Rockabilly trifft Funk
Ein grandios lockeres Rock-'n'-Roll-Album, analoge Retro-Sounds und Disco-Experimente eines Garagenrockers. Das sind diesmal die Platten in unserer Rubrik "Muss man gehört haben – oder auch nicht."
Waterboys "Modern Blues"
"Zurück zu den Wurzeln" ist das Motto des neuen Waterboys-Albums "Modern Blues", deren musikalischer Kopf Mike Scott seiner Band nach vier Jahren Pause wieder eine musikalische Richtungsänderung verpasst hat. Nach den Folkplatten der letzten Dekade ist "Modern Blues" wieder ein grandios lockeres Rock'n'Roll-Album geworden, mit dem Scott mit seinen Waterboys wieder zum Ausgangspunkt seiner Karriere zurückgeht. Dazu hat die Band ein Studio in Memphis gebucht und die Songs nach alter Tradition live zusammen eingespielt. Eine weise Entscheidung, denn dort hat die Gruppe den heißen, stampfenden Südstaaten-Soul aufgesogen und damit ihren großartigen Irish-Rocksongs einen mitreißenden Kick verpasst.
Mike Scott und seinen Waterboys ist das beste Album seit vielen Jahren gelungen und in dieser Form ist mit der Band, die einst zeitgleich mit U2 und den Simple Minds startete und leider nicht den gleichen Ruhm erntete, auf jeden Fall wieder zu rechnen.
Kitty, Daisy & Lewis "The Third"
Reminiszenzen an die Vergangenheit sind auch das Geschäft von Kitty, Daisy & Lewis. Drei Geschwister aus London, die mit ihrem dritten Album "The Third" ihren anlogen Retro-Sound aus Rock'n'Roll und Rockabilly ein wenig in Richtung Boogie, Reggae bis hin zum Funk ausbauen. Auch wenn dem Trio all meine Sympathien gehören, muss man doch feststellen, dass erstens der Sound nun doch langsam glatter wird und dadurch die Ecken und Kanten etwas fehlen, und zum zweiten muss dringend in Sachen Songwriting nachgebessert werden.
Ein netter Song, der aber doch schnell wieder vergessen ist, wie die meisten Songs des Albums. Nichts desto trotz ist Kitty, Daisy & Lewis vom Sound her wieder ein hübsches Album gelungen, dem leider nur ein paar klasse Songs fehlen.
Hanna El Khatib "Moonlight"
Auch Hanni El Khatib geht auf seiner neuen Veröffentlichung "Moonlight" neue Wege. Hatte sich der kalifornische Retro-Rocker zuletzt noch von dem Black-Keys-Musiker Dan Auerbach produzieren lassen, wählte er für sein neues Album den Alleingang. Dadurch klingt seine Musik noch reduzierter, schroffer und dreckiger – kratzige Gitarren beißen sich mit Stakkato-Drums auf halligem Untergrund, in deren Umgebung sich Khatib hörbar wohlfühlt.
Hanni El Khatib hat seine Einflüsse auf "Moonlight" erweitert und experimentiert mit Soul und Disco, was zwar musikalisch noch nicht vollkommen befriedigt, aber zeigt, dass er auf einem guten Weg ist. Auch hier gilt, der richtige, große Song für den Durchbruch ist noch nicht dabei, aber zutrauen kann man es dem Garagenrocker.