"Ich fühle mich in der Welt überall zuhause"
Auf der Flucht vor dem Jugoslawien-Krieg kommt Neven Subotic 1989 als Einjähriger das erste Mal nach Deutschland. Zehn Jahre später wird er mit seiner Familie wieder abgeschoben. Heute spielt er als Fußball-Profi in der Bundesliga.
Nein, wirklich erinnern kann sich Neven Subotic an dieses kleine Dorf im Schwarzwald nicht mehr. 1989 kamen seine Eltern, seine Schwester und er dort an. Auf der Flucht. Aus Jugoslawien, vor dem Krieg. Wie so viele. Ein Jahr war er alt. Damals. Nun, rund 26 Jahre später sitzt er im Büro der Neven-Subotic-Stiftung in der Dortmund Innenstadt- und muss, trotz Erinnerungslücken, immer wieder von damals erzählen:
"Wir sind super aufgenommen worden. Und halt auch gefühlt ein Teil von Deutschland geworden sind."
Ein Telefon-Interview, eines von vielen momentan. Doch die Journalisten interessieren sich nicht, wie gewohnt, für den Fußballprofi von Borussia Dortmund. Nein, Subotic, lila T-Shirt, ein fein frisierter Bart, dazu kinnlange Haare, die hinter den Ohren anliegen, soll erzählen: Davon, wie es ist, als Flüchtling in Deutschland zu landen, anzukommen. Doch Subotics Erzählungen sind eher eine Geschichte vom Zurückkommen. Denn 1999 war plötzlich Schluss:
"Wir wurden tatsächlich doch abgeschoben, ich war damals zwischen neun und zehn und hatte meine erste Freundin. Die Nora. Ein superliebes Mädchen, die dann noch kurz vor der Abreise einen Brief geschrieben hat und mir erzählte, dass sie nicht möchte, dass ich weggehe und ich weiß noch, dass ich gesagt habe: Ich möchte ja auch nicht weg. Aber meine Eltern gehen - und ich muss leider mit denen mit."
Deutschland, USA und wieder zurück
Die Logik eines Kindes. Und so ging Neven, obwohl er sich wohl fühlte, Nora und Freunde hatte. Traurig?
"Es hat schon ein bisschen gezeigt, dass ich mich verbunden fühlte zu Deutschland und auch zu meinem Umfeld, das ich da hatte. Es war auf der anderen Seite kein schlechtes Land, in das wir da gingen. Ja, Amerika war für ein Kind als würden wir jetzt in Disney-Land wohnen. Gefühlt, wenn man ein Kind war, einfach nicht wusste, was da einen erwartet und da habe ich mich gleichzeitig auch ein bisschen gefreut, aber natürlich war der Abschied schwer von den ganzen Freunden."
Heute denkt und träumt er in Englisch und kommt mit seinem Serbokroatisch auch in Bosnien-Herzegowina zurecht. Sprache und Kultur kennenzulernen, das hat er selbst auf seinen Reisen gemerkt, sind das Wichtigste für Flüchtlinge. Geduld und ein Ziel. Bei Neven Subotic war es der Fußball:
"Ja, ich bin hierher gekommen, um mir diesen Traum zu erfüllen. Seitdem ich denken kann und seitdem mein Vater ein Kind ist, wollte er Profi werden oder wollte er, dass sein Sohn Profi wird, wenn er das nicht macht."
Insgesamt 19 Jahre lang ist Subotic jetzt in Deutschland, hat eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Hat seine Stiftung gegründet, mit der er in Äthiopien, einem der ärmsten Länder der Welt, für sauberes Wasser sorgen möchte. All das verbindet ihn mit Deutschland, eine Herzensentscheidung war es dennoch nicht:
"Ich fühle mich in der Welt überall zuhause, um ehrlich zu sein. Überall da, wo ich sicher bin. In Deutschland fühle ich mich auf jeden Fall sicher und auch gut aufgehoben."
Vorbild Fußball-Verein
Dabei ist sein Beruf - Fußball-Profi - letztendlich grenzenlos, die Herkunft zweitrangig:
"Wenn wir uns mal die Vielfältigkeit einer Fußball-Mannschaft anschauen, ist das absolut vorbildlich. Denn: Es gibt nicht viele Unternehmen, bei denen die wichtigen Positionen besetzt sind mit so vielen Menschen, die tatsächlich vielleicht nicht in Deutschland geboren sind."
Neven Subotic, 26 Jahre alt, Profi-Fußballer aus Bosnien-Herzegowina, seit 20 Jahren mit Unterbrechungen in Deutschland
Fühlen Sie sich inzwischen in Deutschland zu Hause?
"In Deutschland fühle ich mich auf jeden Fall sicher und aufgehoben. Ich kann hier arbeiten, und ich brauche halt nicht sehr viel zum Leben, würde ich jetzt mal sagen. Ein Arbeitsplatz ist für mich wirklich das Wichtigste. Und das habe ich hier. Und das Privatleben kann ich mir auch so gestalten, wie ich möchte."
Wie lange hat es gedauert anzukommen?
"Es ging extrem schnell. Weil ich sofort einen Arbeitsplatz hatte. Also jetzt bezogen auf die Zeit ab 2006, als ich zurückgekommen bin nach Deutschland von Amerika. Damals war ich 17. Ich habe hier meinen Profivertrag bekommen bei Mainz 05, und ich wusste ganz genau: Ich will Fußballer werden, dafür muss ich mich auf meinen Job konzentrieren - bei dem Job hatte ich einfach enorm viel Zeit, um mich zu verbessern. Von daher bin ich absolut davon überzeugt, dass wenn ein Weg geschaffen wird, um diese Motivation und die Kraft, die diese Leute haben, die nach Deutschland kommen (so wie ich), wenn da ein Weg geboten wird, dann wird dieser Weg gefüllt mit Motivation und mit harter Arbeit."
Hat die neue Heimat Sie verändert?
"Also mir ist sehr bewusst, dass mein Umfeld mich verändert. Deshalb passe ich natürlich auch auf, wer in meinem Umfeld ist; und da habe ich jetzt in Dortmund - ich wohne jetzt sieben Jahre hier - mir ein sehr gesundes Umfeld gebaut. Von Menschen, die mich im Leben weiterbringen, von denen ich lerne, die von mir etwas lernen. Das ist ganz wichtig. Und da sind ganz tolle Menschen dabei. Da sind Menschen aus Deutschland dabei. Da sind Menschen aus Bosnien auch dabei, international. Und man lernt voneinander. Und das hat mich auf jeden Fall geprägt und auch zu dem Menschen gemacht, der ich jetzt bin."
Was ist Ihr Lieblingsort? Wo ist der?
"Mein Arbeitsplatz. Das Stiftungsbüro der Neven Subotic Stiftung. Wir sitzen hier in Dortmund. Ich verbringe tatsächlich viel Zeit hier, weil es mir zum einen Spaß macht, zum anderen, weil ich ganz genau weiß, für wen ich das mache und wie wichtig diese Arbeit ist. Ich weiß nicht, was mehr Sinn macht als das."
Wollen Sie hier alt werden?
"Ich liebe vor allem meine Familie, und ich versuche alles, damit es ihnen gut geht. Aber ich habe nicht so viel Zeit aktuell. Und ich glaube, ich würde die ersten paar Jahre nach meiner Fußballer-Karriere dafür nutzen, um dann auch diese Zeit wieder gut zu machen. Und wo es danach hingeht, weiß ich nicht."