Eine Diplomatin im Kampf gegen Erderwärmung
Die Diplomatin Patricia Espinosa übernimmt heute ihr neues Amt als Generalsekretärin des UNO-Klimasekretariats. Sie müsse die Staaten jetzt zur Umsetzung der Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz bringen, meint Martin Kaiser von Greenpeace.
Die mexikanische Diplomatin und Politikern Patricia Espinosa übernimmt heute als Nachfolgerin von Christiana Figueres das Sekretariat der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen in Bonn. Für die neue Aufgabe seien die diplomatischen Fähigkeiten Espinosas eine gute Voraussetzung, sagte Martin Kaiser, Klima-Experte bei Greenpeace, im Deutschlandradio Kultur. Sie habe aber noch weitere Vorzüge:
"Sie kennt auch die Klimadiskussion. Ich habe mit ihr schon gemeinsam auf einer Podiumsdiskussion gesessen, wo sie sehr eloquent und fundiert über den Klimaschutz gesprochen hat. Ich glaube, das bringt sie mit. Was sie jetzt schaffen muss, ist die Inspiration und diese positive Energie, die ihre Vorgängerin hatte, jetzt auch in dieses Amt zu bekommen."
Kritik an Bundeskanzlerin Merkel
Zu den wichtigsten Aufgaben Espinosas gehöre es jetzt, die Staaten an die Umsetzung der Beschlüsse der Pariser Klimakonferenz zu erinnern. Das sei in vielen Ländern ein Problem, so auch in Deutschland:
"Auch Kanzlerin Merkel hat nach Paris nicht die Konsequenzen gezogen, die notwendig sind, um die Welt weit unter zwei Grad oder besser noch unter 1,5 Grad zu stabilisieren. Da fehlt es in der Energiepolitik, da fehlt es in der Verkehrspolitik und auch in der Landwirtschaftspolitik. Aber natürlich geht es auch darum, Länder wie etwa Indien jetzt wirklich auf den Weg zu bringen, in erneuerbare Energien zu investieren anstatt weiter Kohlekraftwerke zu bauen."
"Espinosa muss auch die Wirtschaft mitnehmen"
Kaiser verwies auf die Bedeutung des Amtes der UN-Klimachefin, die als "Teil der Maschinerie des internationalen Klimaschutzes" Prozesse entscheidend beeinflussen könne:
"Sie muss nicht nur die Regierungen antreiben, sondern auch die zivilgesellschaftlichen Akteure. Die Wirtschaft muss mitgenommen werden. Und da gilt es eben auch, Visionen zu entwickeln, Visionen zu transportieren: Dass es möglich ist, den Klimawandel zu stabilisieren. Und dass es möglich ist, Lösungen zu finden, wenn man gemeinsam handelt."
Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Wenn die ganze Welt sagt, ja, wir wollen das Klima schützen, dann ist das gut. Wenn da jemand ist, der die Welt daran erinnert, dann ist das noch besser. Heute beginnt Patricia Espinosa den Job, der das im Grunde leisten soll. Die Mexikanerin übernimmt das UN-Klimasekretariat, eine Einrichtung der Vereinten Nationen mit Sitz in Bonn. Patricia Espinosa, ein Name, der Klimaexperten wie Martin Kaiser von Greenpeace bestens vertraut ist. Und er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Kaiser!
Martin Kaiser: Guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Ich habe gelernt, 2010, beim Klimagipfel Cancún, da war ihr großer Moment. Was hat sie denn da geleistet?
Kaiser: Sie hat es in einer einzigartigen Weise geschafft, nach der gescheiterten Klimakonferenz von Kopenhagen im Jahr davor, der Klimadiplomatie zumindest einen Funken Hoffnung zu geben, dass gemeinsames Handeln im Klimaschutz wichtig ist, und da hat sie als Präsidentin der Konferenz es wirklich geschafft, die Interessen von China, USA, Europa und anderen Ländern zumindest bei kleinen Fragen wieder zusammenzubringen.
Grenzübergreifender Kampf beim Klimaschutz ist notwendig
Frenzel: Es gab ja im letzten Dezember, wenn wir mal bei Erfolgen sind, den fast schon unglaublichen Erfolg der Klimakonferenz von Paris, an den keiner so in dem Maße geglaubt hatte. Stehen denn gerade alle Zeichen darauf, dass die Welt den Klimawandel ernst nimmt und ihn auch ernsthaft bekämpfen will?
Kaiser: Das auf jeden Fall, denn in allen Weltregionen wird deutlich, dass schon jetzt, bei einer Erwärmung von einem Grad Celsius die Folgen unabsehbare Konsequenzen für die Menschen hat. Wir hatten jetzt über 50 Grad in Indien über Tage und Wochen, wo Wasser mit Zügen antransportiert werden musste, und wir hatten die Überschwemmungen in Süddeutschland Anfang dieses Jahres.
