Neues Buch vom Bildblog

Wie die "Bild" die Gesellschaft spaltet

08:52 Minuten
Auf dem Bild ist eine eingerollte Bildzeitung zu sehen.
Millionen Menschen kaufen noch immer die "Bild", selbst seriöse Medienhäuser schreiben teilweise Unwahrheiten von ihr ab. © picture alliance / Bildagentur-online
Moritz Tschermak im Gespräch mit Teresa Sickert und Tim Wiese |
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"Ohne Rücksicht auf Verluste" heißt es im Titel des Enthüllungsbuchs von Mats Schönauer und Moritz Tschermak. Sie beobachten seit fast zehn Jahren, wie toxisch die "Bild"-Machenschaften für die Gesellschaft sind. Doch wie viel Macht hat das Blatt?
Die Liste der Vorwürfe gegen die "Bild" ist lang, knapp 300 Seiten im Fall von "Ohne Rücksicht auf Verluste. Wie Bild mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet". Das Buch greift verschiedene Vorfälle auf, um die Mechanismen hinter der Boulevardmaschine zu erklären. Gesammelt haben Moritz Tschermak und Mats Schönauer diese Beispiele seit Jahren unter bildblog.de.
Buchcover von Mats Schönauer und Moritz Tschermak: "Ohne Rücksicht auf Verluste. Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet." Kiepenheuer & Witsch, 2021.
Mats Schönauer und Moritz Tschermaks Buch zeigt anhand von Beispielen, was mit denen geschieht, die in den Fokus der "Bild"-Berichterstattung geraten.© Kiepenheuer & Witsch / Deutschlandradio
So beschreiben die Autoren unter anderem, wie ein Mitarbeiter dazu gedrängt wurde, einer Mutter von dem Tod ihres Sohnes zu erzählen – und das noch vor der Polizei – , nur um ihren Schmerz als Erste auf der Titelseite zu haben. An anderer Stelle zeigen Moritz Tschermak und Mats Schönauer, wie Hartz-IV-Empfänger zum Feindbild aufgebaut, die negative Stimmung gegenüber Geflüchteten verstärkt wurde oder wie die "Bild" wohl auch der AfD beim Aufstieg half.
Die Macht von "Bild" sei offensichtlich: Millionen Menschen kaufen noch immer die "Bild", selbst seriöse Medienhäuser schreiben teilweise Unwahrheiten von ihr ab und Politiker lassen sich zum Spielball ihrer Agenda machen. Doch es sei über die Jahre "unterschiedlich schlimm" gewesen, meint Moritz Tschermak: "Da gibt es schon unterschiedliche Zeiten, je nachdem, wer da gerade an der 'Bild'-Spitze sitzt."
Zugespitzt habe sich die Lage noch einmal seit Julian Reichelt Chefredakteur geworden ist. "Es wird politischer, es wird düsterer auf der Titelseite. Der Islam spielt eine viel größere Rolle. Verbrechen sind wieder wahnsinnig wichtig", erzählt Moritz Tschermak. Sein Vorvorgänger Kai Diekmann habe da eher auf Promis, Sex und Voyeurismus gesetzt.

Einzelfälle öffnen die Augen

Doch das Buch zeigt eben auch, was die Berichterstattung mit denen macht, die davon betroffen sind. Es gibt zum Beispiel ein Interview mit einem Mann, dessen Bruder bei einem Ski-Unfall verunglückt ist. Die "Bild" hat darüber nicht nur berichtet, sondern auch private Fotos des Verstorbenen von seinem Facebook-Account benutzt.
Solche Geschichten hätten laut Moritz Tschermak schon einen Einfluss: "Er kann sich heutzutage einfach die 'Bild'-Zeitung nicht mehr ansehen, weil ihn das Grauen packt, wenn er sich vorstellt, was das eben mit den Leuten macht, über die berichtet wird. Vielleicht braucht es mitunter wirklich so ein Schockerlebnis, dass man es einmal selbst erfährt, wie schrecklich das ist."
Eindrücklich ist aber auch das Nachwort, in dem SPD-Politiker Kevin Kühnert seine Erfahrungen mit der "Bild" schildert.

Muss die "Bild" gestoppt werden?

Trotzdem weiß Moritz Tschermak auch, dass das Buch und die Arbeit am Bildblog die "Bild" an sich nicht grundsätzlich verändern wird. Zumal die "Bild", solang sie sich an das Presserecht hält, trotzdem Teil der Pressefreiheit in Deutschland ist: "Ich bin jetzt weit entfernt davon, irgendwie zu sagen: Stampft die Bildzeitung ein, so geht das nicht. Oder noch weiter: Enteignet Springer." Das müsste man eben aushalten und der "Bild" weiter Fakten und Recherchen entgegensetzen.

Mats Schönauer und Moritz Tschermak: "Ohne Rücksicht auf Verluste: Wie Bild mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet"
Kiepenheuer & Witsch, Köln
336 Seiten 18 Euro

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