Die Tausendsassa der Lüfte
Viele Fledermaus-Arten haben eine für uns Menschen unhörbare "Sprache" entwickelt, um Weibchen anzulocken oder Konkurrenten abzuwehren. Zudem fressen sie massenhaft Insekten, können für uns Menschen aber auch sehr gefährlich werden.
Heimische "Zwergfledermäuse" bei der nächtlichen Jagd, hörbar gemacht mit einem Fledermausdetektor, denn Fledermäuse orten ihre Beute, Insekten, mit Ultraschall. Menschliche Ohren bekommen davon normalerweise nicht viel mit. Dr. Sabine Schmidt von der Tierärztlichen Hochschule Hannover kann die sonderbaren Klicklaute deuten. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Echoortung der Fledermäuse.
"Wir haben einmal eine Anpassung, dass natürlich die Lautdauern so angepasst sein müssen, dass sie der Flughöhe der Fledermaus entsprechen, weil ich darf ja nicht so lange rufen, dass das Echo schon zurückkommt, während ich noch rufe. Denn das Echo ist ja immer sehr viel leiser als der Ruf. Und ich würde praktisch mich selbst maskieren durch mein eigenes Geschrei, wenn ich nicht in der Pause das Echo zurückbekomme. Das heißt, ich muss die Rufdauern immer an den nächst liegenden Objekten abstecken."
Deshalb dauern die Ruflaute nur wenige Millisekunden, wahrnehmbar als kurzes Klicken. Doch Fledermäuse können mehr. Sie kommunizieren auch mit dem Schall. Es ist das Forschungsgebiet der Zoologin.
"Was wir hier gerade hören, ist der Kontaktruf und zwar der Fernkontaktruf. Ein einzelner Ruf, der aber aus mehreren Komponenten besteht, die wir als separate Elemente dieses Rufes wahrnehmen. Dieser Ruf wird dann, um Artgenossen anzulocken, viele Male wiederholt und in Serien geäußert."
Um das herauszufinden, musste die Forscherin bis nach Indien reisen – zum "falschen Vampir" – einer fleischfressenden Art mit übergroßen Ohren. Die Fledermäuse bilden stets kleine Gruppen. Über Monate, sogar Jahre hinweg, immer dieselben Tiere. Um sich an den Nachthangplätzen zu finden, müssen sie sich zurufen…
"Hier handelt es sich dabei um ein Werbeverhalten, das nur von männlichen Fledermäusen gezeigt wird, indem die Tiere Achten unterhalb der Weibchen fliegen. Und während dieser Achten unterhalb der Weibchen versuchen sie die Aufmerksamkeit des Weibchens auf sich zu ziehen. 1000 Mal, 500 Mal, klack dio, klack dio, klack dio, klack dio…"
Rufe mit sozialer Bedeutung sind deutlich länger als Laute, die der Orientierung dienen. Während bei der Echoortung nur ein kurzes Klicken zu hören ist, darf das Werben um ein Weibchen ruhig etwas länger dauern…
Der "indische falsche Vampir" kennt noch eine ganze Reihe unterschiedlicher Lautäußerungen: sogenannte "Kuschellaute", um kopfüber hängend an der Höhlendecke auf Tuchfühlung zu gehen. "Abwehrlaute" wiederum sollen fremde, nicht zur Gruppe gehörende Artgenossen fernhalten. Bemerkenswert dabei: Der falsche Vampir macht die Töne mit dem Mund, während die Töne für die Echoortung nasal über die Nase abgestrahlt werden.
"Es gibt Fledermausfamilien, die Nasenblätter tragen. Und es gibt welche, die keine haben. Und Fledermäuse, die Nasenblätter tragen, orten eben durch die Nase, das heißt, sie senden die im Kehlkopf erzeugten Ortungslaute bei geschlossenem Maul durch das Nasenblatt aus. Und dieses Nasenblatt hat den Vorteil, dass es den Echoortungsstrahl bündeln und richten kann – so ähnlich wie ein Megaphon. Es hat außerdem den Vorteil, dass ich schön weiter Echo orten kann, während ich gerade kaue. Ich kann sozusagen das Maul unabhängig von der Nase betreiben, während wenn ich durch das Maul orte und da etwas zwischen den Zähne habe, ist es eben etwas schwieriger."
In Deutschland kann das nur die sehr seltene "Hufeisennase". Alle anderen Fledermäuse müssen sich entscheiden: Entweder orten oder fressen. Dass viele Fledermausarten, auch hier zu Lande, die Kommunikation pflegen, da ist sich die Wissenschaftlerin sicher, denn Fledermäuse sind, wie überall auf der Welt, sehr soziale Tiere. Die Fledermausforschung steckt da aber noch in den Kinderschuhen.
