Neues Album der Foo Fighters

Refrains wie ein durchgetretenes Gaspedal

05:39 Minuten
Ein Gitarrist mit langen, schwarzen, verschwitzten Haaren steht auf einer Bühne vor blauem Hintergrund, seine rechte Hand liegt auf den Saiten seiner Gitarre, die linke hält er auf Kopfhöhe in die Luft.
Als Homeschooling-Daddy fühlt sich Dave Grohl von den Foo Fighters fehlbesetzt. Er hofft deshalb auf eine baldige Tournee. © imago images/Marcelo Sayo
Von Marcel Anders |
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Das Album "Medicine at Midnight" der Foo Fighters, dem 2021 die Tournee hätte folgen sollen, klingt ein wenig wie eine Kampfansage gegen die Pandemie. Musikalisch stimmig und politisch, bietet es auch tanzbare Sounds mit Anklängen aus Funk, Soul und R&B.
"Über die Jahre hatten wir eine große Bandbreite an Sounds – von akustisch bis richtig krachig. Aber wir haben nie ein Party-Album gemacht", sagt David Grohl, der in seinem Homeoffice in Kalifornien sitzt."
Also dachte ich: Wir sollten etwas probieren, zu dem die Leute richtig rumhüpfen können. Da habe ich mich an einige meiner Lieblings-Alben aus den 80ern erinnert – an The Power Station, David Bowie und die Rolling Stones mit "Tattoo You". An so etwas hatten wir uns noch nicht versucht."
Die Suche nach neuen Herausforderungen äußert sich auf "Medicine At Midnight", dem zehnten Werk der Foo Fighters, in ungewohnten Funk-, Soul- und R&B-Einflüssen. Ein Sound mit viel Groove, elektronischen Beats, aber auch komplexen Rhythmen. Und damit das bislang poppigste, synthetischste Werk einer ansonsten eher bodenständigen Band.

Hommage an Lemmy Kilmister

Trotzdem, so Grohl, sei es kein Dance-Album - eher ein kleines Experiment mit modernster Produktionstechnik. Nur: Unter den neun Stücken finden sich auch wieder typische Foo-Fighters-Kompositionen mit hymnischen Refrains, durchgetretenem Gaspedal und einer kräftigen Portion Punk- und Hard Rock. Etwa "No Son Of Mine", eine Hommage an Lemmy Kilmister von Motörhead.
"Irgendwo in meiner Psyche gibt es eine Sektion, die sich Motörhead verschrieben hat. Sie ist einfach da – seit meinen Teenager-Tagen. Wenn in einem unserer Songs so ein klotziges Gitarrenriff auftaucht, stammt es ganz klar aus dem Lemmy-Bereich. Ich wünschte, er würde noch leben und könnte das hören. Dann würde er verstehen, wie stark er mich beeinflusst hat und wie sehr ich Motörhead liebe."
Ein Song, der für eine beruhigende Erkenntnis sorgt: Grohl und seine Mitstreiter bleiben sich treu – selbst, wenn sie auf "Medicine At Midnight" ein bisschen über den eigenen Tellerrand schielen und für anfängliche Verwirrung sorgen. Doch auch die Texte setzen auf Bewährtes: Ein stimmiger Mix aus Liebesliedern, Geschichten über den Rock´n´Roll-Lifestyle und Gedanken zum sozio-politischen Klima in den USA. Das, so formuliert es Grohl, würde ihn schon sein ganzes Leben begleiten – und belasten.
"In den 70ern und 80ern, war meine größte Angst ein nuklearer Krieg. Denn zu der Zeit gab es Spannungen und ein Wettrüsten mit Russland – und ich hatte Albträume über Raketen und Waffen. Als es 2019 zum Disput mit Nord-Korea kam und das jeden Tag in den Nachrichten lief, meinte meine elfjährige Tochter: 'Daddy, ziehen wir in den Krieg?´ Was mich daran erinnert hat, wie ich mich in ihrem Alter gefühlt habe. Ich dachte: ´Wie schlimm, dass Kinder mit solchen Sachen konfrontiert werden. Also, habe ich übers Aufwachsen in einer Zeit geschrieben, in der man Angst vor etwas so Düsterem haben muss."

Musikalisch nicht sehr innovativ, aber politisch aufrecht

Ein Stück, das Grohls politischem Profil entspricht: Der bekennende Demokrat spricht sich seit Jahren gegen Rassismus, Homophobie und für strengere Waffengesetze aus. Zudem war er einer der wenigen Künstler, die sich im Präsidentschaftswahlkampf offen für Joe Biden eingesetzt haben.
Mit inzwischen 52 Jahren hält Grohl an Punkrockidealen fest, bedient aber ein Massenpublikum: Mit Rockmusik, die vielleicht wenig innovativ ist, aber das gewisse Etwas hat und auf ein dankbares Echo stößt. Außer bei seinen Töchtern, die vierzehn, elf und sechs sind – und ihren Teil dazu beitragen, dass Grohl nach einem Jahr Corona so schnell wie möglich zurück auf die Bühne möchte.
"Ich habe ein Kind, das Musiker werden möchte – und zwei, die mich behandeln, als wäre ich der Hausmeister. Ständig heißt es: ´Das ist Daddys Job.´ Ich kann es kaum erwarten, da rauszukommen." Rockstars im Homeschooling-Blues. Kinder können grausam sein…
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