Training durch Neuroathletik

Richtige Bewegung beginnt im Kopf

06:50 Minuten
Fußball im Kopf (3D-Illustration).
Das Gehirn kreiert den Plan der Bewegungsausführungen, der Körper führt aus. Darauf beruht die Neuroathletik. © dpa / picture alliance / Alexander Limbach
Von Peter Kolakowski |
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Die Sportpsychologie ist längst fester Bestandteil von Trainingsplänen: Spitzen- und Leistungssportler können nur dann Höchstleistungen erbringen, wenn sie sich auch mental vorbereiten. Mit bestimmten Übungen können sie auch das Gehirn trainieren.
Für Tatjana Hüfner, Olympiasiegerin im Rennrodeln, gehören neuroathletische Übungen bei jedem Training ganz selbstverständlich dazu:
"Ja, die Neuroathletik hat mir im Grunde geholfen, meine sportliche Karriere zu verlängern. Ich hatte damals gesundheitliche Probleme mit dem Rücken – und der Lars hat mir geholfen, das in den Griff zu kriegen. Dann war eigentlich gar nicht mehr der gesundheitliche Aspekt im Vordergrund, sondern einfach, um die Technik zu verbessern, um cleverer zu trainieren. Ich bereite mein Training anders vor und bereite es anders nach."

Die Wahrnehmung beim Neurosport schärfen

Statt langweiliger und immer gleicher Wiederholungen im Kraftraum schärft Hüfner mit Neurosport auch gezielt ihre Wahrnehmung beim oder nach dem Trainieren. Gleichzeitig achtet sie auch mehr auf Reflexe wie Blockaden oder Verkrampfungen bei bestimmten Bewegungsabläufen.
Solche oft unbewusst ablaufenden und vom zentralen Nervensystem gesteuerten Reaktionen von Körper und Geist werden durch zu einseitiges Training im Gehirn immer mehr verankert. Bei neuroathletischen Übungen dagegen wird das Gehirn dazu angeregt, ganz neue Körper- und Sinneserfahrungen zu machen, um so sein bisheriges Bewegungsrepertoire zu erweitern.  
Der Sportwissenschaftler Lars Lienhard erklärt:
"Das Gehirn kreiert ja den Plan der Bewegungsausführungen. Der Körper, der Organismus, führt aus – und insofern ist es sehr spannend, sich auf das Gehirn zu fokussieren und gucken, wie man da eingreifen kann, um eine bessere Bewegungssteuerung zu erzielen."

Zusammenhang von Nervensystem und Bewegung

Lienhard beschäftigt sich seit Langem mit dem Zusammenhang von Nervensystem und Bewegung und zählt heute zu den weltweit bekanntesten Experten für Neuroathletik. Seine Bücher unter dem Titel "Training beginnt im Gehirn" oder "Neuronale Heilung" sind weltweite Bestseller.

Eigentlich will das Gehirn immer Sicherheit. Wenn wir ihm klare Informationen über die Umwelt geben, zum Beispiel über Augentraining oder akustisches Training oder sensorisches Training oder aus dem Gleichgewichtssystem, dann ist es bereit, tatsächlich besser, konkreter, sauberer mit der Umwelt in Interaktion zu treten. Wir geben dem Gehirn Sicherheit für die bevorstehende Handlung.

Sportwissenschaftler Lars Lienhard

Mit Übungen das Gehirn gezielt schulen

Voraussetzung für diese Sicherheit ist, dass das Gehirn und das Nervensystem die Bewegungen zumindest kennen und gespeichert haben. Neue Sportübungen, sprich plötzlich auftretende Veränderungen in der Umwelt, die das Gehirn nicht kennt, führen dagegen nicht selten zu Verletzungen oder zumindest zu verringerter Leistung.
Insofern schult schon ein möglichst abwechslungsreiches Sportprogramm immer auch viele Gehirnareale gleichzeitig, sodass alle Bewegungen letztlich sicher und richtig ausgeführt werden. Man kann allerdings durch bestimmte Übungen das Gehirn und das neuronale Netzwerk auch ganz gezielt schulen.
Hierfür hat Neuroathletiktrainer Lienhard einem seiner Kursteilnehmer einen schweren Ring aus Metall auf den Kopf gesetzt und ihm zwei Gewichte in die linke und rechte Hand gedrückt. Nun zieht Lienhard mit einem Band am Kopfgewicht, während der Teilnehmer gegen den Zugwiderstand seinen Kopf nach links und rechts bewegt.

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Die für das Nervensystem bislang völlig ungewohnte Übung und Belastung fordert von dem Teilnehmer jetzt höchste Konzentration.

Neuronale Übungen auch für den Amateurbereich

"Und das ist natürlich ein sehr starker Reiz, der ins Gehirn geht. Und es darf anstrengend sein. Man muss die Komplexität bedenken. Je mehr Reize verarbeitet werden müssen, desto anstrengender ist es. Es ist zentralnervös anstrengend – und die Körperposition wird gehalten, während ein Gewicht gehalten wird und am Kopf gezogen wird."
Geeignet sind neuronale Übungen aber nicht nur im Leistungssport, sondern auch im Amateurbereich – vor allem im Gesundheitssport wie in Präventions- und Rehabilitationskursen, weiß die Sportlehrerin Marion Oldekamp-Koop. Sie bietet Neurotraining im Turnverein Refrath-Bergisch-Gladbach an.
"Ich versuche, durch ganz neue Übungen oder auch kleine Veränderungen das Nervensystem anzuregen, dass es sich auf neue Bewegungsabläufe einlassen kann, um das dann im Gehirn zu verankern, um so dann auch mehr Sicherheit und Freude an der Bewegung zu bekommen. Beispiel: Meine Teilnehmer haben alle ein sehr gutes Gleichgewichtsgefühl und können alle auf einem Bein stehen, wenn sie nach vorne gucken. Schauen sie aber im Einbeinstand nach links oder rechts oder nach oben oder unten, kommen tatsächlich viele ins Schwanken oder straucheln. Das Nervensystem kennt diese Blickrichtung in dieser Einbeinstand-Position noch nicht. Das ist aber wichtig, um auch beim plötzlichen Blick zur Seite, zum Beispiel auf der Straße, ein Hindernis zu erkennen und auszuweichen und nicht ins Stolpern zu kommen."

Kritiker sehen nur neuen Hype

Noch ist neuroathletisches Training im Sport nicht voll etabliert. Kritiker sehen darin nur einen neuen Hype um längst bekannte Erkenntnisse aus der Gehirnforschung.
Dagegen sprechen allerdings eine ganze Reihe sportwissenschaftlicher und neurologischer Studien, die betonen, dass durch neurozentriertes Training auch der Spaß an Sport und Bewegung neu geweckt werden kann. 
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