Der Weg führt entlang am "Schwarzen Wasser". So heißt der muntere Bach, der wenig später in die Okertalsperre plätschert. Wanderer im Harz können nicht ahnen, dass nur ein paar Meter oberhalb, am Steilhang und gut versteckt zwischen Farnen und vermoderten Baumstämmen, der winzige Eingang zu einer Höhle liegt. Um dort hineinzukommen, muss sich Fledermausexperte Siegfried Wielert tief bücken und ein schweres Eisentor öffnen...
"Die Sucherei oder das Finden der Fledermäuse ist schon ein bisschen aufwändig. Man muss gut schauen. Man muss sehr genau schauen, man muss hinter jede Ritze, hinter jede Ecke schauen. Sonst findet man nicht viel. Und hier in der Spalte haben wir jetzt von der Art her noch etwas Besonderes. Weil die relativ selten ist im Harz, nämlich die ´Teichfledermaus`. Das ist die größere Schwester der ´Wasserfledermaus`. Beide Arten haben sehr große Füße und nehmen ihre Nahrung häufig, daher auch der Name, direkt von der Wasseroberfläche auf. Also Insekten, die auf der Wasseroberfläche schwimmen, werden insbesondere von der ´Wasserfledermaus` erbeutet. Und die Teichfledermaus ist noch eine Ecke größer und hat noch größere Füße. Und die ist schon dabei beobachtet worden, wie sie dicht über der Wasseroberfläche fliegend mit den Füßen im Wasser die Wasseroberfläche durchforstet und dann sogar ab und zu kleine Fische erbeutet. Und die sehen wir hier oben drin. Auch wieder schön versteckt und um die Ecke, in der Spalte, da oben hockt sie."
Die wandernden Fledermäuse
Zugvögel in typischer V-Formation. Den Winter haben die Graugänse im Süden Europas verbracht. Dieser Tage kommen sie zurück. Dass es neben Zugvögeln aber wandernde ´Fledermäuse' gibt, wissen die wenigsten. Dr. Rainer Hutterer vom Zoologischen Forschungsmuseum Alexander König in Bonn.
"Das Extrembeispiel ist die Rauhhautfledermaus, kaum größer als die Zwergfledermaus, die den Streckenrekord in Europa hält. Die Sommerquartiere liegen in Litauen, Lettland, Polen, Deutschland. Und den Winter verbringen die Tiere an der französischen Küste, an der italienischen Küste, Spanien. Sie fliegen da 1700 bis 1900 Kilometer. Und im Frühjahr dieselbe Strecke zurück zu ihren Sommerquartieren."
"Das Extrembeispiel ist die Rauhhautfledermaus, kaum größer als die Zwergfledermaus, die den Streckenrekord in Europa hält. Die Sommerquartiere liegen in Litauen, Lettland, Polen, Deutschland. Und den Winter verbringen die Tiere an der französischen Küste, an der italienischen Küste, Spanien. Sie fliegen da 1700 bis 1900 Kilometer. Und im Frühjahr dieselbe Strecke zurück zu ihren Sommerquartieren."
Rainer Hutterer weiß das so genau, weil Fledermäuse beringt werden. Nicht am Bein wie die Vögel. Sondern am Flügel, mit einer halboffenen Klammer aus Aluminium. 30 Jahre lang war er Chef der Beringungszentrale in Bonn. Beringt werden Fledermäuse in Höhlen, während sie Winterschlaf halten, oder sie landen in einem der Fangnetze, die in Europa zu Forschungszwecken aufgestellt werden.
"Beim ´Abendsegler, das ist eine große Fledermaus, dachte man früher, dass die Tiere den Winter bei uns verbringen, aber die Fortpflanzung fand überwiegend weiter nördlich statt. Inzwischen hat man auch in Deutschland Sommerquartiere gefunden, aber es gibt eben Arten, die nur einen Teil ihres Lebenszyklus bei uns verbringen. Den Winter oder den Sommer und dann hin und herpendeln. Und was jetzt unser Land überquert, so genau weiß man das nicht. Es sind jedenfalls tausende, zehntausende, hunderttausende von Fledermäusen, die Deutschland ständig überfliegen."
Wahrscheinlich sind es sogar viele Millionen Tiere, die jetzt im Frühjahr aus dem Süden kommend unser Land überqueren, um ins Baltikum, nach Russland und Polen zurückzukehren. Einer, der sich mit dem Zugverhalten der Fledermäuse gut auskennt, ist Dr. Christian Voigt vom Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin.
