Neuer SPD-Chef Martin Schulz

Zum Scheitern verurteilt?

Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel (r) und Martin Schulz (SPD) geben am 24.01.2017 in Berlin in der SPD Zentrale eine Pressekonferenz.
Soll es richten: Martin Schulz, der künftige SPD Chef (l.) mit seinem Vorgänger Sigmar Gabriel © picture-alliance / dpa / Kay Nietfeld
Von Gerhard Schröder |
Mit seinem Rücktritt überlässt Sigmar Gabriel seinem Nachfolger Martin Schulz eine Last, die kaum zu schultern ist, meint der Journalist Gerhard Schröder. Der künftige SPD-Chef muss eine Partei aufrichten, die demoralisiert ist und um ihr politisches Überleben kämpft.
So schön kann Chaos sein. Sigmar Gabriel, sieben Jahre lang der starke Mann in der SPD schmeißt überraschend die Brocken hin, will nicht Kanzlerkandidat sein und auch nicht mehr Parteivorsitzender. Und die SPD ist – nach einem kurzen Moment der Schockstarre – begeistert. Jetzt sei der Weg frei für einen Neuanfang, heißt es. Jetzt jubeln die Sozialdemokraten Martin Schulz zu, dem gelernten Buchhändler aus Würselen bei Aachen, einem leidenschaftlichen Europäer und mitreißendem Redner, einer, der sich hochgearbeitet hat, ohne Abitur und Studium, ein Sozialdemokrat, wie er im Buche steht, der bundespolitisch allerdings noch wenig Spuren hinterlassen hat.
Dass die SPD nun seine Kandidatur mit Jubelstürmen quittiert, zeigt wie begeisterungsfähig diese demoralisierte Partei noch ist. Es zeigt aber auch, wie schwach sie ist: Den ungeliebten Patriarchen Gabriel zu stürzen, hat sich keiner getraut. Sein freiwilliger Rückzug wird nun als Heldentat verklärt, die eine Wende zum Besseren einläuten soll. Wenn es nur so einfach wäre.

Vom Hartz-Trauma hat sich die SPD bis heute nicht erholt

Schließlich galt Gabriel selbst einmal als Hoffnungsträger der SPD, vor sieben Jahren war das, als die Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl die Quittung für Hartz-Reformen und Rente mit 67 bekommen hatten. Ein Trauma, von dem sich die Partei bis heute nicht erholt hat. Gabriel gelang es, zumindest vorübergehend, die SPD zu stabilisieren. Soziale Gerechtigkeit sollte wieder das sozialdemokratische Erkennungszeichen werden, die SPD eine Partei, die sich um die Menschen kümmert, die dahin geht, wo es laut ist und auch manchmal stinkt, so Gabriel bei seiner umjubelten Antrittsrede.
Gewirkt hat es nicht, was sicher auch an Gabriel selbst lag, der mit seiner impulsiven, sprunghaften Art auch viele in den eigenen Reihen verprellte. Schmerzlicher noch war die Erkenntnis, dass selbst vorzeigbare Erfolge nicht automatisch dazu führen, dass verlorene Wähler wieder zurückgewonnen werden können. Mindestlohn, Rente ab 63, schärfere Regeln für Leiharbeit und Werkverträge – all das setzten die Sozialdemokraten durch, und sackten doch immer weiter in der Wählergunst ab. Die Erfolge der Regierungspolitik heimst die Kanzlerin ein, nicht die SPD. Die Unzufriedenen und Zukurzgekommenen dagegen wandern zu Linkspartei oder AfD ab.
Gabriel ist es nicht gelungen, diesen Abwärtstrend zu stoppen. "Das was ich bringen konnte, hat nicht gereicht", hat er zum Abschied selbstkritisch eingeräumt. Deshalb tritt er zurück, aber auch, weil ihn die Spitzengenossen allzu oft im Stich ließen, wie er der Illustrierten "Stern" verbittert erzählte. Wie ein Artist auf dem Hochseil habe er sich gefühlt: unten das Publikum, das amüsiert zuschaute, wie er in luftiger Höhe seine Kunststücke vollführte. Und manch einer rüttelte auch noch am Seil, um zu gucken, ob er die Balance würde halten können.

Gabriel hat sich gerächt

Gabriel hat sich dafür nun gerächt, indem er nicht nur auf die Kanzlerkandidatur verzichtet, sondern auch den Parteivorsitz abgibt. Mit einem lauten Knall verlässt er die Bühne, und überlässt damit seinem designierten Nachfolger Martin Schulz eine Last, die kaum zu schultern ist. Er muss jetzt den Hochseilartisten geben, soll nicht nur gegen die populäre Kanzlerin antreten, sondern auch eine demoralisierte Partei aufrichten, die um ihr politisches Überleben kämpft. Eine Partei, die in Bayern und Baden-Württemberg inzwischen auf Zwergenformat geschrumpft ist, die in Ostdeutschland mal von der AfD, mal von der Linkspartei überflügelt wird. Und die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, dem sozialdemokratischen Stammland schlechthin, verheißen auch nichts Gutes.
Wenn in derart prekärer Lage mit Sigmar Gabriel auch noch der Lotse von Bord geht, dann spricht das für den desaströsen Zustand der Partei, nicht für den Willen zum Neuanfang, den Martin Schulz jetzt notgedrungen wagen muss.
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