Eindringliche Warnung vor Kälte, Hass und Ausgrenzung
Bundeskanzlerin Merkel wirbt für ein weltoffenes Deutschland und warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft. Den Zuzug von Flüchtlingen will aber auch sie begrenzen. Deswegen wird nun wieder die Einzelfallprüfung für Asylbewerber eingeführt.
Es sei vor allem ein Wort, dass sie zum Ende des Jahres sagen wolle, so Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Neujahrsansprache, nämlich Danke. 2015 ist das Jahr in dem über eine Million Menschen nach Deutschland gekommen sind. Deshalb ist auch das Thema Flüchtlinge das einzige, von dem die Kanzlerin in ihrer Ansprache spricht. Diese wird online auch zum ersten Mal mit englischen und arabischen Untertiteln zur Verfügung stehen.
Merkel dankt den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helfern, den Polizisten, den Behördenmitarbeitern, den Soldaten und Soldatinnen. Der Zuzug so vieler Menschen werde Deutschland auch in Zukunft noch einiges abverlangen, es werde Zeit Kraft und Geld kosten, sei aber auch eine Chance.
Die Kanzlerin sagte aber auch, dass auf allen Ebenen daran gearbeitet werde, damit die Zahl der Flüchtlinge nachhaltig und dauerhaft spürbar verringert wird. Und sie richtet noch einmal einen Appell an die Bevölkerung, der dem vom vergangenen Jahr gleicht: "Es kommt darauf an, dass wir uns nicht spalten lassen. Nicht in Generationen. Auch nicht sozial und nicht in Alteingesessene und Neubürger", sagt sie.
"Wir schaffen das" - Merkel wiederholt den Satz bewusst
Zudem käme es darauf an – und hier auch eine Anlehnung an ihrer Rede vom vergangenen Jahr – denen nicht zu folgen, die mit Kälte oder gar Hass in ihren Herzen ein Deutschsein allein für sich reklamierten und andere ausgrenzen wollten. Zum Schluss wiederholt Merkel nochmal ihren viel zitieren Satz: "Wir schaffen das."
Über diesen Satz war in diesem Jahr viel debattiert worden – und vor allem, welche politischen Maßnahmen dafür notwendig sind. Und so beginnt das neue Jahr mit der Umsetzung einer kontrovers debattierten Maßnahme: Wie das Innenministerium bestätigt, soll für alle, die ab morgen, dem 1. Januar, einen Asylantrag stellen, wieder die Einzelfallprüfung unabhängig vom Herkunftsland gelten.
Diese Prüfung war Ende 2014 für Asylbewerber aus zum Beispiel Syrien ausgesetzt worden. Für ihre Anträge gibt es ein vereinfachtes Verfahren. Hintergrund dafür war, dass die hohe Zahl an Anträgen schneller vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bearbeitet werden konnte.
Jeder Asylbewerber muss nun wieder in eine mündliche Anhörung
Nun geht es also wieder zurück zur alten Praxis, bei der bei jedem Asylbewerber auch eine mündliche Anhörung vorgesehen ist. Beschlossen haben dies die Innenminister der Länder und Bundesinnenminister Thomas de Maiziere bereits Anfang Dezember. Anfang November war der Bundesinnenminister schon einmal alleine vorgeprescht und hatte beim BAMF die Rückkehr zum alten System angewiesen.
Als dies durch ein Interview mit unserem Hauptstadtstudio bekannt wurde, war auch schnell klar, dass dieser Schritt ohne Absprache erfolgt war. De Maiziere musste zurückrudern. Die Aufregung war damals deshalb so groß, weil kurz davor die Spitzen von CDU, CSU und SPD sich auf ein zweites Asylpaket geeinigt hatten, in dem unter anderem vorgesehen ist, dass der Familiennachzug für diejenigen mit subsidiärem Schutz für zwei Jahre ausgesetzt werden soll. Bislang betraf das eine kleine Gruppe.
Mit der Rückkehr zur Einzelfallprüfung würde wohl auch ein Großteil der Syrer in diese Gruppe fallen. Dieses Asylpaket II, in dem das Aussetzen des Familiennachzuges steht, ist bislang immer noch nicht umgesetzt. Mit der Rückkehr zur alten Praxis der Einzelfallprüfung, die auch mit den Stimmen der SPD-Innenminister beschlossen worden ist, würde eine Umsetzung des Paketes eben auch bedeuten, dass Syrer für die kommenden zwei Jahre ihre engsten Familienmitglieder nicht nach Deutschland nachholen dürfen. Etwas, das CDU und CSU befürworten, die Sozialdemokraten hingegen lehnen das ab.