Wahrscheinlich sind es sogar viele Millionen Tiere, die jetzt im Frühjahr aus dem Süden kommend unser Land überqueren, um ins Baltikum, nach Russland und Polen zurückzukehren. Einer, der sich mit dem Zugverhalten der Fledermäuse gut auskennt, ist Dr. Christian Voigt vom Leibniz Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin.
"… zum Beispiel jagen sie während der Migration Insekten. Sie haben den Vorteil gegenüber den Vögeln, dass sie nachts, wenn sie migrieren, tatsächlich Insekten links und rechts jagen können und fliegen dann viele Stunden lang, viele Kilometer, auf diese Art weiter. Und das können Vögel nicht. Vögel können, wenn sie nachts migrieren, nicht nebenher noch was fressen, sondern sie müssen ihren Stoffwechsel allein über Fettverbrennung leisten. Das heißt, Vögel sind gezwungen, ab und zu zu rasten, um wieder Energie aufzunehmen."
Wo die Fledermäuse rasten, um tagsüber auf der Durchreise zu schlafen, das alles ist nur wenig erforscht. Bekannt ist nur, dass Fledermäuse, während sie viele Länder in Europa überfliegen, schon wieder an den Nachwuchs denken. Besonders die Männchen. Sie werben während der Migration um die Weibchen. Für Forscher wie Christian Voigt ein faszinierendes Schauspiel:
"Für einige migrierende Arten ist es nachgewiesen, dass die Männchen singen, was wiederum ganz selten ist im Säugetierbereich. Es gibt nur ganz wenige Säugetierarten, die tatsächlich singen. Der Mensch gehört dazu, einige Affenarten gehören dazu, Wale und eben auch Fledermäuse. Und Fledermäuse singen also während des Herbstzuges, die Männchen, und locken dann eben die über ihnen hinweg wandernden Weibchen in ihre Quartiere an und verpaaren sich dort."
Zwar singen viele Fledermäuse für uns Menschen unhörbar weit jenseits von 20.000 Hertz im Ultraschallbereich. Doch beim "Abendsegler" kann man seine Werbelaute – teilweise - auch ohne Detektor verfolgen. Doch wie finden die Tiere ihren Weg? Noch wichtiger: Welche Routen werden über Deutschland eingeschlagen? Die Beantwortung dieser Frage ist vor allem für Tierschützer wichtig. Die "Energiewende" in Deutschland hat dazu geführt, dass viele der migrierenden Fledermäuse mit den Windkraftanlagen kollidieren und fern der Heimat sterben. Im Baltikum ist die Sorge groß, dass die Energiewende den migrierenden Fledermäusen schadet, weiß Christian Voigt aus vielen Gesprächen.
Zwar singen viele Fledermäuse für uns Menschen unhörbar weit jenseits von 20.000 Hertz im Ultraschallbereich. Doch beim "Abendsegler" kann man seine Werbelaute – teilweise - auch ohne Detektor verfolgen. Doch wie finden die Tiere ihren Weg? Noch wichtiger: Welche Routen werden über Deutschland eingeschlagen? Die Beantwortung dieser Frage ist vor allem für Tierschützer wichtig. Die "Energiewende" in Deutschland hat dazu geführt, dass viele der migrierenden Fledermäuse mit den Windkraftanlagen kollidieren und fern der Heimat sterben. Im Baltikum ist die Sorge groß, dass die Energiewende den migrierenden Fledermäusen schadet, weiß Christian Voigt aus vielen Gesprächen.
"Wir finden Fledermauskadaver unter Windkraftanlagen und bestimmen dann, woher diese Tiere kommen und können nachweisen, dass ein Großteil dieser Tiere tatsächlich aus den nordöstlichen Regionen kommt. Also aus dem Baltikum, Russland, Weißrussland, Skandinavien. Und wir wissen, dass unsere politischen Entscheidungen, die wir im Rahmen der Energiewende treffen, dass die große Auswirkungen auf die Fledermauspopulation in diesen Herkunftsländern hat. Deswegen die große Sorge der Ökologen vor Ort: Was passiert eigentlich mit den Fledermäusen, wenn sie Richtung Süden wandern über Deutschland hinweg. Deutschland hat eine ganz zentrale geographische Lage in Europa und deswegen meines Erachtens auch eine ganz zentrale Verantwortung im Artenschutz gerade in Zeiten der Energiewende für den Schutz der migrierenden Fledermausarten."
Christian Voigt geht von 250.000 Fledermäusen aus, die durch eine Kollision mit Windkraftanlagen in Deutschland sterben. Zwei Drittel davon ausländische Populationen auf der Durchreise. Der Forscher fordert, die Betriebszeiten der Anlagen besser auf die Wanderungszeiten der Fledermäuse abzustimmen. Und Betriebsanlagen nur dort zu genehmigen, wo keine Fledermausrouten liegen.
