Zwischen Arbeit und Freundschaft
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Chefin und Assistentin: Für die eine geht es um den großen Traum vom Musikgeschäft. Für die andere um die Angst, als älter werdender Star nicht Auslaufmodell sein zu wollen. Susanne Burg hat mit Nisha Ganatra über ihren neuen Film gesprochen.
"The High Note" – das ist ein neuer Film, der sowohl im Kino als auch als Video on Demand erscheint. Eine Musikkomödie um den fiktiven Superstar Grace Davis, gespielt von Tracee Ellis Ross, und ihre persönliche Assistentin Maggie, gespielt von Dakota Johnson. Maggie ist ein glühender Fan der Soullegende und will selber Fuß fassen im Musikgeschäft, als Produzentin. Dazu hat sie jedoch kaum Zeit, weil Grace Davis sie ziemlich auf Trab hält.
Im Film geht es um den großen Traum vom Musikgeschäft auf der einen Seite und um die Realität, als älter werdender Star nicht Auslaufmodell zu werden auf der anderen. Regisseurin ist Nisha Ganatra, die im letzten Jahr die Talkshow-Tragikomödie "Late Night" inszeniert hat. Susanne Burg hat mit ihr schon vor einigen Wochen telefoniert. Nisha Ganatra war mitten im Lockdown in Los Angeles, und sie haben erst mal über das Verhältnis zwischen Maggie und Grace gesprochen.
Eine Beziehung mit besonderer Dynamik
Susanne Burg: Bei einer solchen Konstellation Chefin, Assistentin, denkt man im Comedybereich unweigerlich auch an "Der Teufel trägt Prada". Die Beziehung von Grace und Maggie ist anders. Was ist es für eine Beziehung?
Nisha Ganatra: Ich bin froh, dass Sie das sagen. Denn "Der Teufel trägt Prada" ist so gut und kultig – das kann man nicht kopieren. Diese Beziehung ist für mich insofern anders, als bei den beiden die Grenze zwischen Freundschaft und Arbeit verschwimmt.
Als ich mit Popstars sprach und recherchiert habe, kam das immer wieder in den Gesprächen durch, dass ihr Leben immer isolierter wird, je berühmter sie werden, und da spielen Assistenten oder Assistentinnen häufig eine bedeutende Rolle in diesem Kreis, auch wenn sie technisch gesehen Angestellte sind. Sie können das bei Beyoncé beobachten. Es gibt da diese junge Frau, sie heißt Sam, und sie steht immer hinter Beyoncé und richtet ihr Kleid auf dem Roten Teppich oder trägt ihre Sachen.
Und diese Dynamik hat mich interessiert, diese Intimität, die dann löchrig wird und verschwindet, dieser unberechenbare und launenhafte Aspekt der Beziehung mit einer Chefin, die auch noch das eigene Idol ist. Und die sich zwischendurch immer sehr schlecht benimmt. Ich dachte, das ist ein erfrischender Blick auf diese Chefin-Assistentin-Dynamik.
"Als Frauen können wir uns im Weg stehen oder uns stützen"
Burg: Wenn es ums Benehmen geht, ist Grace in Ihrem Film ja ein Sonnenschein im Vergleich zu Miranda in "Der Teufel trägt Prada". Beim Begriff Diva schwingt ja immer auch mit, dass Frauen besonders kompliziert und hysterisch sind, ein etwas schwieriger Frauenblick also. Wie schlecht sollte sich Grace in Ihrem Film benehmen?
Ganatra: Es gibt ein paar Momente davon, einfach weil sie Spaß machen, aber ich habe viel über den Begriff Diva gelernt. Er bezeichnet Frauen, die sich nicht für ihr Verhalten entschuldigen. Und ich fand interessant, dass es im Englischen kein männliches Äquivalent für den Begriff Diva gibt.
Ich glaube, bei Grace und Maggie geht es mehr um ihre Frustrationen, bei Grace der Frust darüber, was sie aufgeben musste, um Star ein zu sein. Und bei Maggie der Frust darüber, wie schwer es ist, einen Fuß in die Tür zu bekommen in dieser Männerbranche der Produzenten, die sie nicht ernst nehmen. Als Frauen können wir uns gegenseitig im Weg stehen oder uns stützen. Und ich stehe hinter Filmen, in denen sich Frauen gegenseitig stärken und unterstützen.
Nur wenige Frauen über 40 hatten einen Nummer-1-Hit
Burg: Es gibt für mich eine zentrale Stelle in einem Konferenzraum von Capitol Records, der Plattenfirma, bei der Grace unter Vertrag steht. Grace und die Labelchefs besprechen Graces Zukunft. Grace ist klar, wo sie in ihrem Alter steht. Sie sagt später: Nur fünf Frauen über 40 hatten einen Nummer-1-Hit.
