Neue Wege gegen HIV

Durchbruch mit der Gen-Schere?

Das HI-Virus in einer Darstellung
Das HI-Virus in einer Darstellung © imago stock&people
Von Michael Lange |
Rund 35 Millionen Menschen sind weltweit mit dem HI-Virus infiziert, das Aids verursacht. Trotz aller Forschungen kann Aids bisher nicht geheilt werden. Jetzt wecken sogenannte Enzym- und Gen-Scheren, die Forscher in Hamburg und Freiburg entwickelt haben, neue Hoffnung.
Der Aids-Erreger HIV ist ein besonders hinterhältiges Virus. Um sich vor dem Immunsystem des Infizierten zu verstecken, baut es sich in die Erbinformation von dessen Immunzellen ein, und zwar genau in die Zellen, die den Erreger bekämpfen sollen.
Wissenschaftler aus Hamburg und Dresden verfolgen deshalb den Plan, das Virus aus dem Erbmaterial der befallenen Zellen zu entfernen. Das wäre dann eine wirkliche Heilung der Infizierten.

Helga Hofmann-Sieber:

"Es wäre toll eine Schere zu haben, mit der wir den Bauplan für HIV aus so einer Zelle einfach wieder herausschneiden könnten. Die Frage ist nur: Wo bekommt man eine so kleine Schere her?"
Helga Hofmann-Sieber gehört zum Forscherteam am Heinrich-Pette-Institut in Hamburg. Bei einem Science Slam auf einer Kleinkunstbühne erklärt die Virologin allgemeinverständlich das Prinzip ihrer Forschung.
Sie und ihre Kollegen sind ausgegangen von einem natürlichen Enzym: Einem Eiweiß, das sie aus bestimmten Viren gewonnen haben - aus so genannten Phagen, die Bakterien befallen.
Dann haben die Virusforscher dieses Enzym im Labor über mehrere Jahre immer weiter verbessert.
"Das ganze wird so lange wiederholt, bis man zum Schluss eine Schere übrig hat, die dann tatsächlich die HIV-spezifische Sequenz erkennen kann. Und mit dieser Schere waren wir dann in der Lage, den Bauplan von HIV aus einer infizierten Zelle tatsächlich wieder herauszuschneiden. Und das zum allerersten Mal überhaupt."

Das Verfahren funktioniert

Kürzlich konnte das Forscherteam zeigen, dass das Verfahren in Zellkulturen funktioniert. Das maßgeschneiderte Enzym erkennt hochspezifisch die versteckten Aids-Erreger und schneidet sie aus der Erbinformation der Zelle heraus.
Und was noch wichtiger ist: Es gibt keine falschen Schnitte, die im Erbgut der Immunzellen Schaden anrichten könnten.
Während die Virusforscher in Hamburg auf ihre selbst konstruierte Schere setzen, verwenden immer mehr andere Labore eine neue Schere namens Crispr/Cas - eine Art einfaches Skalpell der Genchirurgie.
CRISPR CAS9 beim bearbeiten von DNA
CRISPR CAS9 beim Bearbeiten von DNA.© imago stock&people
Auch am Institut für Zell- und Gentherapie der Universität Freiburg erprobt die Arbeitsgruppe von Professor Toni Cathomen die neue Crispr-Schere.
Toni Cathomen:
"Also man muss da wirklich von einer Crispr-Revolution sprechen, weil sich diese Methode so schnell verbreitet hat, dass jedes Labor sie einsetzen kann und genetische Veränderungen in verschiedenen Organismen herbeiführen kann."

Revolutioniert Crispr/Cas die Aidstherapie?

Crispr/Cas ist einfach, schnell, preiswert und vielseitig einsetzbar. Die Entdeckerinnen gelten bereits vier Jahre nach der Entdeckung als Kandidatinnen für den Medizin-Nobelpreis. Ob Crispr/Cas die Aidstherapie revolutionieren kann, ist allerdings offen. Toni Cathomen will genetische Scheren einsetzen, um die Immunzellen von Infizierten so zu verändern, dass sie den Aids-Erreger nicht mehr ins Zellinnere lassen.
"Das Therapieziel bei HIV muss es sein, mit einer einzigen Spritze einen Therapieerfolg erzielen kann. Ich glaube: Da wollen wir hin in der Gentherapie."
In jedem Fall kommen Genscheren zum Einsatz. Welche am besten geeignet ist, steht aber noch nicht fest. Crispr/Cas ist zwar schneller und einfacher. Aber die maßgeschneiderten Emzymscheren aus Hamburg haben ihre Genauigkeit bereits bewiesen und sind deshalb für die HIV-Therapie möglicherweise besser geeignet. Demnächst sollen sie an Patienten in einer klinischen Studie erprobt werden.
Helga Hofmann-Sieber:
"Wer weiß, vielleicht können wir ja mit dieser Methode das Rennen gegen HIV irgendwann gewinnen. Dankeschön."

Hören Sie zum Thema auch den "Zeitfragen"-Beitrag in derselben Sendung von Gerhard Richter über den Alltag eines Aidskranken:

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