Die Autobahn A7 liegt in Hörweite. Hier, in einem Wäldchen in Berkhof, zwischen Hamburg und Hannover. Mitglieder vom Naturschutzbund NABU schaffen Ziegelsteine heran, mischen Beton und schwingen die Maurerkelle. Mit dabei: Bernd Rose, NABU-Fledermausexperte der Region.
"Wir sind hier in einem neu gefertigten Fledermauswinterquartier. Das ist ein ca. sechs Quadratmeter großer, ja ehemaliger Keller bzw. Trafoturm, so genau weiß man das nicht mehr. Der wird entsprechend Fledermausgerecht umgebaut. Das heißt also, er muss entsprechend frostsicher gebaut werden. Es wird Wasser eingeleitet. Wir haben hier eine ganze Menge Steine eingebracht. Hohlblocksteine nennen wir das. Das sind alles Steine mit vielen, vielen Löchern drin. Und dort verziehen sich die Fledermäuse im Winter. Dort in diesen Löchern halten sie ihren Winterschlaf. Die Bestände haben sich in den letzten 20 Jahren Gott sei Dank ganz leicht erholt. Wir werden natürlich nie wieder die Bestände bekommen, die wir vor 50, vor 100 Jahren hatten. Da war der Gifteintrag einfach viel zu groß. Die Landschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten auch geändert. Die Fledermäuse kämpfen nach wie vor noch, um zu überleben. Wir sehen aber: In dem Moment, wo wir neue Winterquartiere bauen und in meinem Bereich sind es in den letzten zehn Jahren 35 künstliche Winterquartiere geworden, die wir errichtet haben. So können wir zumindest, was die Winterquartiere angeht, sagen, jawohl, der Bestand geht aufgrund dieser überwinternden Fledermäuse leicht nach oben."
Fledermäuse als Virenträger
"Meliandou", ein Dorf in Guinea. Das Gebiet ist für afrikanische Verhältnisse dicht besiedelt. Eine Straße führt in das benachbarte Sierra Leone. Vereinzelt stehen Bäume in der aufgeräumt wirkenden Landschaft. Ebola-Erreger erwartet man eher woanders, im kongolesischen Urwald, an den feucht-tropischen Ufern des berühmt berüchtigten "Ebola-Flusses", mehr als 5000 Kilometer entfernt. Und doch begann genau hier, in Meliandou, die jüngste, verheerende Ebola-Epidemie. Dr. Fabian Leenderts vom Robert-Koch-Institut hat den Ort im vergangenen Jahr, während die Seuche grassierte, unter die Lupe genommen.
"…und dann sind wir eben in das Dorf gegangen, wo die ganze Geschichte losgegangen ist und haben uns mehr als eine Woche lang angeschaut, wie die Menschen in Kontakt mit Flughunden und Fledermäusen kommen. Dann kam eben auch raus, dass es ein zweijähriger Junge war, der der Indesfall war, also der erste Mensch, der eben dieses Ebolavirus hatte, und dann haben wir uns sehr mit den Kindern beschäftigt, und geguckt, was machen denn die Kinder eigentlich in den Dörfern. Und so sind wir dann langsam darauf gekommen, dass Kinder auch große Jäger sind. Die jagen mit Stöcken unter Strohdächern die kleineren Fledermäuse. Und das war schon ein interessanter Befund, denn daran hatte keiner gedacht. Alle dachten, es sind eher so diese typischen Flughundjäger, die Männer, die jagen gehen, die in Kontakt mit den Tieren sind, aber nein, es können eben auch die Kinder sein."
Wissenschaftler vermuten schon seit langem, dass Ebola-Viren durch Flughunde und Fledermäuse verbreitet werden. Entweder, sie essen die Flattertiere oder aber infizierte Affen, die sich vorher schon bei den Fledermäusen angesteckt haben. Nachgewiesen wurde dies bislang nur beim Marburg-Virus, ein naher Verwandter von Ebola. Noch ein starker Hinweis: Fledermäuse und Flughunde bleiben gesund, während Mensch und Affe an der Infektion sterben. Doch auch in Meliandou bleibt es bei vagen Vermutungen.
"Es gibt noch keine schlüssigen Daten zu Ebola-Viren in Flughunden oder Fledermäusen. Es gibt nur eine Studie, die Stücke des Erbguts in drei Flughundarten gefunden haben. Aber das ist der beste Beweis, den es bis jetzt gibt. Das heißt, hätten wir jetzt Erbgut von den Ebola-Viren in Fledermäusen gefunden, was sehr nahe oder identisch gewesen wäre mit dem Ebola-Viren, die gerade beim Menschen zirkulieren, dann wäre das ein Durchbruch in der Ebola-Forschung gewesen."
