Neuseelands neuer Tourismus
Entspannen, aber nachhaltig: Auch wegen des ökologischen Fußabdrucks einer Reise nach Neuseeland soll die Zahl der Gäste begrenzt werden. © Imago images / Cavan Images
Keine Backpacker mehr?
21:58 Minuten
Nach dem strikten Lockdown auf dem Inselstaat im Südpazifik wünscht sich der neuseeländische Tourismusminister nun „hochwertige Besucher“. Klasse statt Masse. Aber ist das wirklich nachhaltig?
Für Backpacker und Camper ist Neuseeland ein Traumziel – glasklare Seen, Berge und kostenloses Campen. Auch Leana und Daniel aus der Schweiz klappen deshalb hier außerhalb von Queenstown Tisch und Stühle aus. Acht Monate wollen die beiden 24-Jährigen durch Neuseeland touren.
Ihre Jobs zu Hause haben sie gekündigt, sie leben von Erspartem. Ihren Camper haben sie am Flughafen einem Einheimischen günstig abgekauft, erzählt Daniel:
„Die Mietautos sind sehr teuer hier, die Mietcampervans. Wir können, wenn es gut geht, den Campervan am Schluss wieder für dasselbe verkaufen. Dann wäre unsere Reise fast wie… nur noch die Lebenskosten – und der Rest wäre finanziert. Das ist natürlich für jeden Backpacker super.“
Ausgabefreudige Traumtouristen gesucht
Gekocht wird natürlich in ihrem Minibus. Essengehen wäre viel zu teuer. Sie sparen, wo sie nur können. Statt auf einem teuren Campingplatz mit Duschen und Küchen stoppen sie lieber auf einem kostenlosen Freedom-Campingplatz. Damit sind sie nicht gerade die ausgabefreudigen Traumtouristen, die der Tourismusminister Neuseelands im Kopf hat.
Leana hat Verständnis.„Wenn man günstig reisen möchte wie wir, und so lange, wie es geht, reisen möchte, muss man aufs Geld achten. Aber ich kann ihn total verstehen: Was er sagt und dass sie Geld brauchen. Weil sie waren zwei Jahre, glaube ich, einfach zu und hatten keinen Tourismus.“
Der Tourismusminister Neuseelands Stuart Nash hatte zuletzt mehrfach international Schlagzeilen gemacht: Weil er Qualität statt Masse forderte, also anspruchsvolle Touristen, die bereit sind, Geld auszugeben und keine, die von der Hand in den Mund oder von Tütensuppen leben.
"Sie hatten Spaß, gut für sie"
Inzwischen formuliert er es vorsichtiger.
„Einige Amerikaner haben bei Social Media damit angegeben, wie sie in ihrem Campervan in Neuseeland rumgefahren sind und von 10 Dollar am Tag gelebt haben. Sie hatten Spaß, gut für sie. Der Punkt ist: Wir sollten unser begrenztes Marketingbudget nicht für diese Leute ausgeben, denn für diese Backpacker-Kundschaft sind wir ohnehin sehr attraktiv“, erklärt er.
Campervans sind jetzt wieder überall zu sehen. Doch zu den Zuständen vor der Pandemie will Neuseeland nicht mehr zurück. Da hatte sich die Zahl der Camper innerhalb eines Jahres verdoppelt. Das war in Städten wie Queenstown nicht mehr verkraftbar. Deswegen gibt es jetzt an beliebten Orten immer mehr Schilder wie: Kein freies Campen erlaubt. Strafe sofort 200 Dollar.
Auch die Vermieter von Campervans mussten sich anpassen. Die Minitoilette, die Andy Haslett gerade putzt, ist ein Muss für einen sogenannten „selfcontained“ Camper, also einen, der auch auf Campingplätzen ohne Duschen und WC halten darf. Niemand soll einfach so in die Natur pinkeln, sagt Andy Haslett.
„Also laut Vorschrift muss die Toilette nutzbar sein, auch wenn das Bett ausgeklappt ist. Außerdem muss es einen Frischwassertank geben, der für zwei Personen für drei Tage reicht, also 25 Liter. Außerdem Behälter für Schmutzwasser und Müll“, erklärt er.
Camping als Teil der DNA Neuseelands?
