Neuer "Ring" in Bayreuth

Von Ullrich Bohn |
Für die Regie der Opern aus Richard Wagners berühmter Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" hat Festivalchef Wolfgang Wagner in diesem Jahr den Dramatiker Tankred Dorst gewonnen. Bisher jedoch hat der Opernregie-Neuling kaum etwas von seiner "Ring"-Konzeption preisgegeben. Am 25. Juli beginnen die Bayreuther Festspiele.
Richard Wagners Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" ist auch für die Bayreuther Festspiele immer noch ein ganz besondere Herausforderung. Obwohl mit den vier Werken, mit dem "Rheingold", der "Walküre", mit "Siegfried" und mit der "Götterdämmerung" einst im August 1876 das Bayreuther Festspielhaus auf dem so genannten Grünen Hügel eingeweiht worden war. Man doch eigentlich nach nunmehr 130 Jahren "Ring"-Geschichte genügend Erfahrung im Umgang mit dem Riesenwerk besitzen müsste.

Doch dagegen spricht nun mal die Bayreuther Aufführungspraxis. Haben doch die Regie-Teams hier nicht, wie an anderen Opernhäusern üblich, zwei bis vier Jahre Zeit, um ihre "Ring"-Inszenierung quasi Stück für Stück aufzubauen. Vor Bayreuths Wagner-Gemeinde muss immer gleich alles auf einmal präsentiert werden, alle vier Stücke innerhalb einer knappen Woche:

Womit dann nicht selten eine gewisse Ernüchterung einhergeht, die Kritik zuweilen recht harsch ausfällt. Erinnert sei beispielsweise an den so genannten "Jahrhundert-Ring" von Patrice Chereau im Jahre 1976, der nach der Premiere vom Publikum förmlich zerrissen wurde, und vier Jahre später, nach insgesamt 17 zyklischen Aufführungen mit nicht enden wollenden Ovationen in die Rezeptionsgeschichte des Werkes einging.

Die Bayreuther "Ring"-Inszenierungen entstehen also im Unterschied zur gängigen Opernpraxis stets als eine Art "work in progress". Jahr für Jahr wird szenisch wie auch musikalisch daran weitergearbeitet und weitergefeilt. Vielleicht war das ja der Grund, warum der große Filmregisseur Lars van Trier, den Festivalchef Wolfgang Wagner Effekt heischend vor gut drei Jahren als Regisseur des neues "Ringes" präsentierte, alsbald schon das Handtuch warf? - Oder ist seine anfängliche Euphorie von der bühnentechnischen Realität und den dann doch begrenzten finanziellen Möglichkeiten zunichte gemacht worden? Dies alles wird im Dunkeln bleiben!

Als Ersatzmann oder Einspringer, ganz wie man will, wird nun Tankred Dorst, einer der renommiertesten Gegenwartsautoren im Lande zusammen mit dem Bühnenbildner Frank Phillipp Schößmann die Wagnersche Tetralogie in Angriff nehmen. Bisher jedoch hat der Opernregie-Neuling Tankred Dorst so gut wie nichts von seiner "Ring"-Konzeption preisgegeben, außer dem vieldeutigen Satz, dass er eine Art Zeitreise mit Wagners Werk vollführen möchte. Musikalisch begleiten wird ihn dabei Christian Thielemann, der mit diesem von den Wagnerianern mit großer Spannung erwarteten Auftritt, seinem Ziel, musikalischer Chef am Grünen Hügel zu sein, sicherlich ein Stück näher kommen sollte.
Der deutsche Dramatiker Tankred Dorst
Der deutsche Dramatiker Tankred Dorst© AP Archiv