Universitätsklinikum Bonn. Von der Bushaltestelle sind es nur noch ein paar Meter bis zum Institut für Virologie. Prof. Christian Drosten arbeitet hier, wenn er nicht gerade unterwegs ist, um Fledermäuse weltweit auf Krankheitserreger zu untersuchen. Kein anderes Tier, so der Virologe, beherbergt so viele gefährliche Keime.
Universitätsklinikum Bonn. Von der Bushaltestelle sind es nur noch ein paar Meter bis zum Institut für Virologie. Prof. Christian Drosten arbeitet hier, wenn er nicht gerade unterwegs ist, um Fledermäuse weltweit auf Krankheitserreger zu untersuchen. Kein anderes Tier, so der Virologe, beherbergt so viele gefährliche Keime.
"Ich will nicht so weit gehen, dass alle Viren aus Fledermäusen kommen. So einfach kann man es, glaube ich, nicht sagen. Aber, da gibt es schon unser Masernvirus, auch das Mumps-Virus, also der Erreger des Ziegenpeter, eine typische Kinderkrankheit. Dann aber auch seltener Viren, zum Beispiel das Nipah-Virus, das man in Australien, Asien als Nipah-Hendra-Virusgruppe. Diese Viren kommen alle wahrscheinlich aus Fledermäusen nach neuesten Daten. Dann Tollwut, Ebola und Marburg-Virus: Es ist schon so, wenn man verstehen will, wo Viren herkommen, ökologisch oder evolutionsbiologisch gesehen, ist es heute so, dass man sich mit Fledermäusen beschäftigt, gerade wenn man an menschlichen oder Säugetierviren arbeitet."
Kein anderes Säugetier lebt in so großen Kolonien mit Millionen von Individuen auf engstem Raum. Vergleichbar vielleicht mit der "Millionenmetropole" des Menschen. Nur: Fledermäuse machen das seit Urzeiten. Deswegen haben sie sich an gefährliche Erreger wie Ebola, Tollwut oder Masern gewöhnen können. Sie stecken die Infektion problemlos weg. Fledermäuse zu töten oder ihre Behausungen zu zerstören, ist allerdings keine gute Idee, so der Experte, weder hier zu Lande noch anderswo:
"Also es ist einfach nicht so, dass Fledermäuse als Schädlinge anzusehen sind, sondern im Gegenteil: Fledermäuse sind extrem wichtig, beispielsweise um Insekten zu bekämpfen. Und jetzt kann man da natürlich auch gleich wieder eine infektionsmedizinische Diskussion starten: Insekten haben ja auch gefährliche Krankheitserreger."
"Also es ist einfach nicht so, dass Fledermäuse als Schädlinge anzusehen sind, sondern im Gegenteil: Fledermäuse sind extrem wichtig, beispielsweise um Insekten zu bekämpfen. Und jetzt kann man da natürlich auch gleich wieder eine infektionsmedizinische Diskussion starten: Insekten haben ja auch gefährliche Krankheitserreger."
Der Naturschutz ist wichtig, auch für den Menschen. Dort, wo die Fledermäuse in Afrika vertrieben wurden, konnten sich Stechmücken, mit ihnen die Malaria, massiv verbreiten: Im Dorf Meliandou, dem vermeintlichen Ausgangspunkt der Ebola-Seuche, wurde der Baum, in dem die Fledermäuse hingen, angezündet und abgebrannt. Jetzt hängen die heimatlos gewordenen Tiere unter den nahe gelegenen Hausdächern im Dorf. Nicht nur die Tiere, auch die Viren sind jetzt noch dichter dran am Menschen. Und in Deutschland?
"Es ist so, dass Fledermäuse bei uns gerade im Sommer auf Dachböden auftreten. Dort bilden sich eben diese Wochenstubenkolonien. Und nach den Daten, die wir haben, ist das in der Tat so, man kann das nicht von der Hand weisen, dass es dort auch Viren gibt. Wir haben aber keinen Hinweis, dass diese Viren gefährlich sind. Und wenn jetzt jemand eine Fledermaus-Wochenstube auf dem Dachboden hat, dann kann man eigentlich nicht davon abraten, das zu pflegen. Gerade wenn man sich dafür interessiert. Ich kenne kein einziges Beispiel, dass sich jemand, weil er so eine Fledermaus-Wochenstube pflegt, mal mit irgendetwas infiziert hätte."
Wer verletzte oder geschwächte Fledermäuse findet, sollte sie nicht oder nur mit Handschuhen aufnehmen. In seltenen Fällen wurde auch bei heimischen Arten Tollwut nachgewiesen. Ein kleiner Biss mit den winzigen Zähnchen könnte den Erreger übertragen.
