Musik ohne Herbstdepression

Es ist Herbst. Und dazu passen nicht nur Kastanienmännchen und Schlechte-Laune-Gesichter, dazu passt auch das neue Album von Ben Howard, also zum Herbst, nicht zur schlechten Laune. Es ist sein zweites Album, um genau zu sein: "I forget where we were"

Für sein Debüt vor zwei Jahren wurde Ben Howard mit Lob und Preisen überschüttet. Und das völlig zu Recht. Er ist ein begnadeter Gitarrist, experimentiert gerne mit neuer Spieltechnik. Musikalisch inspiriert wurde er vom Plattenschrank seiner Eltern, der voll war mit Joni Mitchell und Bob Dylan.

Ja, Ben Howard ist Singer/Songwriter. Nein, er geht nicht unter in der Schublade, in der auch Jack Johnson, James Blunt und Jason Mraz stecken. Seine Stücke sind auch gerne mal sechs oder sieben Minuten lang, sie sind nicht zwanghaft auf gute Laune aus, sondern kommen eher melancholisch, manchmal auch düster daher, zum Glück ohne Herbstdepression.

Ja, Sie hören ganz recht: Neil Diamond gibt es immer noch. Wenn man es genau nimmt, auch Singer/Songwriter, obwohl ihn so niemand nannte als er vor gut 50 Jahren anfing Songs zu schreiben. Und Heute, 125 Millionen verkaufte Alben später, erscheint sein neuestes Werk "Melody Road".

Der Solitary-Mann mit der tollen tiefen Stimme beweist, dass man auch mit 73 wunderbar schmachtende und gefühlgeladende Liebeslieder schreiben kann. Und Geigen und Hörner sind dazu auch noch geschickt eingesetzt. Neil Diamond hat sie einfach drauf, diese großen Melodien, die vor allem uns Frauen zum Träumen bringen und tief ein- und ausatmen lassen. Und, wer beim herbstlichen Lagerfeuer beeindrucken will: es gibt eine Deluxe Version des Albums mit allen Texten und Akkorden.

An Neil Diamond kommt er noch nicht ran, aber immerhin schon gut 30 Jahre im Geschäft ist dieser Mann: Weltenbummler, Fotograf und ein Drittel von Die Ärzte - Farin Urlaub hat sich mal wieder eine Auszeit von den Ärzten genommen, um mit seinem Racing Team ein neues Album aufzunehmen: Faszination Weltraum. Die Platte hat genau gar nichts mit Weltall oder Raumfahrt zu tun. Dafür schrammelt sich Farin Urlaub durch 15 Lieder, mit gewohnt eingängigen Gitarrenriffs und ordentlich Druck. Die Texte kommen eher aus der Kategorie Gesellschaftskritik: architektonisch verunstaltete Innenstädte und Schwachmaten werden besungen.

Fans sind grundsätzlich konservativ - hat Farin Urlaub mal in einem Interview gesagt. Daran hat er offensichtlich auch gedacht, als er das Album aufgenommen hat. Es gibt keine Überraschungen, Farin Urlaub bleibt seinem Sound treu. Gewohnheitstiere wird es freuen, bei allen anderen könnte "Faszination Weltenraum" einfach so vorbeirauschen, egal wie laut und schrammelig das Album ist.