Die Weltmusiker der Popakademie
Klavier, Geige und klassische Gitarre lassen sich an den meisten deutschen Musikhochschulen studieren. Bei der Oud oder der Bağlama, zwei Lauten aus dem arabisch-türkischen Raum, sieht das anders aus. An der Popakademie Mannheim ist jetzt der neue Studiengang "Weltmusik" gestartet.
Soundcheck. Auf der kleinen Bühne der Popakademie Mannheim stehen zahllose Mikrofone. Mittendrin sitzt Christine. Feuerroter Rock, die Hände? Auch ein wenig gerötet: vom Trommelspiel. Nach dem Soundcheck erklärt sie ihre Begeisterung für das Instrument mit dem kreisrunden Rahmen und dem Fellbezug:
"Die Rahmentrommel hat eben einen langanhaltenden Ton. Andere Perkussionsinstrumente machen halt so 'zack', und es ist weg. Rahmentrommeln, die erzählen deswegen eben, weil sie singen. Das vibriert, man hat es am Körper dran, und man bewegt sich auch damit. Für mich ist das einfach so eine schöne Union zwischen dem eigenen Körper und dem Klang der Trommel."
Christine gehört zum ersten Jahrgang des Studienfachs Weltmusik. Sie hat ihren Schwerpunkt auf mediterrane Perkussion gelegt. Andere Hauptfächer sind die Oud und die Bağlama, zwei Lauten, die vor allem im türkisch-arabischen Raum gespielt werden. Irgendwann einmal soll das Angebot auf weitere Instrumente ausgeweitet werden. Für den Anfang aber habe man sich beschränken müssen, sagt Johannes Kieffer, einer der Studiengangsleiter. Die Auswahl ist bewusst getroffen worden:
"Wenn Sie Mannheim sehen, da leben circa 30.000 Menschen, die türkische Wurzeln haben. Es gibt sehr viele Leute aus arabischen Ländern, aus dem Iran, aus Irak. Und zusammengenommen ist das also eine ganz große Gruppe von Migranten, Einwanderern, deren Kultur auch im kulturellen Leben überall präsent ist, schon. Und das ist sehr wichtig, dass diese Musikkultur auch in der Bildung letztlich irgendwann ankommt. Damit haben wir mit dem Weltmusik-Studiengang einen guten Start gemacht."
Einige Studenten mit Migrationshintergrund
Tatsächlich haben einige der zwölf Studenten einen sogenannten Migrationshintergrund. Canar zum Beispiel. Der 27-Jährige ist in der Türkei auf die Welt gekommen, mit zwölf zog seine Familie mit ihm nach Deutschland. Im Gepäck: eine türkische Bağlama. Dass er das Instrument jetzt auch in Deutschland studieren kann, schließt nicht nur eine Lücke in der Hochschullandschaft, es passt auch zu seinem grenzüberschreitenden Musikverständnis.Canar:
"Ich spiele auch klassische Gitarre, Geige, also nicht nur traditionelle Musik. Ich höre auch gerne westliche Musik. Was wir hier lernen, ist nicht nur der orientalische Teil, es gibt auch westliche Musik."
Auf dem Curriculum stehen einige Seminare, die die Weltmusiker zusammen mit den Popmusikern der Hochschule besuchen. Darüber hinaus gibt es Instrumentalunterricht. Mittwochs steht Maqam auf dem Stundenplan, die Skalenlehre der orientalischen Musik. Viel Programm also.
Deshalb habe Canar auch nicht so viel proben können für den heutigen Auftritt. Dabei ist es ja eine Premiere: Zum ersten Mal versammeln sich die Weltmusik-Studenten auf einer Bühne. Canar:
"Ich spiele heute einen Versuch, kann ich sagen. Ich habe etwas komponiert. So ein türkisch-spanisches Stück. Also: spanische Musik hat mit türkischer Musik Ähnlichkeiten. Diese östliche Melancholie und die lebendige Art. Ich bin sehr gespannt auch, was für ein Feedback kommt."
Kulturelle Grenzen überwinden
Abends sitzt Canar dann vor rund 80 Leuten, mehr als der Raum Stühle hat. Gekommen sind Kommilitonen, Eltern, Freunde und andere Neugierige.
Canars Komposition kommt gut an – und sie passt zum Konzept des Studiengangs: kulturelle Grenzen überwinden und gleichzeitig ein Bewusstsein schaffen für die musikalischen Traditionen bestimmter Regionen. So soll Neues entstehen, erklärt Mehmet Ungan von der Popakademie:
"Aber damit etwas neu entsteht, braucht man schon diese Substanz, oder? Ich sehe die Tradition der Musikstile als Substanz, aber da ist keine Trennung Weltmusik 'hier wir' und der Rest der Welt. Das ist nicht so zu sehen. Weltmusik ist alles, was wirklich existiert."
Noch hat sich nicht alles eingespielt im Studiengang Weltmusik. Das Angebot war anfangs noch recht klein, und zwei syrische Studenten konnten ihr Studium bisher nicht aufnehmen, weil ihnen die Behörden die Einreise erschweren. Aber an Begeisterung der Studenten für ihr Fach mangelt es nicht: Das Konzert dauert zweieinhalb Stunden. Christine, die Perkussionistin, über ihr Studienziel:
"Auf jeden Fall möchte ich die Geschmäcker kennenlernen und auch wiedergeben können, dass man erkennen kann: Aha, das ist jetzt iranisch und das ist jetzt mediterran oder auch marokkanisch oder wie auch immer. Ich weiß aber auch andere, die haben das geschafft. Das ist auf jeden Fall möglich, je nachdem, wie weit man sich hineinbegibt in die Materie."