Das "Fledermauszentrum" in Hannover
Kirchengemeinde Osterwald, Region Hannover. 20 Frauen, Mitglieder eines Singkreises, wollen heute mehr über Fledermäuse erfahren. Dagmar Strube, Fledermausexpertin beim Naturschutzbund, nimmt solche Einladungen gerne an.
"Dann erhebe ich jetzt mal die Stimme. Ich freue mich sehr, heute Abend hier zu sein und einmal mein Gebiet, den Fledermausschutz vorstellen zu dürfen. Und ich habe hier auch schon eine Vitrine mit besonderen Gästen…"
Zwei Stunden lang wird sie über die Eigenheiten der Tiere sprechen. Am Ende: stehender Applaus, für sie und für die mitgebrachten Fledermäuse:
"Ich sag‘ immer ganz klassisch: Lieben Sie Mücken? Und die meisten Menschen sagen, Oh Gott, Mücke, nein! Und ich sag‘ dann: Stellen Sie sich mal vor, so eine kleine Zwergfledermaus, die kann 3000 bis 4000 Mücken in einer Nacht erjagen. Und wie machen Sie das mit der einen Mücke im Schlafzimmer nachts? Und da sagen die Leute: Ja, da brauche ich eine Stunde, bis ich die jage. Und dann sag‘ ich: Rechnen Sie das mal hoch auf eine Fledermaus, wie viele Mücken die in einer Nacht erjagt. Versuchen Sie’s mal. Also früher waren die Leute ängstlich gegenüber den Fledermäusen. Mittlerweile sind sie zum Teil, die modernen Leute sagen ´hip`, also sind wirklich aktuell beliebt. Und es gibt gerade bei den Jugendlichen immer mehr, die auf mich zugehen und fragen, Mensch, erzähl‘ mir doch mal was über Fledermäuse. Können wir mal eine sehen? Können wir helfen? Können wir irgendetwas machen? Also von daher: eine Bewegung ist da. Dass die Leute sich dafür interessieren – Fledermäuse."
Die alte Bunkeranlage ist mit Graffiti verschmiert. Auch die Eisentür, der einzige Zugang zum "Fledermauszentrum" mitten in Hannover. Renate Keil hat den Schlüssel dazu. Auf einer Wendeltreppe geht es steil nach oben. Die Tierärztin nimmt die Stufen täglich, denn oben, da wohnen ihre winzigen Patienten:
"Wir befinden uns jetzt in einem alten Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, der Jahrzehnte lang leer gestanden hat und jetzt das ´Fledermauszentrum` im oberen Stockwerk beherbergt. Das heißt, dort werden jetzt die Fledermäuse gesund gepflegt, die hilfebedürftig oder verletzt gefunden werden, bis wir sie an ihrem Fundort wieder auswildern können."
"Oh, wie siehst Du den aus? Oh!"
Maiky, das "kleine Mausohr", ist ziemlich zerzaust. Leonie Stemwedel, eine ehrenamtliche Pflegerin, kümmert sich um die kranken Winzlinge, auf ihre ganz eigene, liebevolle Weise.
"…vorsichtig, Schätzelein. Mhh. Du bist ja ganz mager. Das ist nicht so gut…"
Zum Glück kommt die Tierärztin gerade herein. Die ganz schlimmen Fälle, sagt sie, nimmt sie mit nach Hause, in die Praxis. Und auch Maiky muss wohl auf die "Intensivstation":
"Ja, das ganze Fell ist völlig verklebt. Völlig nass. Da hat er sich nicht nur angepinkelt, sondern das klebt wirklich richtig. Den werden wir erstmal baden. Und dann werde ich den mal mit nach Hause nehmen…"
Vielleicht liegt es am Zahnstein, vermutet die Fledermausexpertin. Wenn das Zahnfleisch entzündet ist, fressen die Tiere nicht und magern binnen kürzester Zeit ab. Doch Maiky ist nicht der einzige Problemfall heute Abend. Renate Keil vom BUND holt ein "großes Mausohr" aus seiner Behausung:
"…so, die kam vor einem Jahr praktisch ohne Flughäute an, das heißt, die Knochen der Hand sahen aus wie ein Regenschirm-Skelett ohne Bespannung. Und Flughäute können sich aber bei Fledermäusen neu bilden. Es dauert allerdings sehr lange. Das heißt, bei ihr hat sich jetzt innerhalb eines Jahres schon sehr viel neu gebildet, aber an einem Flügel war der Riss wirklich bis ins Handgelenk rein, und da werde ich wahrscheinlich nochmal nachoperieren müssen, die Wunde werde ich hier wohl nochmal auffrischen müssen, damit das wieder vernünftig nachwächst."
