Neue Väter

Wie viel Vater geht in Vollzeit?

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Illustration: Erschöpfter Vater schläft am Schreibtisch im Homeoffice während ein Kleinkind in Windeln mit Aktenordnern spielt.
In Vollzeit arbeiten, aber zugleich ein aktiver Vater sein: Wann scheitert der eigene Anspruch an der Wirklichkeit des Erwerbslebens? © IMAGO / fStop Images / Malte Müller
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Viele Männer wollen heute die Vaterrolle aktiver leben als ihre eigenen Väter, zeigt eine neue Studie. Doch ihren eigenen Ansprüchen werden sie nicht unbedingt gerecht: Denn Väter arbeiten meistens Vollzeit - und sie spielen viel, aber wickeln wenig.
Was für ein Vater will ich sein? Männer, die heute in Deutschland für Kinder die Verantwortung tragen, streben laut einer neuen Studie der TU Braunschweig und der FH Kiel (PDF) eine aktive Vaterschaft an. Doch ihren Idealen werden sie nicht unbedingt gerecht.

Was einen guten Vater ausmacht

Die Vaterrolle definieren Väter in Deutschland der Studie zufolge vor allem emotional. Zuneigung zu zeigen, sehen sie als ihre wichtigste Aufgabe. Die befragten Männer legen unabhängig ihrer Milieus Wert darauf, ihre Kinder „empathisch und verständnisvoll“ zu erziehen. Gerade Väter von Söhnen wollen diesen ein „freundschaftlicher Vater“ sein.
Ein Großteil der Studienteilnehmer hat sich zudem vom Bild des Vaters als Alleinernährers verabschiedet. Nur etwa zwölf Prozent der Befragten halten es für die wichtigste Eigenschaft eines Vaters, dem Kind oder den Kindern finanzielle Sicherheit zu bieten.
Der eigene Vater diene den heutigen Vätern als Negativbeispiel, sagt Studienleiterin Kim Bräuer, Soziologin an der TU Braunschweig: „Sie haben das Gefühl, dass ihre eigenen Väter oft abwesend und zu stark beruflich orientiert waren.“
Im Rahmen der sogenannten VAPRO-Studie haben insgesamt 2.200 Väter an einer bundesweiten Online-Befragung teilgenommen, mit 55 Vätern wurden tiefergehende qualitative Interviews geführt. Die Studie hat Väter in unterschiedlichen Lebenslagen untersucht: Neben rechtlichen und biologischen Vätern wurden auch Pflegeväter sowie Väter in Co-Parenting-Konstellationen befragt. Außerdem wurden neben heterosexuellen auch homosexuelle Väter in die Untersuchung einbezogen.

Vereinbarkeit trotz Vollzeitjob?

Gemeinsam sei den Vätern „die Sorge, dass sie ihren eigenen Vorstellungen nicht gerecht werden“, sagt Studienleiterin Bräuer. „Viele teilen auch eine Art Vereinbarkeitsproblem.“ Neben dem Beruf und der Familie hätten sie beispielsweise den Anspruch an sich, unentlohnte Care-Arbeit zu übernehmen, sich um die eigenen Eltern zu kümmern und sich ehrenamtlich engagieren.
Laut der Studie erleben viele Väter, was für Mütter bereits vielfach belegt ist: einen Konflikt zwischen ihrer Rolle als Elternteil und ihrer Rolle als Berufstätige. So ist nur ein Drittel der Befragten zufrieden mit der Menge der Zeit, die sie mit ihrem Kind oder ihren Kindern verbringt. Drei Viertel von ihnen sagen, ihr Beruf beeinflusse ihr Vatersein – die meisten von ihnen beschreiben das als eine negative Auswirkung auf die Vaterschaft.
Auch Haus- und Familienarbeit ausgewogen aufzuteilen gelingt nach Einschätzung der befragten Väter längst nicht immer: 42 Prozent von ihnen geben an, dass der andere Elternteil, also häufig die Mutter, die meisten dieser Aufgaben übernimmt. Fast die Hälfte der im Online-Survey befragten Männer nimmt aber an, dass beide Elternteile sich zu gleichen Teilen kümmern.
Ob die Wahrnehmung wirklich in allen Fällen der Realität entspricht, ist allerdings fraglich. Denn es fällt auf ist, dass die Erwerbsarbeit in den Familien der befragten Väter meistens ungleich verteilt ist: Die allermeisten Väter (84 Prozent) arbeiten Vollzeit in ihrem Beruf: 40 Stunden oder sogar noch mehr pro Woche. Der andere Elternteil dagegen arbeitet in fast drei Viertel der Fälle maximal 30 Stunden pro Woche im Job oder geht gar keiner Lohnarbeit nach.

Väter spielen, Mütter wickeln

Väter übernehmen zudem vor allem solche Aufgaben in der Familie, die ihnen am meisten Spaß machen. Mit dem Kind oder den Kindern zu spielen, ist unter den befragten Vätern die häufigste und auch ihre liebste Aufgabe. Am unbeliebtesten ist bei den Vätern die körperliche Pflege der Kinder, also zum Beispiel das Kind zu wickeln oder ein krankes Kind zu versorgen. Diese Aufgaben übernehmen sie seltener als andere To-Dos.
Viele Aufgaben blieben am anderen Elternteil hängen, sagt Kim Bräuer. Es zeige sich, dass Väter gedanklich zwar schon beim aktiven Vater angekommen seien, „viele Väter dies auf der Handlungsebene aber nicht erfüllen“.
Um das zu ändern, schlägt die Soziologin vor, Vätern mehr Anreize auf einer praktischen Ebene zu geben. So könnten Väter etwa verstärkt angesprochen werden, sich im Elternbeirat der Kita zu engagieren. Oder es könnten mehr Angebote gezielt für Väter geschaffen werden. „Ganz besonders wichtig ist das auf dem Land in den neuen Bundesländern. Dort sehen wir am stärksten, dass die Väter in der Handlungsebene nicht so aktiv sind.“

Der aktive Vater ist vor allem ein Ideal   

Zu ähnlichen Ergebnissen wie die VAPRO-Studie kam bereits der Väterreport 2021 (PDF) des Bundesfamilienministeriums: Ihm zufolge sagt eine deutliche Mehrheit der Väter mit Kindern unter sechs Jahren zwar, dass sie sich mehr an der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beteiligen als ihre eigenen Väter. Und wenn sie könnten, würden sie gern noch mehr Zeit mit den Kindern verbringen. Dennoch verharren auch dem Väterreport zufolge die meisten Väter in einem Vollzeitjob. Nur wenige Väter reduzieren langfristig die Erwerbsarbeit um ihre Kinder mehr zu betreuen.

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Eine 2022 veröffentlichte Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (PDF) zu Elterngeld und Elternzeit sieht Väter noch weit entfernt von gelebter partnerschaftlichen Elternschaft. Ihr zufolge leisten Mütter weiterhin das Gros der Kinderbetreuung und der Hausarbeit. Weniger ungleich verteilt sich dies sllein bei der kleinen Gruppe von Paaren, bei denen der Vater länger als drei Monate lang aus dem Beruf aussteigt und Elternzeit nimmt. Allerdings bezieht mehr als die Hälfte der Väter überhaupt kein Elterngeld. Von den Vätern, die Elterngeld beziehen, nehmen drei Viertel diese Leistung aber nur für den Mindestzeitraum von zwei Monaten in Anspruch – und dies größtenteils zeitgleich mit der Partnerin.
(jfr)
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