Zivilgesellschaft unter Druck
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Engagement gegen Rassismus und Rechtsextremismus: Öffentlich geförderte Projekte fürchten um ihre Finanzierung, wenn sie ihre Kritik etwa gegen eine konkrete Partei richten. Die AfD wirbt dafür, in solchen Fällen staatliche Gelder zu streichen.
Darf man Ross und Reiter benennen? Darf man mit dem Finger auf diejenigen zeigen, die fremdenfeindliche und rassistische Diskurse befeuern und völkische und nationalistische Positionen vertreten? Pascal Begrich, Geschäftsführer des Vereins "Miteinander (e.V.) Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt" hat dazu eine klare Haltung:
"Wir tun das seit 20 Jahren. Wir tun das sehr differenziert und sagen nach wie vor: Im Grunde genommen ist die AfD mittlerweile eine völkisch-nationalistische Partei mit Schnittmengen in den Rechtsextremismus hinein. Und das werden wir auch weiterhin kritisieren. Rechtsextreme Positionen in der Gesellschaft zurück zu drängen, das ist Satzungsziel. Und für diese Arbeit werden wir ja auch sowohl vom Bund als auch vom Land bezahlt."
Verein berät Kommunen, Schulen und Polizei
Würde der Verein keine öffentlichen Gelder beziehen, wären die eingangs gestellten Fragen hinfällig. Dann wäre Begrichs Einschätzung durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Die eigentliche Frage ist also: Was dürfen staatlich geförderte zivilgesellschaftliche Organisationen? Der Verein Miteinander berät Kommunen, Schulen, Sportverbände und Polizei auf Anfrage zum Umgang mit Rechtsextremismus und liefert Analysen und Informationen für Politik und Medien - auch zur AfD. Zeigt etwa personelle Verflechtungen der Partei mit der Identitären Bewegung und anderen rechten Gruppen.
"Dass wir ein Feindbild sind, das verwundert einen nicht", sagt Pascal Begrich.
Die AfD wirft dem Verein vor, gegen sie zu arbeiten, nicht neutral zu sein, und wirbt dafür, die staatlichen Zuschüsse zu streichen und die Gemeinnützigkeit des Vereins abzuerkennen. Bisher erfolglos. Allerdings ist es der AfD gelungen, Teile der CDU mit auf ihre Seite zu ziehen. Der CDU-Innenminister von Sachsen-Anhalt stellt im Sommer die "Notwendigkeit" einer weiteren Förderung infrage, sein Parteikollege und Finanzminister meldet "Zweifel an der Neutralität" von Miteinander:
"Mit den Erfolgen der AfD, bedingt aber auch durch die ganzen Diskussionen zu Flucht und Asyl beispielsweise zur EU, zum Islam, oder auch zu Gender-Fragen - ein Stück weit ist der Diskurs nach rechts verschoben worden, muss man sagen, ist unter dem Stichwort Neutralität oft ein Anwachsen von Verunsicherung in Verwaltung und Politik zu spüren, die bis dahin geht, dass es so eine grundlegende apolitische Idee von Neutralität gibt, die auch von einer kritischen Zivilgesellschaft erwartet wird."
Bollwerke gegen Hass und Hetze
2016 schreibt das Bundesfamilienministerium als Träger des Förderprogramms "Demokratie leben!" einen Brief. Die politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen mit rechtsextremistischen und rechtspopulistischen Parteien würden zunehmen, heißt es. Die Adressaten des Briefs, geförderte Projekte und Vereine, werden gelobt: als letztes Bollwerke gegen Hass und Hetze in manchen Regionen. Dann folgt so etwas wie eine freundliche Warnung: Wenn es um Parteien gehe, dann sei das - trotz aller möglicherweise notwendiger Kritik - eine schwierige Gratwanderung. Wo genau dieser "Grat" verläuft, bleibt vage.
"Wir können unsere Arbeit nicht machen, wenn wir uns eben mit entsprechenden Äußerungen, die eben menschenverachtend sind, (nicht) auseinandersetzen", sagt Tina Dürr. "Das müssen wir tun, egal wo, egal welche Partei oder Personenkreise es betrifft."