Nahezu täglich werden neue "Patienten" eingeliefert: von der Feuerwehr vorbeigebracht oder von Mitarbeitern des BUND eingesammelt. Es ist 19.00 Uhr, da kommt BUND-Mitarbeiterin Silke Schrader herein:
"Frau Dr. Keil hatte uns angerufen, wir haben so einen Notdienst mit Handy. Und da hatte sie uns zu einer urologischen Praxis in Langenhagen geschickt. Da war eine Fledermaus aufgetaucht. Die saß ganz oben in einem Flur in der Ecke. Und da sind wir halt hingefahren. Wir haben alle so ein Körbchen im Auto. So ein Kasten, der Fledermausgerecht ausgestattet ist. Auch ein paar Spritzen, damit man die Fledermaus gleich mit Wasser versorgen kann. Sie machte eigentlich einen recht munteren Eindruck, die kleine Fledermaus. Wir hoffen, dass wir sie heute Abend, wenn sie für gesund befunden wurde, wieder auswildern können."
Das Fledermauszentrum ist einzigartig in Deutschland. Der ehemalige Bunker dient als eine Art "Rehaklinik" für kranke und verletzte Tiere, die, nachdem sie medizinisch versorgt wurden, wieder fit gemacht werden für die Auswilderung. Manchmal genügen nur wenige Stunden, in seltenen Fällen sind es sogar Jahre. Bevor es in die Freiheit geht, müssen die plüschigen Schreihälse aber noch den Flugtest bestehen. Und gleich ist es wieder soweit.
"Ich werde sie jetzt in die richtige Position bringen, damit sie dann losfliegt. Aber hier, sie macht schon Anstalten. Sie breitet schon die Flügelchen aus, dass sie so hängt. Und das ist jetzt ihre Abflugposition. Siehst Du. Sie fliegt wunderbar. Hin und her und hin und her in diesem langen Flur. Wir brauchen Sie gar nicht zu animieren. Dass sie sich vielleicht niederlässt. Auch in der Höhe, in der sie fliegt. Wunderbar. Ich glaube, wir werden gleich Mühe haben, sie einzufangen, damit wir sie wieder in den Kasten kriegen zum Auswildern nachher…"
Silke Schrader wird gegen Mitternacht noch einmal zu der urologischen Praxis fahren, um den Winzling genau dort auszusetzen, wo seine Gruppe lebt. Nur im sozialen Verband können die plüschigen Tiere überleben.
"Dann erhebe ich jetzt mal die Stimme. Ich freue mich sehr, heute Abend hier zu sein und einmal mein Gebiet, den Fledermausschutz vorstellen zu dürfen. Und ich habe hier auch schon eine Vitrine mit besonderen Gästen…"
Zwei Stunden lang wird sie über die Eigenheiten der Tiere sprechen. Am Ende: stehender Applaus, für sie und für die mitgebrachten Fledermäuse:
"Ich sag‘ immer ganz klassisch: Lieben Sie Mücken? Und die meisten Menschen sagen, Oh Gott, Mücke, nein! Und ich sag‘ dann: Stellen Sie sich mal vor, so eine kleine Zwergfledermaus, die kann 3000 bis 4000 Mücken in einer Nacht erjagen. Und wie machen Sie das mit der einen Mücke im Schlafzimmer nachts? Und da sagen die Leute: Ja, da brauche ich eine Stunde, bis ich die jage. Und dann sag‘ ich: Rechnen Sie das mal hoch auf eine Fledermaus, wie viele Mücken die in einer Nacht erjagt. Versuchen Sie’s mal. Also früher waren die Leute ängstlich gegenüber den Fledermäusen. Mittlerweile sind sie zum Teil, die modernen Leute sagen ´hip`, also sind wirklich aktuell beliebt. Und es gibt gerade bei den Jugendlichen immer mehr, die auf mich zugehen und fragen, Mensch, erzähl‘ mir doch mal was über Fledermäuse. Können wir mal eine sehen? Können wir helfen? Können wir irgendetwas machen? Also von daher: eine Bewegung ist da. Dass die Leute sich dafür interessieren – Fledermäuse."
Die alte Bunkeranlage ist mit Graffiti verschmiert. Auch die Eisentür, der einzige Zugang zum "Fledermauszentrum" mitten in Hannover. Renate Keil hat den Schlüssel dazu. Auf einer Wendeltreppe geht es steil nach oben. Die Tierärztin nimmt die Stufen täglich, denn oben, da wohnen ihre winzigen Patienten:
"Wir befinden uns jetzt in einem alten Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, der Jahrzehnte lang leer gestanden hat und jetzt das ´Fledermauszentrum` im oberen Stockwerk beherbergt. Das heißt, dort werden jetzt die Fledermäuse gesund gepflegt, die hilfebedürftig oder verletzt gefunden werden, bis wir sie an ihrem Fundort wieder auswildern können."
