Tango statt Fango
Jeder Vierte in Deutschland hat ständig Schmerzen. Oft dauert der Leidensweg von Schmerzpatienten 20 Jahre und länger. Forscher gehen neue Wege: Sie programmieren das Schmerzgedächtnis um. Wie das geht, erklärt der Münchner Psychiater Walter Zieglgänsberger.
"Der Schmerz ist der Lehrmeister, den wir alle kennen", sagt Walter Zieglgänsberger. Der emeritierte Leiter der Arbeitsgruppe klinische Neuropharmakologie am Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie gilt als einer der bekanntesten Schmerzforscher Deutschlands. Er beschäftigt sich seit fast 40 Jahren mit Schmerzen, ihren Ursachen und ihrer Behandlung. Seine langjährigen Forschungen – insbesondere über den Zusammenhang von Schmerz und Hirntätigkeit – trugen maßgeblich zu den Neuerungen in der Schmerztherapie bei.
Jeder Mensch habe im Laufe seines Lebens Schmerzen; der akute Schmerz sei sogar wichtig: als Signal. Problematisch sei der chronische Schmerz, er sorge für das Schmerzgedächtnis, das sich tief in unser Bewusstsein eingrabe. Es gebe eine Trias von Schmerz, Angst und Depression. Diese gelte es aufzubrechen. "Wir haben keinen richtigen Mechanismus im Gehirn, um zu vergessen, wir haben nur die Möglichkeit des neuen Lernens, des Re-Learnings."
Heilung auch noch im hohen Alter möglich
Man könne das Schmerzgedächtnis mit neuen positiven Inhalten überschreiben – auch noch im hohen Alter, damit die Angst und das Schmerzempfinden reduziert werden. Zu diesem "Umprogrammieren" des Gehirns gehöre auch, dass man heute Schmerzpatienten eher aktiviere, als ihnen den Schmerz mit immer mehr Medikamenten zu nehmen. "Eine gute Schmerztherapie lässt sich auf eine flapsige Formel bringen: Tango statt Fango."
Tango statt Fango – neue Wege in der Schmerztherapie. Darüber spricht Klaus Pokatzky heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit dem Schmerzforscher Walter Zieglgänsberger. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de – und auf Facebook und Twitter.