Tina Dürr ist Mitarbeiterin des Demokratiezentrums in Hessen. Das Zentrum ermutigt und fördert diejenigen, die sich gegen Rechts engagieren - mit staatlichen Mitteln. Letztes Jahr wurden erstmals Fördergelder verweigert.
Der Grund: Bei den letzten Kommunalwahlen in Hessen 2016 wurde die AfD drittstärkste Kraft. Zwei Jahre später will das Demokratiezentrum eine Broschüre veröffentlichen, hauptsächlich Interviews mit Kommunalpolitikerinnen und Politiker, die gefragt wurden, wie sie mit den Rechtspopulisten umgehen.
"Das Herzstück dieser Publikation sind die Interviews", erklärt Tina Dürr. "Und da hieß es dann, die beziehen sich ausschließlich auf den Umgang mit der AfD. Und da sei eine Grenze überschritten der Neutralität. Das war die Gretchenfrage, dürfen wir das oder dürfen wir das nicht? Die Argumentation war: Ein staatlicher Träger kann sowas nicht finanzieren, da es eben gegen die Neutralität beziehungsweise gegen das Gebot der Chancengleichheit der Parteien verstößt."
Fördergelder bleiben aus
Die Folge war: Es gab kein Geld für die Broschüre – weder von den Demokratieförderprogrammen beim Bund noch vom Land Hessen.
Bundespräsident Gauck nennt die NPD 2013 "Spinner". Nach Ansicht der Partei hat Gauck damit seine Pflicht zur parteipolitischen Neutralität verletzt. Stimmt nicht, urteilt das Bundesverfassungsgericht. Als die damalige Bildungsministerin Johanna Wanka 2015 in einer Pressemitteilung unter der Überschrift "Rote Karte für die AfD" dazu aufruft, eine Demonstration der Partei zu boykottieren, gibt Karlsruhe der AfD Recht.
Die Chancengleichheit, die das Grundgesetz allen Parteien garantiert, sei verletzt, "wenn das Handeln staatlicher Organe darauf gerichtet ist, die Durchführung politischer Demonstrationen oder das Verhalten potentieller Teilnehmer zu beeinflussen", erklärt das Gericht. Zwei Beispiele die zeigen: So eindeutig ist die Sache mit der Neutralität doch nicht.
"Ein große Überraschung: Das Neutralitätsgebot steht nicht in der Verfassung. Das Neutralitätsgebot hat eine uralte Staatsvorstellung hinter sich. Das steckt tief im 19 Jahrhundert", sagt Verfassungsrechtler Friedhelm Hufen von der Uni Mainz.
Auf abstrakte Neutralität käme es beim Staat nicht an. Als Garant von Grundrechten müssten seine Institutionen und Bediensteten nur besonders aufpassen, diese nicht zu verletzen. Zivilgesellschaftliche Organisationen seine aber eben nicht Teil des Staates.
"Die privaten Empfänger staatlicher Subventionen sind aber und bleiben Grundrechtsträger, nicht Grundrechtsadressaten" erklärt Friedhelm Hufen. "Das muss man manchmal den Leuten sagen: Das ist ein selbständiger Träger, der eigene Grundrechte hat. Und zu deren Verwirklichung kriegt der staatliche Subventionen."
Streit um Kritik an der AfD
Doch es gibt auch andere Positionen. In einem ähnlichen Fall aus Brandenburg empfiehlt der Parlamentarische Beratungsdienst des Landtags, einem Verein nur noch unter der Auflage Geld zu bewilligen, dass die Mittel nicht gegen Parteien eingesetzt werden. Vorausgegangen war ein Streit um eine Veröffentlichung, die sich kritisch mit der AfD auseinandergesetzt hatte.
"Dieses Gutachten des Landtages im Brandenburg ist dadurch gekennzeichnet: Die sagen, wenn der Staat öffentliche Mittel reinsteckt, dann sind diese privaten Organisationen selbst Staat. Das stimmt aber nicht."
Die Diskussion um die staatliche Finanzierung von Organisationen, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus einsetzen: Für Tina Dürr vom Demokratiezentrum Hessen ist diese Kontroverse nicht nachvollziehbar: "Das macht eine Demokratie auch aus, dass sie sich eine kritische Zivilgesellschaft leistet."