Neuübersetzung

Das letzte Wort ist nie gesprochen

An diesem Holztischchen hat die englische Schriftstellerin Jane Austen geschrieben.
An diesem Holztischchen hat die englische Schriftstellerin Jane Austen geschrieben. © picture alliance / dpa / Afra Gallati
Von Edelgard Abenstein |
Jane Austens Klassiker "Stolz und Vorurteil" hat sich millionenfach verkauft. Die Neuübersetzung von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié ist sprachlich schwungvoll, leidet aber unter einem Problem.
Neuübersetzungen von Klassikern der Weltliteratur haben seit einer Weile Hochkonjunktur. Weil Hanser mit manch "neuem" Tolstoi und Stendhal, Manesse mit Thomas Wolfe und Henry James Erfolg hatte, ziehen andere Verlage nach. Ein Grund für dieses Klassiker-Revival mag sein, dass man sich in Zeiten, da Traditionen brüchig werden, gern auf die Verlässlichkeit des literarischen Kanon besinnt. Obendrein bekommt man mit einer Neuausgabe auch die Chance für eine neue Sicht auf Altbekanntes.
Die neue Übersetzung von Jane Austens "Stolz und Vorurteil" muss sich auf dem deutschsprachigen Markt gegen knapp ein Dutzend lieferbarer Ausgaben behaupten. Der Roman, vor 200 Jahren erschienen, gehört weltweit zu den bekanntesten und erfolgreichsten Romanen überhaupt. Mehr als 20 Millionen Mal hat er sich verkauft, seit 1938 wurde er 16 Mal verfilmt, und wie manch anderes Meisterwerk schaffte er es mit Seth Graham Smiths "Stolz und Vorurteil und Zombies" sogar zur Vorlage für eine bestsellerverdächtige Parodie.
Die Geschichte um die fünf Töchter eines verarmten Landadligen, die standesgemäß unter die Haube zu bringen sind, jedoch nur Liebesheiraten eingehen wollen, ist bis heute aktuell. Dabei kommt dieses literarische Feuerwerk, das sich an der Frage entzündet, ob man der Liebe auf den ersten Blick trauen darf, zunächst ganz harmlos daher. Über wahnhafte Liebesideen wurden ja ganze Bibliotheken geschrieben. Jane Austen zeigt, dass die zweiten und die folgenden Blicke viel spannender sind.
Warum eine Paarung erst gelingt, wenn man sich Irrtümer eingesteht
Da ist der blasierte Darcy, gut aussehend und sehr reich, eine hoch empfehlenswerte Partie also, und dazu sehr interessiert an der eigensinnigen Elizabeth, obwohl er sie kein bisschen hübsch findet. Doch die hält nicht viel von ihm. Seinen Antrag lehnt sie ab: zu gönnerhaft, zu versnobt. Elisabeth ist stolz. Zu stolz, um ohne Liebe zu heiraten, zu stolz, um später zuzugeben, dass sie ihre Meinung ändern muss. Denn Darcy, der jegliches Getue hasst, lernt, nachdem er abgeblitzt ist, dass gute Manieren und Humor im geselligen Leben keinesfalls schaden und gewinnt in ihren Augen.
Gerade weil sie sich anfangs so ineinander getäuscht haben, wirken die beiden, die am Ende ein Paar werden, faszinierend komplex. Neben verschiedenen Liebesmodellen - dem romantischen, in dem Leidenschaften zerschlissen werden, dem häuslichen, in dem die Zeit still steht, und dem gnadenlos egozentrischen - führt Austen meisterlich vor, wie Gefühle entstehen, dass man nur durch eigene Fehler lernt und eine Paarung erst dann gelingt, wenn man sich Irrtümer eingesteht.
Der Roman lebt von der Innenschau der Heldin und von der Kunst der Dialoge, die zwischen den beiden Kontrahenten wie mit dem Florett ausgetragen werden.
Die Crux von Neuübersetzungen
Diese blitzenden Rededuelle bringen Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié schwungvoll und spritzig ins Deutsche. Für den S. Fischer Verlag, der bisher immer noch eine Fassung von 1965 präsentierte, in der "bessere Ehehälften" ihr Unwesen trieben, ist das ein Quantensprung. Aber im Vergleich mit Andrea Otts zehn Jahre alter Übertragung für den Manesse Verlag schlagen sich Allié und Kempf-Allié nicht unbedingt besser.
Da zeigt sich einmal mehr die Krux von Neuübersetzungen, die um jeden Preis origineller, moderner, eleganter sein wollen. Dabei ließen sich doch auch mal exzellente Vorgängerlösungen übernehmen. Das letzte Wort ist nie gesprochen.

Jane Austen: Stolz und Vorurteil
Aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié
S. Fischer Verlag. Frankfurt am Main 2014
464 Seiten, 19,99 Euro

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