Andy Haslett kann verstehen, dass die Vorschriften strenger geworden sind. Schließlich haben alle Interesse daran, dass Touristen Neuseelands Natur nicht vermüllen. Aber Camping sei nun mal Teil der DNA von Neuseeland und viele der sogenannten Budget-Touristen bleiben relativ lang und geben somit am Ende auch viel Geld aus.
Deswegen findet der Campervan-Vermieter die Aussagen des Tourismusministers nicht durchdacht.
„Firmen wie unsere sorgen dafür, dass die Touristen auch in ganz kleine Orte und Regionen fahren. Wo es den kleinen Surf- oder Coffee- oder Souvenirshop gibt, der auch überleben will. Also diese Geisteshaltung finde ich schon beunruhigend“, kritisiert er.
Zwei Stunden weit weg von Queenstown umgeben von Bergen, saftig grünen Wiesen und jeder Menge Schafen liegt die Cabot Lodge. Wer hierherkommt, sucht Klischee-Neuseeland uns ist bereit, dafür viel auszugeben.
Neuseeland kann nicht so weitermachen
Manager Brad Alexander schneidet persönlich für seine Gäste die Kräuter aus dem eigenen Gemüsegarten. Nachhaltigkeit ist ihm wichtig. Die Pandemie hat die Tourismusbranche zum Nachdenken gebracht.
Neuseeland könne nicht einfach so wie vorher weitermachen, sagt Brad. Die Zahl der Touristen muss seiner Meinung nach Grenzen haben und vor allem sollten sie auch mehr bezahlen.
„Du kannst die großen Wanderstrecken oder auch andere Wanderwege nutzen, ohne einen Extradollar auszugeben abgesehen vom Sprit fürs Auto, um dahinzukommen. Wenn ich mich in der Welt umschaue – und ich war sowohl in Europa als auch in Nordamerika – dann zahlst du – wenn du in einen Nationalpark gehst, Eintritt für diese Leistung“, sagt er.
Die Cabot Lodge liegt am Fjordland Nationalpark. Wer hierherkommt, will definitiv keinen Massentourismus, sagt Brads Frau Breidi Alexander. Aber außer vielleicht in der Großstadt Auckland sei der ohnehin nicht mit dem Image von Neuseeland vereinbar, findet Breidi.
„Das Schöne ist doch, dass man hier mit sehr wenigen anderen Menschen ist. Wir wollen wirklich, dass die Leute etwas Besonderes erleben. Sie sollen spüren, dass sie in der freien Natur sind und nicht eingesperrt. Die Leute kommen von viel zu vollen Städten auf der ganzen Welt, um diese Weite zu erleben“, schwärmt sie.
Diese Einsamkeit aber hat ihren Preis.
Sauberes Image Neuseelands erhalten
In Zeiten des Klimawandels wird das Thema Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit immer wichtiger. Erst recht hier am grünen Ende der Welt.
Queenstown – Neuseelands Pilgerort für Outdoor und Abenteuertouristen hat sich vorgenommen, bis 2030 CO2-neutral zu werden.
Bürgermeister Glyn Lewers erzählt, die Jahre des ständigen Wachstums wolle die Stadt nicht mehr zurück. Das passe nicht zum sauberen Image Neuseelands. Gerade das knappe Angebot an Hotelbetten mache den Besuch zu einem exklusiven Erlebnis für Touristen.
„Natürlich hat das einen Premiumpreis zur Folge. Wenn etwas knapp ist, kann man nicht so leicht dahin. Aber wenn sie sich die Umgebung hier anschauen, denke ich, Neuseeland und definitiv Queenstown sind das doch total wert“, sagt er.
Trent Yeo ist der Chef der Ziptrek Ecotours. Sein Ziplining Unternehmen war das erste in Queenstown, was C02 neutral war.
„Bei vielen hat ein Umdenken eingesetzt“, sagt Yeo. Touristen müssten in Zukunft nicht nur was fürs Bruttoinlandsprodukt bringen. Lieber weniger, die länger bleiben und was für die Umwelt tun.
„Das wäre doch großartig, wenn Neuseeland ein Land würde, was sagt: Jeder, der herkommt, muss das CO2-frei machen. Alle müssen ihren CO2-Abdruck ausgleichen. Die Idee, Verantwortung zu übernehmen ist wirklich wichtig für so ein Fernreiseziel“, sagt er.
