"Du bist nicht das Problem"
07:01 Minuten
Gleich mehrfach wurde Michael Kiwanukas letztes Album „Love & Hate“ ausgezeichnet. Der Erfolgsdruck war danach dementsprechend hoch. Mit diesen Erwartungen spielt Kiwanuka jetzt auf seinem neuen Album „Kiwanuka“.
"Ich fand schon immer, dass Alben, die nach sich selbst betitelt sind, erst dann cool sind, wenn es sich nicht um das erste Album handelt. Es ist interessanter, wenn ein Künstler bereits mehrere Alben veröffentlicht hat. Mit diesem Album will ich sagen: Das bin ich", sagt Michael Kiwanuka.
Bei Album Nummer drei ist es für Michael Kiwanuka also Zeit, ein gleichnamiges Album zu veröffentlichen. Und weil Michael eher ein Allerweltsname ist, wie er selbst sagt, hat er sein neues Album "Kiwanuka" genannt. Im Interview erzählt der Brite mit ugandischen Wurzeln von seiner Heirat vergangenes Jahr, einem Umzug in ein neues Haus und von einem Welpen, den er vor kurzem adoptiert hat.
"Ich hatte schon immer das Hochstaplersyndrom"
Kiwanuka lacht viel und wirkt sympathisch normal. Ein ziemlicher Gegensatz zum neuen Albumcover. Darauf zu sehen ist ein gemaltes Bild von Michael Kiwanuka mit Goldkragen und weißem Pelzumhang. Er hat etwas von einem König. Größenwahn? Eher die ironische Interpretation des Themas dieses Albums.
"Ich hatte schon immer das Hochstaplersyndrom. Ich bin Sänger, ich bin ein Musiker und veröffentliche Alben. Aber ich erwarte immer, dass irgendwann jemand feststellt, dass ich eigentlich von all dem keine Ahnung habe. Nach jedem Lied, das ich veröffentlicht habe, dachte ich immer: Schön, dass es Leuten gefällt, aber von jetzt an geht es garantiert bergab. Irgendwann war ich es leid, immer so negativ zu denken. Deshalb hab ich mir gesagt: Schluss damit, ich bin wie ich bin und es ist ok, was andere sagen."
"Ich hab das Gefühl, dass es vor allem unter jungen Menschen in den USA und Europa viel Selbsthass gibt. Das Internet hat einen großen Anteil daran. Wir müssen wieder lernen, uns selbst zu akzeptieren und uns als Menschen wertzuschätzen. Darum geht es auf diesem Album. Manche von uns sind weiß, manche schwarz, eine ist ein Mädchen, eine Frau, oder was auch immer. Und genau wie wir sind, sind wir großartig."
Wenn Michael Kiwanuka das sagt, klingt es fast, als hätte er einen Soundtrack zu einem Selbstmotivationskurs eingespielt, voller positiver, mitreißender Lieder. Doch so ist es zum Glück nicht. Viel mehr macht dieses Album da weiter, wo der Vorgänger "Love & Hate" aufgehört hat. Auch diesmal hat er zusammen mit dem Überproduzenten Danger Mouse ein zeitloses Soulalbum mit orchestralen Streichern, Bläsern und einer Harfe eingespielt. Den Instrumenten wird viel Raum gelassen, teilweise sind die Stücke bis zu sieben Minuten lang. Lieder entwickeln sich. Schleichen sich fast heran und gewinnen dann immer mehr an Präsenz.
So persönlich wie noch nie
Musikalisch ist auf dem neuen Album kaum eine Weiterentwicklung zu hören. Das Erfolgskonzept des Vorgängers wird einfach weitergeführt. Textlich dagegen ist Michael Kiwanuka mutiger geworden, öffnet sich seinem Publikum und ist so persönlich, wie noch nie. Zum Beispiel in dem Lied "You Ain′t the Problem" - du bist nicht das Problem.
"Schon als ich zur Schule ging, war mir bewusst, dass ich anders war. Ich bin in einer typischen britischen Mittelklasse-Gegend aufgewachsen. Die anderen Eltern hatten zwei Autos, wir hatten gar keins. Jeder in meiner Klasse hatte sein eigenes Zimmer, meine ganze Familie hat in einem Zimmer gelebt. Die anderen Eltern hatten alle gut bezahlte Jobs, meine Eltern waren Gelegenheitsarbeiter. Unser Familienleben war wunderbar, aber als Kind will man einfach nur so sein, wie die anderen Kinder in der Schule."
"Später als Musiker habe ich in den sozialen Medien wie Instagram ständig geschaut, was andere Musiker machen und hab mich mit denen verglichen. Viele Menschen machen das. Aber ich bin das alles leid. Ich möchte mich einfach so akzeptieren, wie ich bin. Ich muss da noch viel lernen, bis ich ehrlich sagen kann: Ich bin ich und das ist in Ordnung."
Die Erwartungen an Michael Kiwanukas neues Album waren hoch. Gerade weil sein letztes Album so außergewöhnlich war. Hätte es dieses Vorgängeralbum "Love & Hate" nicht gegeben, könnte man durchaus auch das neue Album als außergewöhnlich bezeichnen. Aber so ist "Kiwanuka" eben nicht außergewöhnlich anders. Nichtsdestotrotz hat es Michael Kiwanuka auch diesmal geschafft, ein Album mit hohem Wiedererkennungswert vorzulegen. Soulmusik irgendwo zwischen 1960 und heute, mit einer unverwechselbaren Stimme. Und dann schaut man auf das Albumcover mit einem königsähnlichen Gemälde des Musikers und denkt sich: Michael Kiwanuka – der neue König des Souls? Warum nicht?