William Faulkner: Schall und Wahn. Roman
Aus dem Amerikanischen von Frank Heibert
Rowohlt Verlag, Reinbek 2014
378 Seiten, 24,95 Euro
In einem tragisch verhängnisvollen Sog
Uwe Johnson bezeichnete William Faulkner als einen seiner größten literarischen Einflüsse: Nun ist Faulkners "Schall und Wahn" in einer neuen Übersetzung erschienen. Frank Heibert fängt darin die Sprachmusik des Südstaaten-Schriftstellers ein.
William Faulkner (1897-1962) ist einer der einflussreichsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. In den Fünfzigerjahren zog er endlich auch in Deutschland Kreise. So ist der junge Uwe Johnson ohne die Faulkner-Leküre nicht zu denken, und auch zeitgenössische Autoren wie Ulrich Peltzer berufen sich explizit auf ihn. Das hat vor allem mit seinen formalen Innovationen zu tun, mit dem "stream of consciousness", dem Bewusstseinsstrom, den er parallel zu James Joyce literarisch entwickelte, mit dem Wechsel von Erzählperspektiven, mit Brüchen in Chronologie und Handlung, die die Bewusstseinstrukturen kongenial abbilden.
"Schall und Wahn" ist 1929 erschienen, als vierter von insgesamt 18 Romanen. Wiederholt sagte Faulkner, dies sei ihm das wichtigste all seiner Bücher. Wie in seinem gesamten Romankosmos bilden die amerikanischen Südstaaten den Hintergrund: das Abgehängtwerden durch den Norden nach der Niederlage im Bürgerkrieg und dem offiziellen Ende der Sklaverei, der Niedergang der nicht zu Reformen fähigen Großgrundbesitzer.
Gezeigt wird dies in "Schall und Wahn" anhand der Familie Compson. Der Vater stirbt am Alkohol, die Mutter kränkelt und klagt, und die Kinder enden allesamt tragisch: Benjy ist geistig behindert, Caddy wird früh schwanger und unglücklich zwangsverheiratet, Quentin begeht Selbstmord, Jason verspekuliert sich an der Börse. Einzig Caddys uneheliche Tochter, die Enkelin, entzieht sich und bricht aus. Im Nebengebäude indes wohnt – im Roman Gegenpol zu den Compsons - das schwarze Personal, die alte Dilsey Gibson mit ihrer Familie: Sie finden Halt im Glauben und im Pragmatismus.
Gezeigt wird dies in "Schall und Wahn" anhand der Familie Compson. Der Vater stirbt am Alkohol, die Mutter kränkelt und klagt, und die Kinder enden allesamt tragisch: Benjy ist geistig behindert, Caddy wird früh schwanger und unglücklich zwangsverheiratet, Quentin begeht Selbstmord, Jason verspekuliert sich an der Börse. Einzig Caddys uneheliche Tochter, die Enkelin, entzieht sich und bricht aus. Im Nebengebäude indes wohnt – im Roman Gegenpol zu den Compsons - das schwarze Personal, die alte Dilsey Gibson mit ihrer Familie: Sie finden Halt im Glauben und im Pragmatismus.
"Schall und Wahn" oder "Das Tönen und das Wüten"
Faulkner entwirft ein ungeheures gesellschaftliches Panorama, mit einer kraftvollen Sprache und atmosphärisch dichten Szenen und einem tragischen, verhängnisvollen Sog. Es ist allerdings die Form des Erzählens, die den stärksten Eindruck hinterlässt und den Roman so suggestiv erscheinen lässt. Sämtliche vier Teile des Romans werden aus einer anderen Perspektive erzählt. Vor allem der Anfang ist eine Herausforderung. Der Leser nimmt die Geschehnisse durch den Kopf eines geistig Behinderten wahr: Er kann sie nicht einordnen, nicht durch ein eigenes Ich-Bewusstsein gliedern – umso prägnanter tritt dadurch die gesellschaftliche Situation ins Licht. Wer will, kann viele Rückschlüsse auch auf die heutige Situation der USA ziehen.
Das Sprechen eines "Idioten" ist auch ein augenzwinkernder Verweis auf die Shakespeare-Stelle, die dem Roman den Titel gegeben hat: In "Macbeth" heißt es über das Leben, es sei "a tale told by an idiot, full of sound and fury, signifying nothing" – eine Geschichte also, die von einem Idioten erzählt wird, voller Lärm und Wut, und nichts ist von Bedeutung.
Im Original heißt der Roman "The Sound and the Fury". Der neue Übersetzer Frank Heibert versucht, all diesen Sprachebenen zu folgen und derlei Anspielungen miteinzubeziehen. "Das Tönen und das Wüten", sagt er in seinem Nachwort, wäre als Entsprechung genauer als "Schall und Wahn", aber dieser Titel hat sich im deutschen Sprachgebrauch längst durchgesetzt. Das Tönen und Wüten des Schicksals, das etwas Fatalistisches hat, aber doch auch selbstverschuldet ist, wird in der Sprachmusik Faulkners auf eine faszinierende Weise eingefangen, die Frank Heibert jetzt dem Deutschen auf beeindruckende Weise nah gebracht hat.