Neues aus dem Staate Dänemark

Dramatisch: "Hamlet" an der Komischen Oper Berlin.
Dramatisch: "Hamlet" an der Komischen Oper Berlin. © Monika Rittershaus, Komische Oper Berlin
Von Uwe Friedrich |
Shakespeare mal anders: Der Komponist Christian Jost hat "Hamlet" als Oper vertont. An der Komischen Oper Berlin hat Regisseur Andreas Homoki das Stück auf einer Kippbühne mit rotierender Wendeltreppe in zwölf Tableaus inszeniert.
Früher reichte es einem Komponisten, wenn ein Schauspiel einige schöne Anlässe zum singen bot, um daraus eine Oper zu machen. So bescherte Ambroise Thomas seinem Hamlet im 19. Jahrhundert einige markante Melodien und zudem der Ophelia eine grandiose Wahnsinnsszene. Die philosophische Gedankentiefe der Shakespeareschen Vorlage war ihm dabei herzlich egal - und alle waren zufrieden. So einfach geht das heute natürlich nicht mehr. Wenn der Berliner Komponist Christian Jost sich Shakespeare vornimmt, dann geht es mindestens um archetypische Grundprobleme unserer Kultur und des Menschseins überhaupt.

Dazu hat er das ausladende Drama zu zwölf mehr oder weniger unabhängigen musikdramatischen Tableaus tranchiert, für deren Verständnis die Kenntnis der Vorlage auf jeden Fall hilfreich ist. Er verlegte die berühmten Monologe in innere Stimmen, die er dem Chor überließ. Und damit niemand auf die Idee kommt, Hamlets Entscheidungsschwäche ginge nur die Männer etwas an, besetzte Christian Jost die Titelpartie mit einer Frau, der fabelhaften Mezzosopranistin Stella Doufexis.

Die weiße Spielfläche des Ausstatters Wolfgang Gussmann kann gekippt werden, sodass wir entweder von oben auf eine starke ansteigende Schräge schauen oder aus der Perspektive der schwarz gekleideten Geistererscheinungen und inneren Stimmen von unten auf den Lebensraum der kaputten Individuen am dänischen Hof. Die Ebenen sind verbunden durch eine rotierende Wendeltreppe, auf der munter hinauf und hinab geklettert wird.

Der Regisseur Andreas Homoki findet nach langer Zeit wieder zu einer konzentrierten Personenführung, mit der er die Beziehungen im Raum entwickelt. Das geht zwar nicht ganz ohne opernhafte Gesten ab, entwickelt in einigen Szenen jedoch einen albtraumartigen Sog. Dazu donnert das schwere Blech und die Schlagzeuger schonen ihre Pauken nicht. Wenn es ruhiger zugeht, dürfen auch die Streicher sämig aufblühen. Das ist alles handwerklich von Christian Jost blitzsauber komponiert und wird vom Generalmusikdirektor Carl St. Clair gut koordiniert.

Allerdings ordnet Jost sein musikalisches Material nicht sehr klar zu und zeigt sich auch nicht besonders abwechslungsreich oder gar überraschend in der Instrumentierung. Sozusagen eine Well-Made-Opera, immerhin. Aber selbst wenn sich alle Sänger noch so sehr für ihre expressiv gezackten Gesangslinien ins Zeug legen, noch so saubere Koloraturen singen wie Karolina Anderssons Ophelia, so charmant verzweifelt sind wie Tom Erik Lies Horatio oder mit überragender Bühnenpräsenz und Stimmschönheit aufwarten wie Stella Doufexis in der Titelpartie: Dieser neue "Hamlet" bleibt doch eine Oper von nur mittlerer Güte. Es fehlt ihr an eigener Sprache, an Kraft und emotionaler Wucht. Der Abend unterhält auf hohem Niveau, es wird exzellent gesungen und musiziert, das ist auch sehr ansehnlich inszeniert. Aber auf diese Musik hat der ewig zaudernde Dänenprinz ganz bestimmt nicht jahrhundertelang gewartet.

Hamlet
Oper von Christian Josts nach William Shakespeare
Premiere an der Komischen Oper Berlin
Regie: Andreas Homoki
Musikalische Leitung: Carl St. Clair