Neues Album von Cristina Branco

Jenseits des klassischen Fado

Die Sängerin Cristina Branco lächelt im Interview und spielt dabei mit der rechten Hand in ihren Haaren
Die Sängerin Cristina Branco im Interview © imago/Nuno Pinto Fernandes
Von Tilo Wagner |
Cristina Branco zählt zu jenen Fado-Sängerinnen, die dem "Blues der Portugiesen" neue, moderne Seiten hinzufügen. Für ihr neues, schlicht "Branco" genanntes Album hat sie den musikalischen Nachwuchs Portugals ins Studio eingeladen.
So klingt kein Fado. Ein prägnanter Rhythmus, ein dominantes Klavier und darüber die unverkennbare Stimme von Cristina Branco. Die portugiesische Sängerin, die mit ihrem Fado auf den europäischen Bühnen gefeiert wird, schlägt mit ihrem aktuellen Album "Branco" ein neues Kapitel ihrer 20-jährigen Karriere auf – und der weltbekannte Musikstil aus Portugal spielt dabei kaum eine Rolle:
"Mit meinem vorherigen Album habe ich einen Zyklus abgeschlossen und eine Veränderung in meiner Musik eingeleitet. Das neue Album 'Branco' öffnet nun neue Horizonte. Ich wollte keinen Fado machen, und deshalb klingt das Album anders. Ähnlich wie im Fado spielt die Moll-Tonart eine ganz wichtige Rolle, aber das ist auch ein Merkmal der portugiesischen Indie-Musik. Das Melancholische gehört ganz natürlich zur portugiesischen Musik dazu."

Es ist vor allem das Klavier, das den Unterschied macht. Seit ihrem im Jahr 2000 erschienen zweiten Studioalbum "Post Scriptum" arbeitet Cristina Branco eng mit dem portugiesischen Pianisten João Paulo Esteves da Silva zusammen – nicht nur auf ihren Soloalben, sondern zum Beispiel auch in einem gemeinsamen Jazz-Projekt mit Songs von Cole Porter. Das Klavier gehört eigentlich nicht zum Fado, aber für Cristina Branco ist das Instrument die ordnende Kraft in ihrer facettenreichen Musik:
"Das Klavier spielt eine ganz wichtige Rolle in der Entwicklung meiner Musik. Es macht die Musik subtil und elegant. Und das ist der Unterschied zum Fado. Im Fado spielen alle Musiker ihre Instrumente so, als ob sie alleine alles überstrahlen müssten. Das Klavier aber bändigt uns und weist uns allen eine ganz bestimmte Stimme zu. Wir alle, und dazu zähle ich mich als Sängerin natürlich auch, müssen eine gewisse Rolle übernehmen, in jedem Lied, in jedem Konzert, auf jeder CD."

Stimmen der jungen Generation

Auf ihrem neuen Album gibt Cristina Branco einer Generation von jungen portugiesischen Autoren und Komponisten eine Stimme, die eigentlich keine Berührungspunkte mit dem Fado haben. Da ist der angolanisch Spoken-Words-Künstler Kalaf Epalanga, der 25-jährige Songwriter Luís Severo oder Afonso Cabral, Komponist und Leadsänger der Independent-Band "You can’t win Charlie Brown". Branco hat die jungen Musiker eingeladen, die Songs für Ihr neues Album zu schreiben – ohne dass die 45-jährige ihnen irgendeine Orientierung gegeben hätte, wohin die Reise gehen soll:

"Vor ein paar Jahren habe ich gespürt, dass ich nicht richtig weiter komme. Ich habe mein Leben gelebt und es hat sich alles um mich selbst gedreht und auch meine Musik schien sich zu wiederholen. Mir kam es so vor, als ob ich in einem schnellen Zug sitzen und an allem vorbeirasen würde, was um mich herum geschieht. Ich habe es einfach versäumt, an der richtigen Haltstelle auszusteigen. Das habe ich jetzt gemacht. Und ich habe der neuen Generation einfach zugehört. Denn wir müssen jetzt von denen lernen, die gerade den Sprung in die Musikszene geschafft haben."

Musikalische und sprachliche Vielfalt

Herausgekommen ist ein beeindruckendes Werk mit zwölf einfühlsamen Songs, die von einer großen musikalischen und sprachlichen Vielfalt zeugen. Cristina Branco war selbst überrascht, was in den Songwritern steckt. In dem Lied "Eu por engomar" singt sie "O tempo dá, o tempo tira, o tempo cobra" – die Zeit gibt, die Zeit nimmt, die Zeit verlangt.

Es ist ein Text von André Henriques, der mit seiner Punkrock-Band "Linda Martini" in Portugal bekannt geworden ist. Dass sie diese Texte der außerhalb von Portugal noch unbekannten jungen Musiker nun auf ihrer Tournee durch Europa singt, ist für Cristina Branco auch ein Zeichen der Dankbarkeit an eine Generation, die ihrem musikalischen Projekt eine neue Richtung gegeben hat: Auf ihrem neuen Album beweist Cristina Branco einmal mehr, dass sie zu den talentiertesten und vielseitigsten Fado-Sängerinnen Portugals gehört.
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