Neuer Trend: Der Öko-Thriller

Die Ökofrage ist im Mainstream angekommen

Ein Plakat mit der «Stop Fracking» steht am 03.06.2014 in Brünen (Nordrhein-Westfalen) am Niederrhein in einem Feld.
Widerstand gegen Fracking: Öko-Themen spielen in Thrillern immer häufiger eine Rolle. © dpa / Martin Gerten
Von Ulrich Noller |
In aktuellen Thrillern zeichnet sich ein Trend ab: Öko-Themen spielen eine immer größere Rolle - immer häufiger geht es um Öko-Verbrecher oder um Mord an Öko-Helden. Eine kleine Genre-Analyse des Krimi-Experten Ulrich Noller - Empfehlungsliste inklusive.
So genannte "Öko-Thriller" gibt es vereinzelt bereits seit den 1980er Jahren. Carl Hiaasen, ein amerikanischer Investigativ-Journalist, bediente sich schon in den 1980er Jahren des Krimigenres, um dezidiert auch auf ökologische Problemfelder hinzuweisen. Das lief dann im Gesamtkontext "Krimi" zwar immer nebenbei als kleines Subgenre, aber es war da.

Zuletzt erschienen allerdings so viele Spannungsromane, in denen Umweltfragen verhandelt werden, dass man von einem Trend sprechen kann. Auffallend häufig sind dabei die Folgen des Frackings ein Thema. Diese besonders umstrittene Art der Energiegewinnung bietet sich wegen ihrer dezentralen Fördereinheiten gut an, die ökologische Frage in gesellschaftliche Mikrokosmen herunter zu brechen und damit auch auf die Ebene des Krimis.

Der Öko-Krimiheld lebt gefährlich

Auffällig dabei ist, dass - durchaus radikale - Umweltaktivisten zunehmend als "Helden" inszeniert werden, die allerdings häufig für ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen müssen. So gut wie immer wird dabei der Grundkonflikt "Ökonomie vs. Ökologie" thematisiert: Um die über allem stehenden Profite und Umsätze realisieren zu können, gehen Unternehmen über Leichen.
Diese "Öko-Thriller" stellen also auf unterschiedliche Weise zugespitzt die Systemfrage: Wie umgehen mit den Akteuren des Kapitalismus, die sich nicht für die moralischen Implikationen ihres Handels interessieren? Interessant dabei ist, dass eine deutlich wirtschaftskritische Sichtweise der Problematik so auch im (Krimi-) Mainstream angekommen ist.

Interessant werden Ökothemen für Krimiautoren etwa dort, wo es um große Summen geht. Man könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass es um einen Datenstick geht, auf dem Beweise für Betrugs-EDV gespeichert sind, und bei der Jagd nach dem Stick gibt es naürlich Tote.

Das Öko-Thema mit der Suppenkelle oder in kleinen Dosen

Im Grunde gibt es bislang zwei Arten und Weisen, wie im Thriller über Ökologie reflektiert wird: Entweder en passent, es wird beschrieben, wie ökologische Probleme sich gewissermaßen ins Alltagsleben und auch in die Wahrnehmung schleichen. Oder plakativ, wie in dem Thriller "Lüge" von Steffen Jacobsen: Ein Konzern, Nobel Oil, möchte Erdgasvorkommen in Grönland ausbeuten. Der Chefgeologe entdeckt etwas, was die Produktion wegen immenser ökologischer Folgen unmöglich machen würde. Er muss sterben. Und mit ihm einige andere, radikale Umweltschützer, die Wind von den Problemen bekommen haben: Umweltaktivisten als "neue Helden". Damit ist die Öko-Frage natürlich mitten im Mainstream angekommen.
Der Debüroman "Auf der Jagd" von Tom Bouman wäre da ein Gegenbeispiel. Eigentlich ein klassischer Country Noir, ein Ermittlerkrimi also, der in den Vereinigten Staaten auf dem Land angesiedelt ist, hier in Pennsylvania. Henry Farrell heißt der Polizist, der einen Mord an einem jungen Mann aufklären muss – der möglicherweise für das Unternehmen gearbeitet hat, das in der Gegend mit Fracking-Anlagen die Erde umpflügt. Da ist der erste Hinweis – der zweite ist in Farrells Figurenbiographie integriert: Er einsame Polizist hat seine Frau an den Krebs verloren, und das hat möglicherweise mit den Folgen des Frackings zu tun – das wird angedeutet. Das Grundthema ist also die Frage, welche Folgen das umstrittene Fracking im Alltag hat.

Lesenswerte Öko-Thriller, zusammengestellt von Ulrich Noller:

• Steffen Jacobsen: Lüge. Heyne, 2017. Euro 16,99
• Tom Bouman: Auf der Jagd. Ars Vivendi, 2017. Euro 20
• Rosamund Lupton: Lautlose Jagd. Dtv, 2017. Euro 14,90
• Antonin Varenne: Die Triebjagd. Penguin, 2017. Euro 10,00
• Dominik W. Rettinger: Die Klasse. Zsolnay, 2017. Euro 22,00

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