Neueröffnung der Frankfurter Portikus-Ausstellungshalle

Von Rudolf Schmitz |
Lange Zeit war dieser Bau ein Zankapfel, doch nun, glätten sich die Wogen der Erregung: Der Portikus in Frankfurt am Main ist in neue Räumlichkeiten gezogen. Erste Ausstellung darin ist Personal States/Infinite Actives der slowenischen Künstlerin Marjetica Potrc und des Argentiniers Tomas Saraceno.
Lange Zeit war dieser Bau ein Zankapfel, doch nun, wo er steht und mit seiner Qualität überzeugt, glätten sich die Wogen der Erregung. Zunächst würde man nicht unbedingt annehmen, hier eine Ausstellungshalle für aktuelle Kunst vor sich zu haben. Denn was da jetzt auf der Flussinsel der Alten Frankfurter Brücke steht, liebäugelt mit dem, was hier seit dem Mittelalter einmal stand: Dies war Frankfurts entscheidende Zollbrücke, hier zirkulierten die Warenströme. Der neue Portikus erinnert daran: Er ist ein hohes, schmalbrüstiges Brückenhaus mit Spitzdach. Außen mit einem feingliedrigen Rillenprofil, der rote Anstrich wird dadurch auf lebhafte Weise gebrochen. Im Umgang mit Form und Material zweifellos eine Architektur von heute, trutzig und elegant, modern und doch voller Erinnerung.

Der neue Portikus mit seinen historischen Reminiszenzen ist ein nicht zu leugnendes Signal der allenthalben gewünschten Stadtreparatur. Christoph Mäckler, Frankfurter Architekt und Stadtplaner, hat ihn in direkter Nachbarschaft zum tosenden Verkehr gebaut. Er versteht seinen Bau durchaus als Herausforderung für den zeitgenössischen Kunstbetrieb:

"Dieses Gebäude ist, zumindest von seiner Typologie her, etwas, wenn Sie so wollen, das wir aus der Geschichte wieder holen. Ist damit auch eine Provokation für die Kunst, aber Kasper Königs Portikus war auch eine Povokation."

Das stimmt, denn der alte Portikus war eine pfiffige Collage, eine Art Hochstapelei. Vorne der historische Säuleneingang, im Innern dann eine einfache Kunstschachtel, als Containerbau an der Portikus rangeklebt. Inzwischen hat Mäckler an dieser Stelle Frankfurts alte klassizistische Stadtbibliothek wiederhergestellt. Ihr architektonisches Überbleibsel nämlich war der Portikus. Heute residiert hier das Literaturhaus Frankfurt. Die experimentelle Ausstellungshalle brauchte also dringend eine neues Quartier. Heute nun also Eröffnung mit der ersten Ausstellung. Ein markanter Bau an markanter Stelle erlebt seine Bewährungsprobe. Der Nutzer des Hauses ist Daniel Birnbaum, Rektor der Städelschule, denn der Portikus ist die Ausstellungshalle von Frankfurts kleiner Kunstakademie. Spitzdach und aktuelle Kunst, wie geht das zusammen?

Birnbaum: "Es stimmt, dass es heftig diskutiert wurde, und Herr Mäckler hat es auch nie als ein gotisches Haus präsentiert, sondern gesagt, das ist doch ein klassisches, fast archetypisches Haus, was solls, was ist das Gefährliche mit einem Spitzdach, es ist ja auch ein modernes Haus, das muss man zugeben und so sehen. Kein gotisches Haus hat zehn mal zehn Meter große Fenster, wo man Lichtinsallationen einbauen kann. Ich glaube, dass es ein so originelles Haus ist, dass es nicht nur okay, sondern für uns alles ziemlich klasse wird"

Von der Mainbrücke aus betritt man über einen kleinen Steg die Ausstellungshalle, neun Meter hoch, in der Grundfläche etwa 100 Quadratmeter. Oben hat sie eine kleine umlaufende Galerie und erinnert damit an den deutschen Pavillon des Biennalegeländes von Venedig. Und die erste Ausstellung, wie sollte es anders sein, hat mit Architektur zu tun: das steht ein improvisiertes Fantasiehaus im Innern, mit Spitzbögen und kleinen Säulchen, postmoderner Irrsinn, wie er überall zu finden ist, als Skulptur.

Eine Arbeit der slowenischen Künstlerin Marjetica Potrc. Sie hat auch die Wände des Portikus mit ihren überdimensionalen Architekturzeichnungen bemalt. Da geht es immer um solche skurrilen Fundstücke oder um Standardsituationen des verkorksten Städtebaus, die sie mit kleinen ironischen Texten kommentiert. Von Tomas Saraceno stammen Luftballongebilde. Sie sollen schwebende Architekturen darstellen. Olafur Elliason hat sich für seine Installation den Giebelraum des Portikus vorgenommen.

Birnbaum: "Alle Künstler arbeiten in der Nähe der Architektur, ganz oben im Glasdach arbeitet Olafur Eliasson mit Licht, er ist ja inzwischen jemand, der den urbanen Raum neu definieren will, der mit Licht und mit Schatten und mit unterschiedlcihen Werkzeugen ganz in der Nähe der Architektur arbeitet. Dann sind es zwei Künstler, die den Raum bespielen, die kommen tatsächliche beide direkt aus der Architektur, Tomas Saraceno kam aus Argentinien mal nach Deutschland, um hier bei Peter Cook zu studieren, er interessiert sich für die utopische Dimension in der Architektur der sechziger und siebziger Jahre, fliegende Gebäude, ganze Städte, die schweben, das ist eine Form experimenteller Architektur. Marjetica Potrc ist eine schon etwas ältere slowenische Künstlerin, sie ist in Osteuropa sehr bekannt, als Installationskünstlerin, als Bildhauerin, aber sie unterrichtet am MIT in Boston Architekturtheorie, also sie ist eine hochintellektuelle Person, die jetzt nicht unmittelbar auf das Gebäude von Herrn Mäckler reagiert, aber sich für urbane architektonische Entwicklungen in Europa, im Osten und im Westen interessiert. Und ihre Skizzen hier handeln ja genau von diesen Diskussionen: wie soll man heute bauen? Oder: wie wird heute gebaut, nach dem Modernismus sozusagen."

Mit ihrer Eröffnungsausstellung hat die Portikus-Ausstellungshalle genau das Richtige gemacht: Sie hat den überraschend gut funktionierenden Ausstellungsraum mit Lust vollgestellt und fröhlich überladen, sie hat dabei die Diskussion um Architektur zur Künstlerdomäne erklärt. Christoph Mäcklers Provokation ist angekommen. Der Architekt jedenfalls schaut mit Stolz auf seine extravagante Hülle für die Kunst von heute:

"Ich glaube, dass dieses Haus an diesem Ort, in dieser Form, so einmalig ist, dass man genau wie beim alten Portikus weltweit davon reden wird."

Selbstbewusstsein hat er. Das Urteil der internationalen Kunstgemeinde steht noch aus. Doch originell und unverwechselbar ist der neue Portikus auf jeden Fall. Und Frankfurt wird sich die Eröffnungsparty auf der Flussinsel nicht entgehen lassen. Und damit wäre wieder ein Stück bisher ungenutzten Stadtraums zurück erobert – und zwar mit beträchtlichem Glanz.