Salman Rushdie: Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte
Aus dem Englischen Sigrid Ruschmeier
C. Bertelsmann Verlag, München 2015
380 Seiten, 19,99 Euro
Krieg der Fabelwesen
Im Roman "Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte" erzählt Salman Rushdie wieder von übernatürlichen Kräften, Fabelwesen und Magiekünsten. Das Buch lebt von politischen Anspielungen und einer flotten Sprache - überzeugen kann es unseren Kritiker aber nicht.
Salman Rushdie hatte schon immer eine Vorliebe für Märchen und Fabelwesen. Das hat ihn zu einem der prominentesten Vertreter des magischen Realismus gemacht. In seinen letzten Büchern ist er immer weiter in das Magische abgedriftet, sodass sein jüngster Roman keine allzu große Überraschung ist. Schon der Titel verrät das: "Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte" - gemeint ist natürlich 1001 Nacht.
Im Mittelpunkt steht Dunia, eine Dschinnya, ein weibliches Wesen aus Feuer und Rauch, das in der Lage ist, menschliche Gestalt anzunehmen. Sie entstammt der Parallelwelt Peristan. Dort gibt es gute und böse, starke und schwache Dschinn, Könige und Prinzessinnen. Eigentlich sind beide Welten strikt voneinander getrennt. Nur selten tut sich ein Spalt auf, durch den die Dschinn dann in die Menschenwelt schlüpfen. So lernt Dunia im Jahr 1195 den Philosophen Ibn Ruschd kennen und lieben, gebiert ihm sogar dutzende Kinder, die auf der Erde bleiben, während sie in die Geisterwelt zurückkehrt. Der Philosoph, der an die Gesetze der Natur glaubt, hatte einen starken, wenn auch zu seiner Zeit bereits verstorbenen Gegenspieler: Ghazali, ein persischer Theologe, bis heute einer der wichtigsten Denker des Islam, für den alles auf der Welt von Gott geschaffen und geplant ist.
Eine Geschichte über Glaube und Unglaube
Die beiden haben tatsächlich existiert. Ihre Auseinandersetzung über Glaube und Unglaube, Vernunft und Irrationales durchzieht den gesamten Roman. Der Streit ist letztlich der Grund, warum die Welt in Chaos versinkt, eine Zeit der Seltsamkeiten beginnt. Es ist der tote Ghazali, der die vier übelsten und mächtigsten Dschinn verpflichtet, die Menschen heimzusuchen und grausam zu strafen. Ihre Verzweiflung soll sie zu Gott zurückführen. Dem Paroli zu bieten kehrt Dunia zurück in die menschliche Welt, verliebt sich in den Gärtner Geronimo, der sie an ihren toten Philosophen erinnert. Geronimo wiederum sieht in Dunia eine Art Reinkarnation seiner heißgeliebten verstorbenen Frau Ella. Ohne es zu wissen, ist er ein Abkömmling jeder Kinder, die die Dschinnya mit Ibn Ruschd gezeugt hatte. Sie beide ziehen später gemeinsam in den Krieg gegen die fiesen Dschinn und ihre zahlreichen Helfershelfer, die alle möglichen Grausamkeiten begehen. Diese Zeit der Seltsamkeiten endet nach genau 1001 Nacht gewaltsam.
Dass die bösartigen Dschinn so handeln, wie wir das derzeit von religiösen Terroristen, insbesondere den IS-Kämpfern erleben, ist sicherlich gewollt. Rushdie attackiert hier in Gestalt böser Geister jegliche Form von religiösem Fanatismus und Fundamentalismus. Seinem anonymen Erzähler sind alle Religionen suspekt.
Salman Rushdie malt mit so dickem Strich übernatürliche Kräfte, Fabelwesen und Magiekünste aus, dass man nichts davon ernst nehmen kann. Das flotte Erzählen hat er nicht verlernt, aber leider übertreibt er maßlos und lässt seine Fantasie allzu wild ins Kraut schießen. Das macht die Lektüre bisweilen zu einem etwas mühseligen und drögen Genuss. Dass am Ende die Guten siegen, hilft da auch nicht mehr. Schade.