Neuköllner Steinlabyrinth

Keine Kunst in der Hasenheide

06:55 Minuten
Ellen Esser vor ihrem Steinlabyrinth
Ellen Esser vor ihrem Steinlabyrinth © Deutschlandradio / Michael Frantzen
Von Michael Frantzen |
Audio herunterladen
Das Steinlabyrinth in der Hasenheide ist zum beliebten Sammelpunkt in dem Neuköllner Park geworden. Doch das Bezirksamt will es trotzdem loswerden. Die Künstlerin Ellen Esser kämpft dagegen.
Besucher der Berliner Hasenheide werden vielleicht schon einmal über sie gestolpert sein: Seit Mai 2019 ragen 1.200 eckige Steine aus dem Boden – eine Installation. Und wenn es nach ihrer Schafferin geht, dann soll das Steinlabyrinth auch dort bleiben, wo es ist: im Park. Schließlich ist es ein Publikumsmagnet.
Doch das Problem ist: Das Bezirksamt Neukölln will das nicht. Trotz einer Petition, die die Künstlerin in die Wege geleitet hat. Klingt verworren, aber es geht ums Prinzip.
Mit Hürden kennt sie sich aus: Ellen Esser, die Erschafferin des Kunstwerks. Manchmal mehr, als ihr lieb ist. Das fing schon in ihrer Jugend an, erzählt die 78-Jährige, während der Nebel langsam, aber sicher die grauen Steine am Rande des Neuköllner Parks verschluckt.
14 war sie, als sie verkündete: Ich werde Schauspielerin, so wie Romy Schneider – und ihre Eltern nur meinten: Vergiss es! Schauspielerin ist sie trotzdem geworden, später Schriftstellerin und bildende Künstlerin. Und jetzt also ihr Steinlabyrinth, der Publikumsmagnet:
"So wie jetzt hier: Die ganze Wiese ist leer. Nur an dem Labyrinth sind Leute. Das ist so angenommen. Also in meinem ganzen Leben hab ich noch kein Projekt gemacht, was so angenommen wurde. Ich hab ja den ganzen Sommer über Unterschriften gesammelt: Alle fanden es toll. Die Kinder, die haben gesagt: 'Waaas? Das ist so schön. Das wollen wir'".

Viele sind Fans des Labyrinths

Klarinette hat die Frau mit den funkelnden, braunen Augen zur Eröffnung im Mai 2019 gespielt, um die Spaziergänger dazu zu bringen, sich auf das Experiment mit dem Labyrinth einzulassen. Bis sie feststellte: Muss sie gar nicht, die Leute tun das auch so: Hipster, Obdachlose, türkische Opis oder die Tscherkessen. E
sser lacht. Die hätten ihr in Nullkommanichts die Leidensgeschichte ihres Volkes erzählt, während sie zusammen im Kreis gelaufen seien, sprudelt es aus ihr heraus. Und das alles soll Ende des Jahres vorbei sein? Es gibt da nämlich ein Problem: das Bezirksamt Neukölln.
Im Herbst hat Esser eine Petition gestartet: Rettet das Steinlabyrinth. Über 1.000 Unterschriften gesammelt, alles ausgedruckt und dem Bezirksbürgermeister übergeben. Genutzt hat es: nichts.

Nur temporäre Nutzung des Parks gestattet

"Ich bin ganz froh, dass man mal darüber sprechen kann", schallt es keine drei Kilometer entfernt, einmal die Karl-Marx-Straße hoch, aus dem Büro des Bezirksbürgermeisters Martin Hikel:
"Weil es geht gar nicht unbedingt um das Labyrinth als solches. Dahinter steckt für die Gesellschaft die Frage: Wie werden Grünanlagen eigentlich genutzt? Temporäre Nutzung ist immer möglich. Es gibt aber halt keine Exklusivität."
Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel in seinem Büro
Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel in seinem Büro© Deutschlandradio / Michael Frantzen
Kurze Sätze, klare Ansage: Nicht umsonst gilt der 34-Jährige, über dessen Wirken nebenan im Büro eine Büste von Willy Brandt wacht, als Hoffnungsträger der Berliner Sozialdemokraten. Natürlich habe er sich das Labyrinth angeschaut, meint er. Es gefalle ihm sogar. Nur leider könne sein Grünflächenamt nicht endlos weiter der lieben Frau Esser eine temporäre Genehmigung für ihre Installation erteilen, von einer Dauererlaubnis ganz zu schweigen. Aus Prinzip:
"Weil wir natürlich nicht nur das Labyrinth als Anfrage hatten. Sondern uns haben auch schon Menschen angesprochen, die würden gerne temporär einen Zirkus machen. Die würden da gerne eine Ecke haben, wo sie da regelmäßig Sport machen. Das heißt, wenn wir einmal sagen, hier lässt man so was zu, dann habe ich auch keinen Grund, den Nächsten zu sagen: Du kannst da nicht jeden Freitag deine Yoga-Gruppe machen."

Es gibt noch keinen neuen Platz für das Labyrinth

Zurück in die Hasenheide und zu einer ziemlich konsternierten Künstlerin. Ellen Esser muss jetzt zusehen, wie sie ihre mehr als 1.200 Klötze bis Neujahr aus dem Park bekommt. 13 XXL-Säcke braucht sie dafür: Das hat sie schon überschlagen. Wohin die Reise geht, allerdings noch nicht.
"Ich hab jetzt an alle geschrieben überhaupt: an Preußischen Kulturbesitz, an Schlösser und Gärten, an den Botanischen Garten, an ganz viele Gemeinschaftsgärten. Ich hoffe, irgendjemand nimmt sich des Labyrinths an. Und dann ist natürlich das Problem: Wie krieg ich die Steine von hier nach da? In Coronazeiten hat man auch wenig Geld. Also: Finde ich genügend helfende Hände?"
Mehr zum Thema