"Ich kann Bier überhaupt nicht ausstehen"
Namito - so nennt sich ein DJ, Musikproduzent und Maler. In den 1980er-Jahren kam er als Jugendlicher aus dem Iran nach Deutschland und stieg hier später zur Techno-Größe auf. In Berlin fühle er sich wohl, sagt er, doch richtig ankommen werde er wohl nie.
"Far from home" - weit weg von Zuhause - so heißt Namitos Album vor zehn Jahren. Klingende Entfremdung von einer Heimat, die er erst aus der Distanz und von Besuchen wieder entdeckt. Darauf diese Interpretation des beliebtesten Liedes aus dem Mittleren Osten, im Original von der iranischen Gesangsgöttin Googoosh.
"Es geht um - ja: Familiar stranger halt - jemand, der fremd ist und doch nah an einem."
In die Fremde kommt er früh: Geboren 1971 in Teheran, aufgewachsen mit der iranischen Revolution, dem aufkommenden islamischen Fundamentalismus und schließlich den Bomben des Iran-Irak-Kriegs. Damit er da nicht als jugendlicher Soldat verheizt wird, schickt die Mutter den 13-Jährigen, der immer so gerne draußen unter Irans Sonne Fußball spielt, ins kalte Deutschland. Namito wird zum unfreiwillig Geflüchteten.
Sehnsucht nach der Sonne Irans
"Ich war super einsam, ja. Und das Wetter hat mich sofort deprimiert. Und dann halt aus einer großen Familie mit einem Riesenhaus in Teheran kam ich nach Deutschland zu einem strengen Onkel. Er wollte, dass ich Deutsch lerne, viel besser als er das jemals gelernt hat - und das war schon sehr hart."
Schwieriges Ankommen in der großen Stadt Berlin. Ohne Eltern, ohne Freunde. Lauter fremde Mitschüler, aus Unsicherheit wird ein bisschen Ehrgeiz und erster Halt in der Fremde.
"Dass ich schnell Deutsch gelernt habe, hat mir Selbstbewusstsein gegeben. Das würde ich auch jedem empfehlen, der hier neu ankommt. Weil einem auch mehr Respekt entgegenschlägt und keiner einen so schnell klein machen kann."
Vom strengen Onkel flüchtet Namito zu Freunden und Musikern in eine Kommune, steigt nach langer Identitätssuche in den 90er-Jahren auf zur gefeierten Figur der Berliner Clubszene. Endlich angekommen. Als DJ wird er bald weltweit gebucht, produziert auch eigene elektronische Musik.
Minou heißt dieser Track - wie seine Tochter. Heute ist sie neun und lernt schon immer Farsi, die persische Sprache:
"Sie muss einfach einen Bezug zu der Kultur haben und zu der Sprache. Ich spreche nach wie vor mit ihr Persisch und lese ihr das auch vor. Sie kann das lesen und schreiben. Für mich ist das das Wichtigste, was ich diesem Kind mitgeben kann: dieses Selbstvertrauen, dass sie diese Sprache lernen kann."
"Bayern-München ist wie eine Familie"
In der Fremde ein Stück vom Ankommen aus der Heimat bewahren und weitergeben. Und in der neuen Heimat endlich das ausleben, was er in der alten als Fan des deutschen Fußballs schon angelegt hat:
"Ich bin Bayern-Fan - und zwar seit ich sieben Jahre alt bin. Ich mag einfach, wie die auch wie so 'ne Art Familie sind. Und wie die spielen! Ich meine - hallo! - das Spiel gesehen? Lewandowski, fünf Tore! Also ich bin gerade sehr zufrieden mit meiner Mannschaft."
Wenn dann WM ist, ist Namito auch mal Fan vom Iran. Oder ist ganz bei Jogis buntem Deutschland-Team.
Als DJ, Produzent, Musiker - jetzt auch Maler - ist der Facebook-Freak mit der ganzen Welt vernetzt. Auch mit Oppositionellen aus dem Iran. Oder mit der iranischen Folk-Legende Saeid Shanbehzadeh, mit dem er jetzt auf Europa-Tournee geht.
