Conchita WURST ist noch bis Mitte März 2020 auf Tour.
"Viel Freiheit, wenn man sich nicht so ernst nimmt"
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Mit der Kunstfigur Conchita Wurst siegte der österreichische Musiker Tom Neuwirth 2014 beim Eurovision Song Contest. Doch irgendwann sei er gelangweilt gewesen, sagt er. Das neue Album klingt anders - und war Anlass für eine Ego-Überprüfung.
Gewinnerin des Eurovision Song Contest 2014, Geschäftsmann, der – wie wohl alle im Unterhaltungsbusiness – auch sich selbst verkauft, engagierte Kämpferin für Diversität und Menschenrechte: Der österreichische Musiker Tom Neuwirth schuf die Kunstfigur Conchita Wurst mit wallendem Haar, Bart und auffälligen Kleidern. Inzwischen haben sich zwei Kunstfiguren entwickelt: Conchita und WURST. Und es gibt ein neues Album: "Truth over Magnitude".
Conchita, WURST, Tom Neuwirth – wer ist er eigentlich? "Ich habe keine richtige Antwort darauf", sagt er. "Denn ich bin alles, was ich sage, bin und tue. Wenn es um den Namen geht, ist alles erlaubt. Ich sage immer, am Ende ist es immer Wurst."
Mit der Figur Conchita Wurst habe er sich "reduziert auf die Präsidentengattin in mir". "Die kann ich ja auch sein, aber eben nicht nur." Statt Popballaden ist auf dem neuen Album nun Elektropop zu hören. Er sei unglücklich gewesen und gelangweilt von dem, was er gemacht habe. "Ich habe mich so sehr reduziert, dass es mir keinen Spaß mehr gemacht hat. Und dachte mir: Warum mache ich denn die Musik, die ich privat höre, nicht auch beruflich?" Der großen Geste blieb er aber treu – etwa mit dem Albumtitel "Truth over Magnitude" oder dem Titel des ersten Songs "Trash All the Glam".
Die Arbeit an diesem Album habe für ihn auch bedeutet, das eigene Ego anzuschauen: "Sich auch mal einzugestehen, dass man eben nicht immer nur toll ist." Dass man auch Schwächen habe und sich auch entschuldigen müsse. "Ich habe immer ein sehr lautes Mundwerk und bin immer sehr schnell mit meiner Meinung." Er wisse, dass das verletzten kann. "Das gibt viel Freiheit, wenn man sich selbst nicht mehr so ernst nimmt."
"Dieses Hasskonzept, das verstehe ich nicht"
Trotz des Wandels ist die Figur Conchita Wurst mit der wallenden Mähne, den schicken Abendkleidern und der Pelzstola weiterhin sehr präsent in der kollektiven Erinnerung. "Ich glaube, dass es wahrscheinlich aus geschäftlicher Sicht vielleicht nicht so unklug gewesen wäre, wenn ich mehr darüber nachgedacht hätte", sagt er. Aber es sei ihm auch ein bisschen egal gewesen.
Das, was er jetzt mache, sei "weniger politisch, als es Conchita war oder ist". Denn der Fokus liege auf ihm selbst. Trotzdem sei er ein politisch interessierter Mensch. "Ich weiß, das ist jetzt ein bisschen eine Miss-Universe-Antwort. Aber ich würde mir wünschen, dass wir alle verstehen, dass wir alle Platz haben. Es ist vollkommen in Ordnung, verschieden zu sein. Es wird niemandem etwas weggenommen. Dieses Hasskonzept, das verstehe ich einfach nicht."
(abr)