Neuübersetzung von "Jules und Jim"

So wie einst Truffaut

Der französische Filmregisseur Francois Truffaut. (Undatierte Aufnahme).
Der legendäre Regisseur Francois Truffaut setzte dem Roman 1961 ein filmisches Denkmal. © picture-alliance/dpa/Bert Reisfeld
Von Manuela Reichart |
"Jules und Jim" von Henri-Pierre Roché ist die schönste Dreiecksgeschichte der französischen Nachkriegsliteratur. Jetzt erscheint sie in einer neuen Übersetzung von Patricia Klobusiczky, die das von Francois Truffaut in seiner Film herausgestellte Tempo und die bild­reiche Sprache bestens trifft.
Im Roman ist sie eine blonde Traumfrau namens Kathe, im wirklichen Leben hieß sie Helen, war sehr schön und sehr deutsch, im Kino dagegen eine brünette und sehr französische Cathrine. Allein der Mund, das archaische Lächeln einer Göttin einte wohl alle drei: die Protagonistin im Roman "Jules und Jim" von Henri-Pierre Roché, das reale Vorbild Helen Hessel und Jeanne Moreau in dem Film von Francois Truffaut.

Die reale Person überlebte Ehemann und Geliebten

Die beiden Freunde in dieser Dreiecksgeschichte - der kleine rundliche Deutsche und der große schmale Franzose – lernen sich 1907 in Paris kennen und sind bis zur Begegnung mit der unbändigen Frau (die in der Realität 1912 nach Paris kam, um Malerei zu studieren) die engsten Freunde, die sich ihre Geliebten durchaus teilen. Aber nun tritt (im Leben, im Roman, im Film) sie in ihr Leben, die lächelt wie eine griechische Statue und Jules bittet seinen Freund: "die da nicht? …ja, Jim?."
Zwischen der Kunst und dem Leben, dem Roman, dem Film und der wahren Liebesgeschichte sind längst alle Fäden gezogen, vor allem seit dem die über 1000 Seiten umfassenden Tagebücher von Helen Hessel veröffentlicht wurden. Anders als in der Literatur und im Kino überlebte sie den Ehemann und den Geliebten: Sie starb 1986 mit 96 Jahren. Heute wissen wir fast alles über Jules und Jim und die Frau zwischen ihnen. Sie ist wirklich in die Seine gesprungen, als die beiden Literaten Unsinn redeten.

Die absolute Leidenschaft

Truffaut (dessen Essay hier zum ersten Mal vollständig auf Deutsch erscheint) beschreibt, wie er auf diesen Erstlingsroman des 76 Jahre alten Autors 1955 zufällig aufmerksam wurde, wie er sich in dieses Buch verliebte, wegen der "temporeichen Sätze, ihrer trügerischen Härte und der Genauigkeit seiner Bilder". Niemand kannte damals Roché, Truffaut war noch ein junger Filmkritiker. Als er den Roman schließlich 1961 verfilmte (mit Jeanne Moreau, Oscar Werner und Henri Serre) war der Autor, der ein ebenso großer Kunst- wie Frauenfreund gewesen war, bereits zwei Jahre tot.
Durch diesen Film hatte Truffaut einen Schriftsteller ins literarische Bewusstsein geholt, der nicht nur freizügige und die gängige Moral herausfordernde Geschichten schrieb (auch sein zweiter Roman "Die beiden Engländerinnen und der Kontinent" wurde von Truffaut verfilmt), sondern auf eine leichte und unvergleichliche Weise in "Jules und Jim" das Porträt einer jungen Frau entwarf, die die Gesetze einer Liebesgeschichte herausfordernd festlegt und eine Leidenschaft, die nicht absolut ist, verachtet.
Ein hinreißender Roman über Liebe und Treue, über Freundschaft und Tod. Die neue Übersetzung von Patricia Klobusiczky trifft das von Truffaut herausgestellte Tempo und die bildreiche Sprache jedenfalls aufs Beste.

Henri-Pierre Roché: Jules und Jim
Aus dem Französischen neu übersetzt von Patricia Klobusiczky
Mit einem Essay von François Truffaut
Verlag Schöffling & Co, Frankfurt am Main, 2016
270 Seiten, 22,95 Euro

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