Vom Techno hat er sich weiter entwickelt, spielt demnächst mit Orchester. Klassisch, deutsch, aber ganz so wie seine Bayern dann doch nicht - so weit weg von zuhause.
"Ich war noch nie auf'm Oktoberfest. Das ist vielleicht auch ein Zeichen, dass ich hier wahrscheinlich nie ankommen werde: Ich kann Bier überhaupt nicht ausstehen."
Gespräch mit Namito:
Namito - in Berlin lebender DJ, Musikproduzent und Maler. Mit 13 wurde er von seiner iranischen Familie nach Deutschland geschickt.
Fühlen Sie sich inzwischen in Deutschland zu Hause?
"Ich fühl mich in Deutschland am ehesten zuhause. Und zwar in Berlin ganz speziell, weil Berlin für mich noch mal 'ne eigene Liga darstellt. Wo Sachen, die mir wichtig sind wie Toleranz und Freiheit, gelebt werden. Ich bin viel gereist in meinem Leben und hab viele Städte gesehen, aber hier ich bin ich zuhause, hier ist meine Tochter geboren."
Wie lange hat es gedauert anzukommen?
"Sprachlich hat's zwei Jahre gedauert, aber ansonsten: Ich kann gar nicht ankommen am Ende des Tages, ich hab das irgendwann mal aufgegeben. Das ist auch nichts Schlimmes. Das ist einfach die Situation, in der Millionen von Menschen sind. Wenn man von zuhause weggeht und woanders Fuß fassen muss, da ist man dann nirgendwo mehr richtig zuhause."
Hat die neue Heimat Sie verändert?
"Absolut. Ich finde auch zum Besseren. Ich hatte nie vor, Iran jetzt hier weiter hoch zu halten. Also die schönen Sachen: Ja. Aber die Sachen, die mich gestört haben, habe ich gerne anders gelernt hier von den Deutschen. Und ich finde: Das muss man auch. Wenn man nach Deutschland kommt und auch so willkommen geheißen wird, dann muss man sich an die Gesetze und an die Gepflogenheiten halten."
Was ist Ihr Lieblingsort? Wo ist der?
"Mein Lieblingsort ist mein Studio. Das ist der Raum, wo Musik entsteht. Wo ich oft auch nur an Sounds bastele. Da muss nicht unbedingt zielgerichtet ein Stück herauskommen. Aber das ist wie eine Art Meditation. Dann hab ich keine Gedanken an etwas anderes und hab keine Probleme.
Und ich bin gerne in Amerika. Ich weiß nicht warum, aber ich fühl mich auch da wohl. Auch wenn ich mit deren Politik oft nicht viel anfangen kann. Aber die sind sehr nah an den Iranern von der Herzlichkeit her und der Freundlichkeit, die man so tagtäglich erlebt. Auch diese Religionsfreiheit und dass man sich gegenseitig in Ruhe lässt. Ich schätze das unglaublich."
Und ich bin gerne in Amerika. Ich weiß nicht warum, aber ich fühl mich auch da wohl. Auch wenn ich mit deren Politik oft nicht viel anfangen kann. Aber die sind sehr nah an den Iranern von der Herzlichkeit her und der Freundlichkeit, die man so tagtäglich erlebt. Auch diese Religionsfreiheit und dass man sich gegenseitig in Ruhe lässt. Ich schätze das unglaublich."
Wollen Sie hier alt werden?
"Ich hab eigentlich immer diese romantische Idee, dass ich irgendwo am Mittelmeer - weil ich einfach das Klima liebe - dass ich da irgendwo mal das Alter verbringen werde. Wahrscheinlich wird's immer schwerer, ich bin 30 Jahre lang nicht weggekommen ... und ob ich jetzt mit 60 sage: So, jetzt ziehe ich mal nach Thailand oder so, ich glaub nicht. Ich kann mir gut vorstellen, auf jeden Fall in Europa alt zu werden."