"Oh, wie siehst Du den aus? Oh!"
Maiky, das "kleine Mausohr", ist ziemlich zerzaust. Leonie Stemwedel, eine ehrenamtliche Pflegerin, kümmert sich um die kranken Winzlinge, auf ihre ganz eigene, liebevolle Weise.
"…vorsichtig, Schätzelein. Mhh. Du bist ja ganz mager. Das ist nicht so gut…"
Zum Glück kommt die Tierärztin gerade herein. Die ganz schlimmen Fälle, sagt sie, nimmt sie mit nach Hause, in die Praxis. Und auch Maiky muss wohl auf die "Intensivstation":
"Ja, das ganze Fell ist völlig verklebt. Völlig nass. Da hat er sich nicht nur angepinkelt, sondern das klebt wirklich richtig. Den werden wir erstmal baden. Und dann werde ich den mal mit nach Hause nehmen…"
Vielleicht liegt es am Zahnstein, vermutet die Fledermausexpertin. Wenn das Zahnfleisch entzündet ist, fressen die Tiere nicht und magern binnen kürzester Zeit ab. Doch Maiky ist nicht der einzige Problemfall heute Abend. Renate Keil vom BUND holt ein "großes Mausohr" aus seiner Behausung:
"…so, die kam vor einem Jahr praktisch ohne Flughäute an, das heißt, die Knochen der Hand sahen aus wie ein Regenschirm-Skelett ohne Bespannung. Und Flughäute können sich aber bei Fledermäusen neu bilden. Es dauert allerdings sehr lange. Das heißt, bei ihr hat sich jetzt innerhalb eines Jahres schon sehr viel neu gebildet, aber an einem Flügel war der Riss wirklich bis ins Handgelenk rein, und da werde ich wahrscheinlich nochmal nachoperieren müssen, die Wunde werde ich hier wohl nochmal auffrischen müssen, damit das wieder vernünftig nachwächst."
Nahezu täglich werden neue "Patienten" eingeliefert: von der Feuerwehr vorbeigebracht oder von Mitarbeitern des BUND eingesammelt. Es ist 19.00 Uhr, da kommt BUND-Mitarbeiterin Silke Schrader herein:
"Frau Dr. Keil hatte uns angerufen, wir haben so einen Notdienst mit Handy. Und da hatte sie uns zu einer urologischen Praxis in Langenhagen geschickt. Da war eine Fledermaus aufgetaucht. Die saß ganz oben in einem Flur in der Ecke. Und da sind wir halt hingefahren. Wir haben alle so ein Körbchen im Auto. So ein Kasten, der Fledermausgerecht ausgestattet ist. Auch ein paar Spritzen, damit man die Fledermaus gleich mit Wasser versorgen kann. Sie machte eigentlich einen recht munteren Eindruck, die kleine Fledermaus. Wir hoffen, dass wir sie heute Abend, wenn sie für gesund befunden wurde, wieder auswildern können."
Das Fledermauszentrum ist einzigartig in Deutschland. Der ehemalige Bunker dient als eine Art "Rehaklinik" für kranke und verletzte Tiere, die, nachdem sie medizinisch versorgt wurden, wieder fit gemacht werden für die Auswilderung. Manchmal genügen nur wenige Stunden, in seltenen Fällen sind es sogar Jahre. Bevor es in die Freiheit geht, müssen die plüschigen Schreihälse aber noch den Flugtest bestehen. Und gleich ist es wieder soweit.
"Ich werde sie jetzt in die richtige Position bringen, damit sie dann losfliegt. Aber hier, sie macht schon Anstalten. Sie breitet schon die Flügelchen aus, dass sie so hängt. Und das ist jetzt ihre Abflugposition. Siehst Du. Sie fliegt wunderbar. Hin und her und hin und her in diesem langen Flur. Wir brauchen Sie gar nicht zu animieren. Dass sie sich vielleicht niederlässt. Auch in der Höhe, in der sie fliegt. Wunderbar. Ich glaube, wir werden gleich Mühe haben, sie einzufangen, damit wir sie wieder in den Kasten kriegen zum Auswildern nachher…"
Silke Schrader wird gegen Mitternacht noch einmal zu der urologischen Praxis fahren, um den Winzling genau dort auszusetzen, wo seine Gruppe lebt. Nur im sozialen Verband können die plüschigen Tiere überleben.