Carlos Santana und der Segen vom Truthahn
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Seit den späten 60ern predigt Carlos Santana die Botschaft von Liebe und Frieden. Der US-Musiker mit mexikanischen Wurzeln hat damit Rockgeschichte geschrieben. Das neue Album des 74-jährigen Ausnahmegitarristen ist hippiesk und überraschend radikal.
"Manche Leute glauben, nur der Papst oder der Dalai Lama würden Segen spenden", sagt der US-amerikanische Rockmusiker Carlos Santana. "Dabei können wir das alle – zum Beispiel mit dem Truthahn, den wir am Erntedankfest zubereiten. Das ist wichtig, denn es bedeutet, seine positiven Gedanken zu nutzen, um andere Menschen an einen Ort zu führen, an dem sie ihr eigenes Licht feiern können." Diese Kraft habe auch die Musik. "Sie gibt uns ein göttliches Gefühl."
Carlos Santana wähnt sich auf einer Mission – als musikalischer Mutmacher und spiritueller Ratgeber. Er will Licht in das Dunkel der heutigen Zeit bringen, uns Hoffnung im Kampf gegen Corona machen und alternative Gedanken zur individuellen Selbstfindung offerieren. Das ist sein Segen, der vielleicht das eine oder andere kleinere Wunder bewirkt.
Doch sein neues Album "Blessings And Miracles" ist nicht nur das hippieske Manifest eines idealistischen 74-Jährigen, es gibt sich auch überraschend direkt und radikal. In "America For Sale" wettert Santana gegen multinationale Großkonzerne wie Amazon, die ihre Macht mehr zum Wohl der Allgemeinheit einsetzen sollten. In "Peace Power" solidarisiert er sich mit der "Black Lives Matter"-Bewegung – zur Verbesserung unserer Gesellschaft:
"Ich bin damit aufgewachsen, Solidaritätskonzerte für die Black Panther, die amerikanischen Ureinwohner, Mexikaner und die LGBT-Bewegung zu spielen. Einfach, weil zu viel Gewalt vonseiten weißer Rassisten herrscht." Darum gehe es auch in "Peace Power", so Santana: "Seine Kraft zu nutzen und das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen."
"Immer hungrig auf mehr"
In dem Stück singt auch Corey Glover von Living Colour. Ein repräsentativer Song für ein Album, auf dem Santana deutlich rockigere, härtere Töne anschlägt, gleichzeitig aber auch immer wieder in R&B, Latin-Pop und karibische Vibes vorstößt – und nicht weniger als fünf Instrumental-Stücke serviert.
"Ich albere mit allem Möglichen herum, bin dabei aber durchaus ernst. Schließlich bin ich ein multidimensionaler Mexican – mit großem CAN – und immer hungrig auf mehr." Seit er als Kind von Stadt zu Stadt gereist ist, geht es ihm darum, Musik zu spielen. "1970 habe ich dann Europa entdeckt – und somit die italienische, indische und japanische Küche. Ich erachte mich selbst als jemand, der immer neue Gewürze für ein delikates Leben findet."
Als Nächstes ein Heavy-Metal-Album?
Immer auf der Suche, immer offen für Neues und immer mit Haltung und mit musikalischer Virtuosität. Ein Ansatz, der ihm ungebrochene Popularität und die geballte Anerkennung seiner Kollegen beschert. Auf Album Nummer 26 wird Santana von illustren Gästen wie Steve Winwood, dem im Februar verstorbenen Pianisten Chick Corea, Mitgliedern von Metallica, seinen Kindern Stella und Salvador sowie Ehefrau Cindy Blackman begleitet.
Neben einer Tournee plant der Althippie auch schon ein weiteres Projekt, das sehr interessant werden könnte:
"Ich wollte schon immer ein Heavy-Metal-Album in der Manier von AC/DC, Metallica oder Led Zeppelin machen – einfach, weil ich diese Energie liebe. Es ist dieselbe wie damals bei Peter Green, Cream und Hendrix. Außerdem rede ich mit Eric Clapton und Derek Trucks über ein Album als ´Eric, Derek und der Mexikaner´. Also Musik in der Manier von ´The Good, The Bad and The Ugly´ – der Soundtrack zu einem kosmischen Western, der das Unbekannte auslotet."