Klischees und alte Rollenbilder
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In Berlin wurden die neuen Wohlfahrtsmarken vorgestellt. Sie kosten etwas mehr als das reguläre Porto, der Erlös wird gespendet. Das Motiv der diesjährigen Briefmarken: Szenen aus dem Märchen "Frau Holle". Unser Kritiker ist nicht überzeugt.
Für die Wohlfahrtsmarken zahlen die Kunden etwas mehr als das übliche Porto. Der Erlös wird gespendet, zum Beispiel an die Kinderhilfe, Frauenhäuser oder andere gemeinnützige Organisationen. Organisiert wird das vom Bundesfinanzministerium.
Goldmarie und Pechmarie
Die diesjährigen Marken hat der Berliner Künstler Michael Kunter gestaltet, nach Motiven des "Frau Holle"-Märchens der Gebrüder Grimm. "Die sind auf den ersten Blick wirklich richtig lustig und optimistisch", sagt Kritiker Nikolaus Bernau.
Auf den Motiven erkenne man Szenen, die aus dem Märchen bekannt sind: Goldmarie, die zum Beispiel den Apfelbaum brav schüttelt, während Pechmarie sich weigert und die Äpfel verfaulen. Oder Goldmarie, die die Kissen schüttelt, sodass es auf der Erde schneit, während Pechmarie lieber faul in den Kissen schläft.
"Briefmarken sind ja immer Träger gesellschaftlicher Botschaften genauso wie Münzen", sagt Bernau. Deswegen sei es spannend, sich genau anzuschauen, wie die Motive gewählt seien und was mit ihnen ausgesagt werde. "Das hat der Künstler in diesem Falle mit Sicherheit nicht so daraufhin angelegt, eine spezielle Aussage zu machen. Zumal wollte er vor allem die Geschichte lustig erzählen, und er wollte die Charaktere dieser beiden Mädchen deutlich unterscheiden." Nur mache er das damit, dass er "alte Klischees und Rollenbilder" aufnehme, moniert Bernau.
Debatte über Klischees verpasst?
Blond und barfuß sei das fleißige, gute Mädchen, schwarzhaarig und mit Stiletto-Schuhen sei das böse Mädchen. "Ich meine, wir debattieren seit Jahren über rassistische und über Frauen einsortierende Klischees. Und diese ganze Debatte scheint vollkommen an den Auftraggebern dieser Briefmarken und auch einem Gestalter vorbeigegangen zu sein", kritisiert Bernau.
In den 1960-Jahren war das "Frau Holle"-Märchen schon mal Motiv der Wohlfahrtsmarken. Damals seien Gold- und Pechmarie als ganz "indifferente Mädchen" dargestellt worden, so Bernau. "Und es ist überhaupt nicht klar, welche Ethnizität, welche Hautfarbe oder sonst irgendetwas diese Leute haben könnten. Das sei das Spannende bei diesen Marken, dass diese kleinen Kunstwerke auch zeigten, "wie sehr Debatten auch noch geführt werden müssen, damit wir endlich auf so was genau achten", sagt Bernau.
(nho)