Maden und Heuschrecken zum Knabbern
Insekten sind gesund - zwei Milliarden Menschen auf der Erde verzehren sie deswegen bereits. Auch hierzulande kommen Maden und Heuschrecken immer öfter auf den Teller. Sie schmecken zum Beispiel nussig - und werden mit Mango-Dip serviert.
Der Koch rührt den Tempurateig an, gibt eine halbe Hand Mehlwürmer dazu. Formt kleine, eigelbgroße Küchlein, setzt sie vorsichtig in die Pfanne. Als nächstes greift er zu den Heuschrecken, zupft mit geübtem Griff Flügel und Hinterbeine ab. Die kleben sonst unter der Zunge, sagt er.
"Also hier muss man richtig aufpassen, also Heuschrecken, ne, Grillen, darf man nicht so lange braten."
Frank Nielinger steht daneben. Seit drei Jahren serviert er im "Mongos" in Münster den Insektenteller. Die Chefs der Restaurant-Kette haben ihn auf die Speisekarte gesetzt.
"Mein erster Gedanke war natürlich: O Gott, in Münster, ist ja nun mal schon ein etwas andere Stadt als im Ruhrpott, war ich so ein bisschen skeptisch, dass das hier angenommen wird."
In Münster ist der Insektenteller erlaubt. In München verboten. Jedes Bundesland reagiert anders auf die Krabbler-Kost.
Links die Grillen, in der Mitte Wurm-Fladen
Der Koch drapiert Salat auf einem Holzbrett, zwei halbe Cherrytomaten. Links die Grillen, in der Mitte Tempura-Wurm-Fladen, rechts die Heuschrecken. Drumherum die Dips - fertig.
Nielinger nimmt den Insektenteller, steuert einen Tisch in der Mitte des Restaurants an. Dort sitzen zwei junge Männer beim Bier. Einer ist Tischler, der andere studiert Bauingenieurswesen. Insekten haben sie noch nie probiert.
"Was ist nochmal was?"
"Das sind Grillen am Mango-Dip, die etwas größeren Tierchen sind dann die Heuschrecken, die Mehlwürmer sind im Tempurateig und ganz außen haben wir den Whisky-Barbecuedip."
"Und die sind jetzt gegrillt? Cool ..."
Die jungen Männer mustern das Angebot. Greifen dann zur Heuschrecke. Ohne Dip.
"Mmh, interessant, schmeckt wie Hähnchenkruste. Das ist jetzt die Heuschrecke, ja, ich hol mir die Mehlwürmer, mach du mal die Mehlwürmer, oh jetzt ist mir einer reingefallen ..."
350 Kilometer nordöstlich lenkt Folke Dammann seinen in die Jahre gekommenen Familienwagen über eine Landstraße in Schleswig Holstein.
"Ich komme gerade von der Post, musste meine Pakete wegbringen, die ganzen bestellten Sendungen, das ist so meine tägliche Tour ..."
Auf dem Rücksitz transportiert er zwei Kindersitze. Auf der Rückscheibe seine Geschäftsidee: "Essinsekten" steht da in großen Lettern. Seit drei Jahren versorgt der Mittdreißiger kulinarische Freunde der Krabbel-Kost mit Nachschub. Auch das Restaurant in Münster.
Eine silberne, überdimensionale Heuschrecke
Dammann passiert das Ortsschild "Witzeeze", parkt vor einem alten Backsteinhaus. Zusammen mit seiner Frau hat er das mehr als 120 Jahre alte Gebäude umgebaut.
Über dem Eingang zu einem kleinen Flachbau glitzert eine silberne, überdimensionale Heuschrecke. Das Firmenlogo. Vor vier Jahren sah Dammann einen Fernsehbericht, hörte von einer Studie der Welternährungsorganisation FAO. Die berichtete, dass bei mehr als zwei Milliarden Menschen Insekten auf dem Speiseplan stehen. Berechnete, dass Würmer und Heuschrecken, einen wichtigen Beitrag für die globale Eiweißversorgung leisten könnten. Dammann war fasziniert.
"Erstmal mit den Ämtern Kontakt aufgenommen, da war ich natürlich der Erste, der da angeklopft hat. Klar wird man dann auch Mal von der ein oder anderen Seite belächelt, weil die Leute sich gar nicht vorstellen können, dass das überhaupt schon akzeptiert wird, von der Bevölkerung hier."
Im Innern des Flachbaus glänzt Edelstahl: Metalltische, Arbeitsflächen, Regale. In der Ecke wartet eine Waage. "Unsere Produktionsstätte", sagt Dammann. Abpack-Station und Versuchsküche in einem. In vier weißen Keramikschälchen präsentiert er sein Angebot:
"Das ist ein Buffalowurm, das ist eine kleine Mehlwurmart, ein ganz klein bisschen nussiger, vergleichbar mit Haselnuss vom Geschmack. Dann hier Heuschrecken, 'ne kleine Variante, dann haben wir hier Mehlwürmer. Und das sind Grillen."
Schokotaler mit Mehlwurmtopping
Farmen in Belgien, Frankreich und den Niederlanden liefern die Nahrungsinsekten. Dammann und seine Frau verpacken und vertreiben sie. Und tüfteln laufend an der Erweiterung ihrer Produktpalette. Schokotaler mit Mehlwurmtopping gibt es schon. Für das neueste Produkt kooperieren sie mit einem Hersteller von Müsliriegeln. Insektenpower für die Ausdauer …
"Wir haben hier auch unseren Energieriegel auf den Markt gebracht. Wir dürfen eben noch keine gemahlenen Insekten einsetzen, also haben wir hier so eine Sesam-Mandel-Mischung, wo letztendlich ganze Buffalowürmer eingebacken werden."
Im Restaurant in Münster knabbern Tischler und Student an den letzten Insektenhappen.
"Ja, gar nicht schlecht, schmeckt ja wie Reiswaffeln, bloß hier Proteine. Kann man machen, ich wollte immer so was probieren."
Restaurantchef Nielinger steht daneben. Und nickt zufrieden.
"Das war hier nochmal?"
"Grillen im Mangodip."
"Zuchtgrillen oder von der Straße gefangen?"
"Die werden extra gezüchtet ... schmeckt nicht schlecht, muss man echt sagen, echt interessant ..."