Also die Konsequenz ist eben klar, und das hat auch den Willen zur Einigung in Paris befördert, aber auch die Tatsache, dass Klimaschutz nur über die Grenzen hinweg bekämpft werden kann. Deswegen war es eine logische Konsequenz, auch die Tatsache, dass erneuerbare Energien jetzt als Technologie im Energiebereich zur Verfügung stehen und auch konkurrenzfähig sind, hat sicherlich dazu beigetragen.
"Espinosa kennt die Klimadiskussion"
Frenzel: Sie sprechen da als Fachmann, als Klimafachmann. Frau Espinosa ist ja vor allem in erster Linie Diplomatin, weniger Fachfrau. Ist das ein Vorteil oder ein Nachteil?
Kaiser: Für ihren jetzigen Job muss sie die Diplomatie rauf und runter kennen. Insofern ist das natürlich ein Vorteil, wenn sie dieses Handwerkszeug beherrscht. Aber sie kennt auch die Klimadiskussion. Ich selbst war mit ihr im Januar auf einem Podium gesessen einer Podiumsdiskussion, wo sie sehr eloquent und fundiert auch über den Klimaschutz gesprochen hat. Ich glaube, das bringt sie mit.
Was sie, glaube ich, jetzt schaffen muss, ist, die Inspiration und diese positive Energie, die ihre Vorgängerin hatte, jetzt auch in dieses Amt zu bekommen und vor allem die Staaten jetzt daran zu erinnern, die Beschlüsse von Paris umzusetzen. Und da gibt es ja die größten Probleme gerade.
Frenzel: Wem muss sie denn da vor allem aufs Dach steigen?
Kaiser: Unter anderem Kanzlerin Merkel, die ja auch nach Paris nicht die Konsequenzen gezogen hat, die notwendig sind, um die Welt weit unter zwei Grad, oder besser noch unter 1,5 Grad zu stabilisieren. Da fehlt es in der Energiepolitik, da fehlt es in der Verkehrspolitik, und da fehlt es in der Landwirtschaftspolitik. Aber natürlich auch, Länder wie Indien jetzt wirklich auf den Weg zu bringen, in erneuerbare Energien zu investieren, anstatt weiterhin Kohlekraftwerke zu bauen.
Mögliche "Antreiberin" mit inspirierenden Reden
Frenzel: Wenn wir uns noch mal dieses Amt anschauen – Sie haben schon beschrieben, was sie leisten muss –, wie entscheidend ist denn erstens dieses Sekretariat in Bonn und zweitens eben auch die Person, die da sitzt? Wie sehr kann sie bestimmen, wie die Dinge dann wirklich laufen?
Kaiser: Die Leiterin des Klimasekretariats ist natürlich auch Teil der Maschinerie des internationalen Klimaschutzes. Der Prozess wird von ihr bestimmt, und da hat sie eine große Rolle, aber natürlich auch als Antreiberin mit inspirierenden Reden, die sie halten muss. Und nicht nur die Regierungen antreiben, sondern auch die zivilgesellschaftlichen Akteure. Die Wirtschaft muss mitgenommen werden, und da gilt es eben auch, Visionen zu entwickeln, Visionen zu transportieren, dass es möglich ist, den Klimawandel zu stabilisieren, und dass es möglich ist, Lösungen zu finden, wenn man gemeinsam handelt.
Vorbereitung auf die nächste Klimakonferenz in Marrakesch
Frenzel: Was bedeutet das alles in Hinblick auf die nächste Klimakonferenz in Marrakesch?
Kaiser: Nach Paris ist natürlich jetzt erst mal eine Phase eingetreten, wo die einzelnen Länder zu Hause umsetzen müssen. Insofern darf man jetzt nicht zu viel von der nächsten Klimakonferenz erwarten. Da wird es sehr stark darum gehen, jetzt zu sagen, wie kann beispielsweise Klimaschutz in den einzelnen Ländern gemessen werden.
Das Entscheidende ist, dass es jetzt in den Ländern vorangeht. Und ich glaube, Marrakesch kann da noch mal ein Signal setzen, dass erneuerbare Energien die Zukunft in allen Ländern sein müssen. Und wenn beispielsweise ein Land wie Marokko selbst jetzt sehr stark vorangeht, was es ja tut, kann das noch mal ein wichtiges Signal geben. Wichtig ist aber, dass die Länder weiter angetrieben werden, zu Hause ihre Klimapolitik voranzubringen. Und da wird ja jetzt die entscheidende Schlacht im Klimaschutz geschlagen.
Frenzel: Heute übernimmt die Mexikanerin Patricia Espinosa die Leitung des UN-Klimasekretariats. Dazu im Gespräch Martin Kaiser von Greenpeace. Vielen Dank dafür!
Kaiser: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.