Neuerscheinungen

Viel Disco, aber nicht nur

Jimmy Somerville macht seit den 80er Jahren Musik.
Jimmy Somerville macht seit den 80er Jahren Musik. © imago / iImages
Von Oliver Schwesig |
Das Fundstück der Woche ist Jimmy Somervilles neue Platte "Homage" - bei der man sich fragt, warum er sie nicht schon früher gemacht hat. Enttäuschend dagegen: "Rebel Heart" von Madonna. Von Queen of Pop ist da nichts zu hören.
Umzingelt von Revivals sind wir dieser Tage. Aber wenn Sie mich fragen: Warum nicht? Lieber gut nachgespielt, als schlechtes innovatives Rumgestocher. Aber dazu später. Was uns zu dieser Band hier bringt: Tuxedo und ihr gleichnamiges Album. Dahinter steckt der amerikanische Soul-Musiker Mayer Hawthorne, der sich den Produzenten Jake One geschnappt hat. Zusammen streifen sie durch die schwarze Musik der späten 70er und frühen 80er.
Tja und wir hören: Auf der Suche nach Inspiration ist der Neo-Soul Betrieb jetzt im Boogie und Elektrofunk der 80er angekommen. Synthesizer und Elektro-Bass sind der neue Soul. Tuxedo zeigen viel historisches Gespür. Bis in kleinste Sound-Teilchen, bis zum letzten Uh und Ah wird hier alles stilgerecht dargeboten. Das grandioseste an dieser Platte aber ist der sahnige Hochglanz Groove, den die beiden in jedem Song genüsslich zelebrieren.
Großartige Platte von Jimmy Somerville
Ah, und Stichwort Revivals – den haben wir ja völlig aus den Augen verloren: Jimmy Somerville. Der kleine Schotte meldet sich zurück mit – ja, Überraschung – einem Disco-Album. Schon nach den ersten Takten dieser großartigen Platte fragt man sich: Ja, wieso hat er das nicht schon früher gemacht? Im Interview erzählte er mir vor ein paar Tagen, der Zeitpunkt war nie der richtige und überhaupt, er habe sich ja auch nie getraut. Keine falsche Bescheidenheit, lieber Jimmy. Hier stimmt doch alles bis auf i-Tüpfelchen.
Quincy Jones, Sister Sledge oder Donna Summer. Alle wichtigen G-Punkte der Disco-Zeit berührt Jimmy Somerville auf dieser Platte "Homage". Zwei Dinge machen dieses Album so wundervoll: Zum einen, Jimmy Somerville spielt nicht nur die Songs von damals nach, sondern hat 12 neue Stücke im Disco-Stil komponiert. Und er fächert dabei die ganze Pracht des Genres auf: Streicher, Bläser, Chor, Handklatscher und blubbernder Bass. Schlichtweg perfekte Tanzmusik. Das zweite Geheimnis dieser CD ist der Mann im Hintergrund: der Produzent John Winfield. Der hat in meinem Augen etwas ganz Tolles gemacht. Im Zeitalter des digitalen Overkills liefert er eine analoge, ausgewogene kristallklare Produktion. Auch das kennzeichnet nämlich die Disco-Musik der 70er. Ein Hörgenuss auf allen Ebenen.
Madonna findet ihre Spur nicht
Ja, richtig Madonna. Die will's auch nochmal wissen auf "Rebel heart", ihrem 13. Album. "Da ist einfach zu viel los" – notierte zu dieser Platte ein englisches Magazin. Und das trifft's auf den Kopf. Knapp ein Dutzend Produzenten durften sich versuchen an den Songs von Mutti Madonna. Und man merkt diesem Klangbrei vor allem eins an: Madonnas Angst, den Anschluss zu verpassen. Sie klinkt sich in alle aktuellen Strömungen ein von Post-Dubstep bis House und Industrial.
Ich find's ja fast amüsant, wie sich Madonna hier verzettelt im Produktionshandschriften Wirrwarr. Aber dieses Album findet seine Spur nicht. Das passt problemlos in jeden Tanzschuppen von Schwäbisch Hall bis Bangkok. Und in jedes Radio sowieso. Soll es auch. Aber dann frag ich: Ja, und nun? Wenn nämlich nicht Madonna drauf stünde, würde dieser Metro-Dance-Welt-Pop verschwinden zwischen all den anderen Damen in diesem Genre. Die viel zitierte Neuerfindung der Queen of Pop ist das auf keinen Fall.
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