Reggae, der die Probleme eines ganzen Kontinents verhandelt
06:42 Minuten
Auf dem Album "Le mond est chaud" legt sich der ivorische Reggae-Star Tiken Jah Fakoly mit der korrupten Elite der Elfenbeinküste an. Er möchte Menschen in seiner Heimat zum Tanzen – aber auch zum Nachdenken bringen. Fazit: So muss Reggae 2019 klingen.
"Le mond est chaud" – die Welt ist warm – hat Tiken Jah Fakoly sein neues Album genannt, und damit ist nicht das Badewetter am Strand der Elfenbeinküste gemeint.
"Ich habe den Titelsong geschrieben, weil die Zeit drängt. Das Klima verändert sich, unser Planet leidet – und trotzdem machen wir einfach so weiter wie bisher. Die Natur kann nicht mit uns sprechen. Sie kann uns nur Hinweise geben. Aber wenn wir diese Hinweise nicht beachten, dann werden unsere Kinder eines Tages die Konsequenzen tragen."
Korrupte Eliten und Hassprediger
Tiken Jah Fakoly ist ein Mann der klaren Worte: Egal ob es um die korrupten Eliten in seiner Heimat Elfenbeinküste geht, um nationalistische Hassprediger oder die Ausbeutung afrikanischer Bodenschätze durch europäische Firmen – wenn ihm etwas gegen den Strich geht, dann sagt er es auch. Ähnlich wie seine großen Vorbilder Bob Marley und Burning Spear will er die Menschen mit seiner Musik nicht nur zum Tanzen bringen, sondern auch zum Nachdenken. Schließlich, sagt Fakoly, gehe der Klimawandel alle an – auch die Menschen in Afrika.
"Das Klima wandelt sich bei uns auch. Klar! Aber die Leute achten nicht so darauf. In Afrika sagen die Leute immer: Das ist Gottes Wille! Die Erde erwärmt sich? Dann hat Gott es wohl so gewollt. Das macht es den Verantwortlichen leicht. Dabei kann man die Ursachen ganz klar benennen. In der Elfenbeinküste beispielsweise wurden seit der Unabhängigkeit 60 Prozent der Wälder abgeholzt. Und warum wurde dieser Wald abgeholzt? Wegen der Korruption!"
So muss Reggae 2019 klingen
"Le mond est chaud" ist Tiken Jah Fakolys zehntes Studio-Album und es ist sein bislang bestes. Musikalisch dicht gewebt, mit Anleihen an Dub-Reggae, französischen Rap und die westafrikanische Kora zeigt der Ivorer, wie Reggae im Jahr 2019 klingen muss. Diese Musik ist keine Ganja-selige Klangtapete für die Sommerparty am Baggersee, hier werden die drängenden Probleme eines ganzen Kontinents verhandelt – auch die Migration: In dem Stück "Libya" singt Fakoly über junge Männer, die mit großen Träumen in ihrer Heimat aufbrechen, die unterwegs mehr und mehr von ihren Hoffnungen und Idealen aufgeben und die am Ende Opfer von verbrecherischen Schlepperbanden werden.
"In diesem Lied wende ich mich an meine afrikanischen Brüder, die sich auf den Weg nach Europa machen wollen. Ich sage ihnen, dass die Straße sehr schlecht ist – le route n’est pas bon. Unterwegs lauern Gefahren, es lauern die Sklaverei und der Tod und es lauert auch die Erniedrigung. Wer seine Heimat aufgibt und sich in die Sklaverei begibt, der erniedrigt nicht nur sich, der erniedrigt auch sein Volk. Darum geht es in 'Libya' – und ich hoffe, dass dieses Lied wenigstens zwei oder Menschen davon überzeugt, zu Hause in Afrika zu bleiben."
Morddrohungen und Gang ins Exil
Mit seiner Offenheit hat sich Tiken Jah Fakoly in seiner Heimat nicht nur Freunde gemacht: Immer wieder hat der Sänger im Laufe seiner Karriere Morddrohungen erhalten, er hat viele Jahre im Exil in Mali verbracht und einige gute Freunde bei Attentaten verloren. Dennoch: Aufzuhören ist für Fakoly keine Option – schließlich hat der Mann eine Mission:
"Ich kann nicht sagen, dass ich keine Angst hätte. Natürlich habe ich Angst. Das ist normal: Ich habe Kinder, die wollen dass ihr Papa noch ein bisschen lebt. Doch wenn Martin Luther King seiner Angst nachgegeben hätte, wäre Barack Obama niemals Präsident der USA geworden. Wenn ich singe oder wenn ich Texte schreibe, vergesse ich die Angst. Weil das Ziel wichtiger ist als meine Angst, weil ich die Leute über die Ungerechtigkeiten in Afrika und die Ungerechtigkeiten in der Welt informieren will."