Kommission schlägt Touristensteuer vor
Eine Kommission unter Vorsitz des Umweltministers hat schon vor Jahren vorgeschlagen, eine Art Abreisesteuer für Touristen einzuführen. Diese soll den CO2-Abdruck der Reisenden abbilden. Das Prinzip: Je weiter jemand fliegt und je kürzer er in Neuseeland bleibt, desto höher die Gebühr.
Noch traut sich die Regierung nicht, diesem Vorschlag zu folgen. Die Tourismusbranche muss nach Covid erst mal wieder Geld verdienen.
Doch Experten wie der Tourismusprofessor James Higham von der Universität von Otago sagen, es führe kein Weg vorbei an so einer Steuer.
„Den CO2-Abdruck ignorieren, der mit der Reise nach und von Neuseeland entsteht: Das ist der Elefant am Himmel sozusagen. Das ist die Achillesferse von Neuseelands Tourismus. Und das Wichtigste ist: Wir müssen proaktiv sein und diese enorme Herausforderung annehmen“, erklärt er.
Jobs gibt es überall
Logan Lindstron aus Kanada arbeitet in einem Hostel in Queenstown. So verdient er sich das Geld für seinen Urlaub in Neuseeland. Backpacker wie er, die bereit sind, zum Mindestlohn Betten abzuziehen und Klos zu putzen, werden gerade nach der Pandemie händeringend gesucht. Ohne sie würde der ganze Servicebereich wohl zusammenbrechen.
„Es ist überhaupt nicht schwer, einen Job zu finden. Es gibt überall tonnenweise Jobs, der hier im Hostel ist gut, weil man gleich die Unterkunft dazubekommt. Das fand ich ziemlich cool“, erzählt er.
Zurück in der Lodge von Breidi Alexander. Ob beim Tischdecken oder Bettenbeziehen, überall muss sie auch immer wieder selbst ran. Gäste hat sie genug. Doch immer wieder mangelt es an Personal.
Chris Sperring vom Backpacker-Verband ärgert sich darüber, wie die Backpacker-Hostels in der Pandemie behandelt worden sind. Viele Branchen bekamen großzügig Pandemiehilfen. Seine nicht. Die Zahl der Betten in den Hostels hat sich in den Pandemiejahren halbiert.
Junge nicht Reiche haben das grüne Bewußtsein
Dabei sieht er, dass seine Klientel im Zweifel das grüne Image Neuseelands besser bewahrt als Touristen mit großem Portemonnaie.
„Ich denke, es ist ein Faktor, dass die 18- bis 35-Jährigen ein größeres soziales Bewusstsein haben", sagt er. "Sie machen sich mehr über Geopolitik Gedanken und engagieren sich auch häufiger mal bei Freiwilligenprojekten, wenn sie einen Ort besuchen, während der wohlhabende Besucher vielleicht Helikoptertouren bucht.“
Zurück bei den Freedom-Campern Leana und Daniel. Beim Essen gehen sie auch ihre Finanzen durch. Obwohl sie am Vortag mal ausgegangen sind, stehen sie in diesem Monat finanziell gut da.
"Wir finden immer einen Gratisplatz"
Und das, obwohl sie hier auf der Südinsel schon mal länger nach einem kostenlosen Stellplatz suchen mussten.
„In Gegenden wie Queenstown und Wanaka, welche sehr touristisch sind, sind sie sehr begrenzt und man kann meistens einfach zwei Nächte stehen auf einem Freedom-Camping und nicht länger. Sie wollen es auch, ich nehme an, so ein bisschen begrenzen, dass dann die Holidayparks, die Campings, Geld machen können.“
Finden die beiden das in Ordnung? „Für mich ist es okay, wir haben noch immer einen Platz gefunden, um gratis zu stehen.“
Und wenn es mal irgendwo keine Duschen gibt, gehen sie eben eine Runde schwimmen – wie hier in den glasklare Lake Wakapitu. Noch ist der Traum vom Freedom-Camping nicht ausgeträumt in Neuseeland. Aber er könnte bald etwas teurer werden.