nach Deutschland geschickt, alle siebeneinhalb Minuten fuhr ein oder eine Tram. Da das Wetter nicht besonders schön war, waren sie dann nicht alle ganz voll. Da nicht abzusehen ist, ob der Frankenkurs wieder steigt dürfte die oder das Tram erstmal keinen Grund haben, über mangelnde Auslastung zu klagen.