Das Plattenlabel möchte, dass sie sich auf Best-Of-Alben beschränkt und nach Las Vegas für die immer gleiche Show geht. Aber Grace möchte gerne neue Songs produzieren. Die Szene arbeitet mit Comedyelementen, hat jedoch einen ernsten Kern. Welche Gedanken flossen ein, um diese Szene zu inszenieren?
Ganatra: Für mich ging es um die Hoffnung, die Grace hat, dass das, was sie ursprünglich so einzigartig gemacht hat, ihre Stimme ist. Ich habe mir die Backstory dieser Figur vorgestellt, und für mich war sie eine Singer-Songwriterin, die umgeschwenkt ist, die auf Nummer sicher gegangen ist und überall ihre Hitsongs gesungen hat und Songs, die andere für sie geschrieben haben.
Es ging darum, zu zeigen, wie sie all ihren Mut zusammennehmen muss, um selber zu verstehen, wer sie ist und es dann jenen Menschen zu präsentieren, die ihr mit eisigem Schweigen begegnen. Ihr ganzer Mut bricht in sich zusammen. Im Badezimmer hinterher gewinnt dann die Angst. Und das hat auch die Dynamik mit Maggie beeinflusst, die naiv hoffnungsvoll ist.
Popstar Diana Ross ist auf dem Boden geblieben
Burg: Grace Davis wird ja von Tracee Ellis Ross gespielt, der Tochter von Sängerin Diana Ross. Tracee Ellis Ross hat gesagt, dass sie bei der Figur nicht auf Erfahrungen mit ihrer berühmten Mutter zurückgegriffen hat. Warum nicht?
Ganatra: Ich glaube, es ist schwer, im Schatten von Diana Ross aufzuwachsen. Als wir den Film vorbereitet haben, sind wir mit Tracee auf ein Konzert von Diana Ross gegangen. Es hat Spaß gemacht, und wenn man Diana Ross trifft, ist man überrascht, wie sehr sie auf dem Boden geblieben ist. Es gibt nichts von diesem Grace-Davis-Wahnsinn in Diana Ross. Daher konnte Tracee die Figur nicht an ihre Mutter anlehnen. Aber sie konnte an Erfahrungen anknüpfen. Ich erinnere mich, dass ich Tracee erklären wollte, welch ein Leben Grace Davis führt. Sie kann nicht aus dem Auto steigen, ohne von Horden Fans umringt zu sein, sie kann in kein Restaurant gehen, in kein Theater.
‚Stell dir Madonna auf dem Höhepunkt ihrer Karriere vor oder Beyoncé oder andere Superstars, wie sie von unserer Gesellschaft behandelt werden‘, habe ich gesagt. Und Tracee hat mir ein kurzes Video von ihrer Mutter gezeigt, wie sie vor dem Studio 54 aus dem Auto steigt und Tracee und ihre Geschwister versuchen, bei ihrer Mutter zu bleiben, aber in der Menge hinter ihr untergehen. Und da wurde mir klar, dass Tracee an dieses Gefühl andocken kann, dass sie durch diese Menge gelaufen ist. Sie musste sich nur vorstellen, dass die Fans nicht ihre Mutter, sondern sie anfassen wollen.
Mit Filmen die Welt verbessern
Burg: In dem Film steht eine ältere afroamerikanische Sängerin im Zentrum, in einem Business, dem Musikbusiness, das sehr jung, weiß und männlich ist. In Ihrem Film davor, "Late Night", ging es um eine indisch-amerikanischen Comedy-Autorin, die in einer Fernsehshow angeheuert wird mit vielen weißen Männern. Es ist also ein weiterer Film, der in der Unterhaltungsindustrie spielt. Wie sehr glauben Sie daran, dass die Popkultur die Wahrnehmung von Menschen verändern kann?
Ganatra: Ich glaube sehr daran. Das ist der größte Spaß in unserer Industrie, dass wir Kultur prägen und dabei helfen, die Meinungen von Menschen zu verändern. Es geht ja darum: Wenn du Menschen deine Geschichte erzählst, können sie dich nicht schlagen. Ich glaube, dass Film und Musik große Empathiemaschinen sind. Und wenn wir sie richtig einsetzen, können wir die Welt verbessern. Das klingt sehr übertrieben optimistisch, oder? Aber deswegen habe ich mit dem Filmemachen angefangen. Das war meine Hauptmotivation.