Antisemitismus aufdecken
Viele Zeitungen kämpfen seit Jahren ums Überleben. Da überrascht eine neue jüdische Zeitung auf dem deutschsprachigen Markt: Seit Anfang Juli erscheint die "Jüdische Rundschau" als Monatszeitung im Handel. Ein Blick in die erste Ausgabe.
Man kann es mutig nennen, in Zeiten der immer noch andauernden Zeitungskrise ein neues Printprodukt auf den Markt zu bringen. Die "Jüdische Rundschau", Unabhängige Monatszeitung. 48 Seiten, handliches Tabloid-Format auf dünnem Papier für 3,70 Euro, Startauflage: 7000.
Hinzu kommt noch eine russische Ausgabe der Zeitung. Eine "Jüdische Rundschau" gab es schon einmal in Berlin, als Wochenzeitung, von 1902 bis zu ihrem Verbot 1938. Sie war das Organ der Zionistischen Vereinigung in Deutschland. Diese neue Jüdische Rundschau, Erstausgabe Juli 2014, hat mit der gleichnamigen Vorgängerin aber nichts zu tun. Man hat lediglich den Namen übernommen, weil man eine Rundschau in möglichst viele kulturelle und religiöse Bereiche hinein sein will.
So sollen konservative, orthodoxe wie auch liberale Strömungen gleichermaßen in den Artikeln berücksichtigt werden. Auch politisch will man sich nicht festlegen. So widmet sich die erste Ausgabe der Situation der Juden in der Ukraine, ohne sich auf eine pro-russische oder eher westlich ausgerichtete Seite zu schlagen. Auch im Bericht über den Internet-Streit zwischen "russischen" und "ukrainischen" Israelis kommen beide Seiten zu Wort.
Berichte aus den jüdischen Gemeinden und Kulturtipps
Ein Schwerpunkt der Artikel liegt in der Aufdeckung und Bekämpfung des Antisemitismus. Aktuell wird etwa die antijüdische Rhetorik des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan ganzseitig analysiert. Darin steckt Brisanz, denn auch in Deutschland herrscht gerade türkischer Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl im August.
Weiter geht es etwa um Antijudaismus in der christlichen Theologie. Hinzu kommen Berichte aus den jüdischen Gemeinden, etwa aus Salzburg, Hannover, Berlin und Kiel. Dann die Darstellung charismatischer Persönlichkeiten, theologische Diskussionen und Ratschläge zur jüdischen Lebensführung. Zuletzt die üblichen Buchrezensionen, Kulturtipps und Kochrezepte.
Nur kann die Jüdische Rundschau damit wirklich neue Leserschichten erschließen? Denn es gibt schon die "Jüdische Allgemeine", Organ des Zentralrats der Juden in Deutschland. Und auch der russisch-deutsche Verleger Nicolas Werner wirft seit fast zehn Jahren seine "Jüdische Zeitung" nebst russischsprachigen Ausgaben auf den hart umkämpften Zeitungsmarkt. Womit man sich aber nun genau von den anderen Titeln unterscheiden will, wird auch beim zweiten Durchblättern nicht so recht klar.
Ein Gegengewicht schaffen
Hinzu kommt das bleierne Layout mit dem Charme des letzten Jahrhunderts. Sich gleich von Anfang an keinen ordentlichen Grafiker leisten zu wollen, lässt auf eine Low-Budget-Ausstattung schließen. Gerade einmal zwei namentlich erwähnte Redakteure sollen es richten. Die Zeitung entsteht unter dem Dach des Immobilienverwalters Rafael Korenzecher in der Berliner Kantstraße. Er selbst stammt aus der Nähe von Breslau und kam in den 1960er-Jahren nach Berlin.
Korenzecher saß in der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde Berlin und war einst Mitglied des Rundfunkrates im Sender Freies Berlin. Mit der Jüdischen Rundschau will er ein Gegengewicht zu den "Mehrheits- und Mainstream-Medien" schaffen, die auf dem "Islam-Auge einseitig erblindet" seien.
Er will gegen die "Dämonisierung und Delegitimierung des Staates Israel – der einzigen vorhandenen Demokratie im gesamten Mittleren Osten" anschreiben. Gerade sein Medium würde anders als die namentlich von ihm nicht genannten Medien über "tätliche Angriffe und No-Go-Areas in zahlreichen Städten Europas für alle als Juden erkennbare Bürger" berichten. So das "Wort des Herausgebers" Rafael Korenzecher in der Nr.1 der "Jüdischen Rundschau".
Dazu gab es auch ein Interview. Einer Veröffentlichung stimmte Rafael Korenzecher nur unter vorheriger Abnahme zu. Diese versuchte Einflussnahme wurde jedoch abgelehnt, sodass es nicht möglich ist, ihn im Originalton zu hören. Man darf nur hoffen, dass der Herausgeber wenigstens die Presse- und Meinungsfreiheit seiner Autoren und Redakteure achtet. Denn im Grunde könnte man sich ja freuen, wenn es eine jüdische Zeitung in Deutschland mehr gibt.