Neuer „Eberhofer“-Krimi

Der Dorfsheriff als Vertreter bayerischer Anarchie

06:04 Minuten
Szene aus dem Film "Leberkäsjunkie": Dorfpolizist Franz Eberhofer (Sebastian Bezzel) sitzt in seiner Küche am Esstisch, auf dem Schoß ein kleines Kind, daneben ein Hund.
Vaterfreuden am Esstisch: Dorfpolizist Franz Eberhofer (Sebastian Bezzel, Mitte) mit Paul (Luis Sosnowski, r.) und Hund Ludwig. © 2019 Constantin Film Verleih GmbH / Bernd Schuller
Von Tobias Krone |
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Mit „Leberkäsjunkie“ kommt jetzt die mittlerweile sechste Verfilmung rund um den schlechtgelaunten Dorfpolizisten Franz Eberhofer in die Kinos. Doch er ist nicht der erste Vertreter der anarchisch-bayerischen Kultur.
"Wir beginnen mit dem Anfang."
Am Anfang ist das Chaos. Der bayerische Volksschauspieler Karl Valentin in seinem Sketch "Musik zu zweien" von 1936, in dem der hagere Charakterkopf mit der aufmüpfigen Pappnase seine Komik des Absurden zum Besten gibt.
"Fangen Sie an!"
"Allein kann ich nicht anfangen."
"Warum denn nicht?"
"Weil mein Partner noch nicht da ist. Der spielt mit."
"Was hat denn Ihr Partner zu tun? Ach der spielt mit?"
"Freilich, wir sind doch Duettisten, wir blasen ein Duett. Also ein halbes Quartett."
Skurril, wortverspielt, aberwitzig. Mit seinem frühen absurden Theater erwarb sich der Münchner Volksschauspieler sogar die Aufmerksamkeit des Dramatikers Samuel Beckett.

Widerständiger bayerischer Humor

Karl Valentin dokumentierte in seinen frühen Tonfilmen zum ersten Mal jenen widerständigen bayerischen Humor, der heute die Massen der deutschsprachigen Kinosäle unterhält. Wie im "Leberkäsjunkie".
"Franz, das würde dir auch gut tun, das Heilfasten."
"Ja, was hat dir das Fasten gebracht?"
"Meine Seele beginnt von Innen zu leuchten."
"Ist das schon mal jemandem aufgefallen?"
"Mein lieber Franz, mit deiner maßlosen Fresserei willst du nur deinen seelischen Schmerz verstecken. Deine Seele kann viel lauter schreien, als du denkst."
(Rülpst.) "Jetzt hat’s was gesagt, meine Seele, hast du das verstanden?"
Na gut, ein bisschen derber ist es knapp hundert Jahre später beim Dorfpolizisten Franz Eberhofer und seinem Buddy, dem Birkenberger Rudi, geworden. Hier beim Wirtshausdialog in der neuen Verfilmung von Rita Falk. Doch schon die Generation Karl Valentins hat das Anarchische im bayerischen Charakter herausgearbeitet. Vor allem in der Sprache. Wie hier im Apothekensketch mit Filmpartnerin Liesl Karlstadt.
"Haben Sie ein Rezept?"
"Ja, ein Rezept hab ich schon."
"Nein, ich meine, was fehlt Ihnen denn eigentlich?"
"Das Rezept fehlt mir. Das Rezept fehlt mir."
"Hmhm."
Die verhasste preußische Ordnung über das Medium Sprache zu unterlaufen und sie damit bloßzustellen, das war die Kunst des Volksschauspielers Karl Valentin – und damals ein erfolgreiches Rezept.
An die Ordnung der bayerischen Herrschaftstreue und katholischen Bigotterie hatten schon andere die Axt gelegt. Volksdichter Ludwig Thoma zum Beispiel ließ 1911 in seinem Schwank "Ein Münchner im Himmel" einen verblichenen Bahnbeamten auf einer Wolke sein Dasein fristen, verdammt zum Frohlocken. Weil es im Himmel aber kein Bier gibt, mischt sich in den Engelsgesang der Grant des Bayern – mittlerweile längst ein Zeichentrickklassiker.

Leibliche Genüsse im Zentrum

Natürlich geht es auch beim Eberhofer permanent ums Leibliche. Und nach dem "Schweinskopf al dente" und dem "Sauerkrautkoma" steht nun eben die Fastenkur des Leberkäsjunkies an. Verordnet vom Arzt. Zum Unmut der ganzen Großfamilie.
"Eberhofer! Ab jetzt halten wir strenge Diät. Kein rotes Fleisch, viel Gemüse, und keine Leberkässemmeln mehr."
"Das ist ein Broccoli-Tofu-Eintopf."
"Wegen dem Hirschen können wir jetzt unseren Komposthaufen z’samfressen."
Doch auch um die Frauen geht es in Rita Falks Büchern regelmäßig. Mit der Bindungsfähigkeit hat es der Dorfsheriff Eberhofer nicht so. Und er steht damit in guter kulturgeschichtlicher Tradition. Im Bayerischen gibt es für solche Männer sogar einen Ausdruck: Stenz. Und dem "ewigen Stenz" setzte Helmut Dietl in den 80ern ein filmisches Denkmal.
"So wie’s gangen ist, hat sie eher ausgeschaut, wie eine, die von der Arbeit geht und heimgeht."
"Wenn sie nicht gleich direkt zu ihrem Freund gegangen ist."
"Freund, das hat sie ja bloß so gesagt."
"Oder, dass sie vielleicht gar nicht in die U-Bahn eingestiegen ist, sondern in die S-Bahn."
"Schmarrn. Da tät sie ja in einem Vorort wohnen und nach Vorort hat die überhaupt nicht ausgeschaut."

Der ewige Stenz

Beim Kriminalkommissar Franz Münchinger, alias Monaco Franze, ging es nicht um Leichen, sondern einzig und allein um Seitensprünge, um der Fadheit des Lebens zu entkommen. Die Affäre als Lebenskunst. Demgegenüber stellt sich der Eberhofer, hier in seinem vergangenen Film "Sauerkrautkoma", eher plump an.
"Sag einmal, Franz, magst du eigentlich Kinder haben?"
"Ah – eh – ja, na, ah…"
"Dir ist aber schon klar, dass ich in ein paar Jahren 40 werde."
"Dafür hast dich aber gut gehalten."
Es steckt in den Eberhofer-Krimis noch eine ganze Menge anderer bewährter anarchischer und quasi-anarchischer Elemente. Als Vorbild für Autorin Rita Falk könnte der österreichische Ex-Polizist Brenner gedient haben – bekannt aus den erfolgreichen Romanen von Wolf Haas. Der allerdings kommt sprachlich wie dramaturgisch noch eine gute Portion komplexer daher.
Auch der Österreicher David Schalko könnte mit seiner Mini-TV-Serie "Braunschlag" von 2011 über die menschlichen wie soziopolitischen Abgründe der Provinz entscheidende Spuren gelegt haben. In denen dürfte sich wohl auch der neue Eberhofer in gewohnt dosierter Form bewegen, schließlich mag es die Masse nicht zu schwarz-humorig-aufmüpfig. Und natürlich stets mit dem versöhnlichen Augenzwinkern des Junggesellen, das vom Bullen von Tölz bis zu den Rosenheim-Cops noch immer gezogen hat.
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