Nina Hoss macht "Bella Figura" an der Schaubühne
Mit "Der Gott des Gemetzels" wurde die Dramatikerin Yasmina Reza weltbekannt. Jetzt hat sie eigens für die Berliner Schaubühne ein neues Stück geschrieben. Die Hauptrollen in "Bella Figura" übernehmen Nina Hoss und "Tatort"-Star Mark Waschke.
Grillen zirpen auf der riesigen Videoprojektion an der Schaubühnenrückwand. Motten fliegen. Hummer drängen sich dicht an dicht. Irgendwann quaken die Frösche. Weil diese allzu menschlichen Geschöpfe, deren Beziehungsprobleme hier verhandelt werden, wie Kriech- und Krabbel- und Flattertiere in der Falle sitzen, weil sie sich benehmen, als würden sie nur im Schwarm funktionieren, als hätten sie keinen eigenen Willen, um herauszufinden aus dem ewigen Hickhack von Treue und Untreue, von sozialer Verpflichtung und höflicher Rücksichtnahme.
So oder so ähnlich nähert sich Thomas Ostermeier einem Stück, das extra für ihn und sein Ensemble geschrieben wurde, das aber eigentlich nur wenig Anlass für irgendwelche Inszenierungseinfälle bietet. Yasmina Rezas "Bella Figura" ist haargenau das, was man von der Erfolgsautorin kennt: Wie in "Drei Leben" und "Der Gott des Gemetzels" gehen auch hier zwei Paare auf einander los. Anfangs überaus zivilisiert, später dann im Nervenzusammenbruchs-Modus. Mark Wasche spielt den Mann, der kurz vorm Bankrott steht und im Streit mit seiner Geliebten (Nina Hoss) beinahe eine alte Dame überfährt (die überaus elegante, herrlich verstockte Lore Stefanek).
Die Bravos klingen lauwarm und gezwungen
Pikanterweise ist die mit ihrem Sohn (Renato Schuch) und ihrer Schwiegertochter (Stephanie Eidt) unterwegs, letztere die beste Freundin von Waschkes betrogener Ehefrau. Vor und im Luxusrestaurant, in der Lounge und sogar auf dem Klo tragen sich die nun folgenden Szenen des bourgeoisen Eiertanzes zu – als ausgebremste Boulevardkomödie, die Ostermeier bewusst auf grüblerischer Sparflamme kocht, um ihr eine gewisse Ernsthaftigkeit unterzuschieben. Dabei hilft ihm – natürlich – vor allem die wie immer überaus unterkühlt agierende Nina Hoss. Langsam aber sicher bricht das Querulantentum aus ihr heraus, angeheizt durch Pillen und Alkohol, also tut sie was sie kann: Gefährlich funkeln ihre Augen, füllen sich dann mit Tränen, bis sarkastisches Erstickungsgelächter aus ihr herausbricht und hoheitsvoller Überlebensfatalismus einsetzt. Fein ziseliertes Naturalismus-Spiel, das stets so wirkt, als stünde die Kamera bereit, um die nächste Großaufnahme einzufangen.
Sehr distinguiert ist das gesamte Arrangement, ein exquisites Seidenblusentheater, das sich gegen Ende auch in hitzige Momente fleischlicher Verzweiflung hineinsteigert, dann aber doch vor der eigenen Bedeutungslosigkeit kapituliert. Nirgendwo führen die Fragen nach dem Wert von ehelicher Treue hin, weder zu nennenswerten Pointen, noch gar zu einer Ausweitung aufs Allgemeine. Und so bietet die elitäre Tratschgeschichte über beleidigte Eitelkeiten vor allem eine Hochglanzfeier für Nina-Hoss-Fans und einige schöne Momente mit Lore Stefanek, die sich als leicht senile, narkoleptische Mutter mit verstörtem Schrecken ständig aufs Neue fragen muss, wo sie hier eigentlich gelandet ist. Doch wie das Publikum kann sie sich schnell beruhigen: In der Schaubühne sind wir, wo alle sehr gut aussehen und schick und schön und ungefährlich sind und wo sich an diesem Abend am Ende selbst die Bravos lauwarm und gezwungen anhören.